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AntidumpingzollE-Bikes aus China – der Antidumpingzoll und wie er umgangen wird

Abo-Inhalt08.04.2024356 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt (FH/Zoll) Markus Bitzer, Odenthal

| Seit Jahren werden E-Bikes und Fahrradteile beim Import in die EU mit Antidumpingzöllen belegt. Mehrere Untersuchungen der Zollbehörden führten dazu, dass nicht verkehrsfähige Räder beschlagnahmt und hinterzogene Zölle eingetrieben wurden. Bei Antidumpingzöllen geht es um viel Geld und mögliche Haftstrafen. Am 17.1.24 kündigte die EU-Kommission an, dass sie eine Überprüfung der Antidumpingmaßnahmen (C/2024/802) und der Antisubventionsmaßnahmen (C/2024/798) für E-Bikes aus China einleitet. Damit wird dieses Kapitel noch verschärft werden. |

1. Antidumpingzoll – was ist das?

Zölle sind ein zentraler Bestandteil der internationalen Handelspolitik und dienen verschiedenen Zwecken. U. a. gibt es Fiskalzölle, die primär darauf abzielen, Einnahmen für den Staat zu generieren, indem sie auf den Wert der eingeführten Waren erhoben werden. Diese können entweder als prozentualer Anteil des Warenwertes (ad valorem) oder auf der Grundlage von anderen Kriterien wie Gewicht oder Stückzahl (spezifisch) festgesetzt werden.

Daneben existieren Schutzzölle, die als politische Instrumente eingesetzt werden, um heimische Industrien vor ausländischer Konkurrenz zu schützen oder um auf Handelsstreitigkeiten zu reagieren. Ein prominentes Beispiel sind die Strafzölle, die von Regierungen wie den USA und der EU in solchen Auseinandersetzungen angewandt werden.

In diesem Kontext stellt der Antidumpingzoll eine spezielle Form des Schutzzolls dar. Er wird eingeführt, wenn es den Anschein gibt, dass ausländische Unternehmen ihre Produkte zu Preisen auf den Markt bringen, die unter den normalen Marktwerten liegen und somit heimische Unternehmen benachteiligen könnten. Das Ziel besteht darin, faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten und den Schaden für die heimische Industrie zu begrenzen. Der Antidumpingzoll wird durch Handelsuntersuchungen und die Feststellung von Dumpingpraktiken festgelegt. Wenn diese Praktiken nachgewiesen werden, kann die zuständige Behörde entscheiden, entsprechende Zölle auf die betreffenden Produkte zu erheben.

Ein Beispiel für Antidumpingzölle sind die Maßnahmen, die gegen chinesische Solarmodule ergriffen wurden. Diese Angelegenheit ist nach wie vor Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten, die bis zum Europäischen Gerichtshof reichen (siehe u. a. Peters, wistra 23, 51 und Schöler, PStR 22, 273; derselbe, wistra 22, 523). Damit zeigt sich, dass Antidumpingzölle nicht nur einen erheblichen wirtschaftlichen Einfluss haben, sondern auch komplexe rechtliche und politische Herausforderungen darstellen können.

2. Antidumpingzoll auf E-Bikes

Antidumpingzölle auf Fahrräder aus China bestehen seit den 1990er-Jahren. Mit dem Aufkommen von E-Bikes in den letzten Jahren ist der Markt rapide gewachsen. Die Preisspanne ist enorm, ebenso wie die mögliche Marge. Es ist verständlich, dass versucht wird, die Einfuhrabgaben zu minimieren. Die Durchführungs-VO (EU) 2019/73 führte einen endgültigen Antidumpingzoll von bis zu 70,1 Prozent auf Importe aus China ein. Bei der betroffenen Ware handelt es sich um Fahrräder mit Trethilfe, Elektrohilfsmotor und Ursprung in China. Die betroffenen Waren werden unter den KN-Codes 8711 60 10 und ex 8711 60 90 (TARIC-Code 8711 60 90 10) eingereiht. Dies führte zu einer Verschiebung der Produktion in vermeintlich andere Herstellungsländer wie Vietnam, Taiwan, Thailand, Bangladesch und Kambodscha. Dies wiederum löste verstärkte Kontrollen beim Zoll aus. Häufig wurden die niedrigen Preise durch minderwertige Qualität gerechtfertigt. Das Zollfahndungsamt Essen stellte, bereits kurz nachdem der Antidumpingzoll eingeführt worden ist, umfangreiche Importe solcher nicht verkehrstauglichen Fahrräder fest. Die Kaufpreise lagen z. T. unter 100 EUR, während die Räder als angebliche Privatverkäufe über Kleinanzeigenportale für bis zu 1.000 EUR angeboten wurden.

