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GSStSelbstständige Einziehung mit einstellendem Gerichtsurteil möglich

Abo-Inhalt15.04.202469 Min. Lesedauer

| Der Große Senat für Strafsachen beim BGH hat entschieden, dass die Einziehung des Taterlöses (oder dessen Wertes) zusammen mit dem Urteil angeordnet werden darf, durch das das Verfahren wegen Verjährung eingestellt wird (BGH 23.5.23, GSSt 1/23, Abruf-Nr. 238583). |

Das Gericht kann folglich die selbstständige Einziehung des „durch“ (§ 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB, Taterlös) oder „für“ (§ 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB, Tatentgelt) eine verjährte Straftat erlangten Ertrages oder dessen Wertes nach § 76a Abs. 2 S. 1 StGB im subjektiven Verfahren mit dem Urteil anordnen, durch das es das Verfahren hinsichtlich dieser Tat einstellt. Eines Übergangs in das selbstständige Einziehungsverfahren (objektive Verfahren) gem. §§ 435 f. StPO bedarf es nicht. Solange die Tat noch Gegenstand der Hauptverhandlung ist, ist es zulässig, die Einziehung in diesem subjektiven Verfahren anzuordnen. § 76a StGB setzt keinen gesonderten Antrag der StA gem. §§ 435 ff. StPO voraus. Die StA muss die selbstständige Einziehung daher nur bei Gericht explizit beantragen, wenn sie keine Anklage erhebt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch die Reform des Einziehungsrechts eine selbstständige Einziehung ausschließlich im objektiven Verfahren für zulässig erachtet. Diese ist auch außerhalb des selbstständigen Einziehungsverfahrens zulässig. Die gegenteilige Ansicht des 1. und 2. Strafsenats, wonach die selbstständige (Wertersatz-)Einziehung von Taterträgen aus verjährten Straftaten nur im selbstständigen Einziehungsverfahren (§§ 435 f. StPO) zulässig sein sollte, hat sich beim BGH nicht durchgesetzt.

Merke | Im subjektiven Verfahren folgt die selbstständige Einziehung laut GSSt aus dem Gesetz. In der Anklage wird darauf hingewiesen. Daher muss das Gericht – auch im Hinblick auf § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO – i. d. R. nicht darauf hinweisen, dass die Einziehung weiter zulässig ist. Eine eigenständige Einziehung bleibt in subjektiven Verfahren unzulässig, in denen das Gericht eine Tat vorläufig eingestellt hat (§ 154 Abs. 2 StPO) bzw. die StA oder mit Zustimmung das Gericht nach § 154a Abs. 2 StPO einzelne Gesetzesverletzungen von der Strafverfolgung ausgenommen hat, § 154a Abs. 1 StPO, da der Verfahrensstoff kraft Anordnung im subjektiven Verfahren nicht mehr Grundlage selbstständiger Rechtsfolgeentscheidungen ist.

Auch die tatunabhängige (erweiterte) selbstständige Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB setzt weiterhin zwingend einen Antrag der StA gem. § 435 Abs. 1 StPO voraus. Denn die Maßnahme ist unabhängig von einer konkreten Erwerbstat, die Gegenstand des Strafverfahrens sein könnte.

Unklar bleibt, ob die Entscheidungen der anders urteilenden Senate hinsichtlich der (unterlassenen) Einziehungsentscheidung rechtskräftig sind oder noch selbstständige Einziehungen erfolgen können. Der GSSt deutet an, dass Letzteres möglich ist. Das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs ist auf einen einziehungsbetroffenen Dritten nur zu erstrecken, wenn dieser im subjektiven Verfahren Einziehungsbeteiligter war. Zwar kann eine Einziehung nicht selbstständig angeordnet werden, wenn „rechtskräftig über sie entschieden worden ist“. Eine solche Entscheidung liegt aber nur vor, wenn sich das Tatgericht bewusst war, dass eine Einziehung möglich war. Dies dürfte bei den abweichenden Entscheidungen, die eine Einziehung im subjektiven Verfahren per se ausgeschlossen haben, nicht der Fall gewesen sein. Insofern könnten nachträglich Einziehungsverfahren drohen.(DR)

AUSGABE: PStR 5/2024, S. 98 · ID: 49854746

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