3. Kalkulation der Einfuhrabgaben

Die zu zahlenden Abgaben in der EU hängen von verschiedenen Faktoren ab, dazu zählt auch der chinesische Lieferant. Denn diese können durch ein Agreement mit der EU-Kommission die Antidumpingzölle bis auf wenige oder gar 0 Prozent reduzieren, wenn sie bestimmte Preise (Einkaufspreis, die Frachtkosten und die im Kaufvertrag festgelegten Lieferbedingungen) einhalten:

Berechnung der Einfuhrabgaben

Berechnungsschritt

Einbezogene Werte

Betrag

Ermittlung des Zollwerts

Ab-Werk-Rechnungspreis

10.000 EUR

+ Beförderungskosten bis in die EU

1.500 EUR

= Zollwert

11.500 EUR

Berechnung des Zollbetrags

Zollwert (11.500 EUR) × Zollsatz (6 %) = Zollbetrag

690 EUR

Ermittlung des EUSt-Werts

Zollwert

11.500 EUR

+ Zollbetrag

690 EUR

+ Beförderungskosten

innerhalb der Union

500 EUR

= Bemessungsgrundlage

für die EuSt

12.690 EUR

Berechnung

des EUSt-Betrags

EUSt-Wert (12.690 EUR) × EUSt-Satz (19 %) = EUSt-Betrag

2.411,10 EUR

Berechnung

des Antidumpingzollsatzes

Zollwert (11.500 EUR) × Antidumpingzollsatz (45 %)

5.175 EUR

Höhe der Einfuhrabgaben insgesamt

Zollbetrag (690 EUR) + EUSt (2.411,10 EUR) + Antidumpingzoll (5.175 EUR)

8.276,10 EUR

4. Folgen eines Antidumpingverstoßes

Der Verstoß gegen Antidumpingzölle hat ernsthafte rechtliche und finanzielle Konsequenzen. Werden Antidumpingzölle nicht angemeldet oder Angaben dazu unrichtig gemacht, stellt dies eine Form der Steuerhinterziehung dar, § 370 AO.

Merke | Da es sich bei Antidumpingzöllen um Steuern (§ 3 Abs. 3 AO) und erhebliche Beträge handelt, kann leicht die Schwelle zur Gewerbsmäßigkeit überschritten werden, was eine Strafbarkeit gem. § 373 AO nach sich ziehen kann.

Zusätzlich überschreiten die zu zahlenden Abgaben oft die Grenze des „großen Ausmaßes“ (mehr als 50.000 EUR). Da 75 Prozent der Zölle in den EU-Haushalt fließen und Deutschland die Zölle im Voraus zahlen muss, erhöht sich der Druck auf die Zollbehörden erheblich, Verstöße zu verfolgen und die Abgaben beizutreiben. Anders als bei rein nationalen Steuerarten ist eine einvernehmliche Regelung in solchen Fällen praktisch ausgeschlossen.

5. Steuerberater sollten die Augen offen halten

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Antidumpingzölle versehentlich aufgrund falscher Angabe einer Zolltarifnummer oder eines Ursprungslandes nicht ordnungsgemäß angemeldet und entrichtet werden. Denn häufig überprüft der Unternehmer den Lieferanten nur unzureichend, oder der Vermittler verlässt sich auf dessen Angaben, ohne die gelieferten Informationen zu hinterfragen. In solchen Fällen kann ein Steuerberater eine wichtige Aufsichtsinstanz sein. Durch ihre Kenntnis der Geschäftspraktiken des Mandanten und ihre Erfahrung mit internationalen Handelsregelungen können Berater Unternehmen dabei unterstützen, die Einhaltung der Antidumpingzölle sicherzustellen. Sie können Unternehmen auch über laufende und bevorstehende Antidumpingverfahren informieren, indem sie die entsprechenden Listen auf der Webseite der EU-Kommission (www.iww.de/s10458) überwachen und in die Warenliste des Mandanten einpflegen.

Beachten Sie | Auf dieser Webseite wird auch verkündet, wie die Zukunft des E-Bike-Antidumpingzoll aussehen wird. Noch ist alles offen: von Erleichterung bis Verschärfung ist alles möglich.

Fazit | Ein offenes Auge und ggf. frühzeitiger Hinweis seitens des Beraters kann Unternehmen vor schwerwiegenden Konsequenzen bewahren und sicherstellen, dass sie alle einschlägigen Zollvorschriften ordnungsgemäß einhalten.

Weiterführende Hinweise
  • Schöler, Verkürzung von Antidumpingzöllen bei der Einfuhr chinesischer PV-Module, PStR 22, 273 ff.
  • Möller/Retemneyer, Hinterziehung von Antidumpingzoll straffrei?, PStr 22, 112 ff.

AUSGABE: PStR 5/2024, S. 113 · ID: 49931792

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