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DurchsuchungsbeschlussUnbestimmter Durchsuchungsbeschluss ist aufzuheben

Abo-Inhalt05.02.2024300 Min. LesedauerVon RA Dr. Hendrik Schöler, LL.M., FA StR, und FA StRR Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA), Kiel

| Ein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss hat (auch) eine Begrenzungsfunktion. Der Betroffene soll dadurch, dass der Tatvorwurf hinreichend präzise beschrieben wird, in die Lage versetzt werden, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten. Bei Steuerstraftaten ist es besonders bedeutsam, die Tatvorwürfe präzise zu bestimmen. Das hat das LG Kiel entschieden. |

Sachverhalt

Auf Antrag der StA erließ das AG Durchsuchungsbeschlüsse gem. §§ 102, 105 StPO für die Wohn- und Geschäftsräume des Beschwerdeführers B. Den Verdacht u. a. der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) begründete es damit, dass der B zwischen 2018 und 2023 gegenüber dem FA über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht bzw. diese über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt habe. Steuererklärungen soll der B z. T. innerhalb der gesetzlichen Frist, z. T. danach abgegeben haben. Welche Steuererklärungen welcher Jahre dies waren, ließ der Beschluss offen. Ebenso stellte das AG nicht dar, welche Steuerarten in welchem Umfang Gegenstand der Verkürzung gewesen sein sollen. Nach dem Vollzug der Durchsuchungsbeschlüsse dauerte die Durchsicht der Papiere und elektronischen Speichermedien gem. § 110 StPO an. Die daraufhin erhobene Beschwerde gegen die Durchsuchungsbeschlüsse war erfolgreich.

Entscheidungsgründe

Auf die Beschwerde hob das LG die Durchsuchungsbeschlüsse auf, nachdem das AG der Beschwerde nicht abgeholfen hatte (LG Kiel 27.12.23, 6 Qs 26-29/23, Abruf-Nr. 239249). Die Statthaftigkeit der Beschwerde ergab sich aus dem Umstand, dass die Durchsicht gem. § 110 StPO noch andauerte.

Beachten Sie | Nach Beendigung der Durchsuchung ist eine zuvor bereits eingelegte Beschwerde weiterhin zulässig; ab dem Zeitpunkt des Abschlusses der Sichtung ist sie als auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung gerichtet anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.14, StB 10/14; Beschluss vom 9.2.21, StB 9/20, StB 10/20; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 105 Rn. 15).

Inhaltlich waren die Durchsuchungsbeschlüsse nach der Überzeugung des Landgerichts zu unbestimmt. Insbesondere genügten die Beschlüsse nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur rechtsstaatlichen Begrenzungsfunktion richterlicher Durchsuchungsanordnungen (BVerfG, Beschluss vom 17.3.09, 2 BvR 1940/05). So fehlten Angaben dazu, welche Steuerart in welchem Jahr betroffen sein sollte. Für den verständigen Leser ergab sich insbesondere nicht, dass sich der Vorwurf der Umsatzsteuerhinterziehung auf den Zeitraum bis 2022 erstrecken sollte, während dies für die Einkommen- und Gewerbesteuer nicht der Fall war.

Relevanz für die Praxis

Grundsätzlich gilt, dass der Durchsuchungsbeschluss die Durchführung der Eingriffsmaßnahme messbar und kontrollierbar gestalten muss. Die Begrenzungsfunktion des Durchsuchungsbeschlusses spielt insbesondere in Steuerstrafverfahren eine herausgehobene Rolle. Wird in dem Beschluss (nur) der Tatzeitraum „zwischen 2018 und 2023“ angegeben, bleibt offen, für welche Jahre der Vorwurf der Steuerhinterziehung erhoben wird. So fallen bei dem Delikt der Steuerhinterziehung Tathandlung und Taterfolg – abgesehen von falschen Umsatzsteuervoranmeldungen mit der Wirkung des § 168 S. 1 AO – zumeist auseinander. Bereits dieser Umstand führt zu Abgrenzungsproblemen. Darüber hinaus verrät der vermeintliche Tatzeitraum nichts über die relevanten Veranlagungszeiträume. Hierzu sind aber präzise Angaben notwendig, um dem Betroffenen zu ermöglichen, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen entgegenzutreten.

Beachten Sie | Auch nach dem Beschluss des LG Nürnberg-Fürth (7.6.23, 12 Qs 24/23) ist ein Durchsuchungsbeschluss wegen Steuerhinterziehung rechtswidrig, wenn er keine Angaben zur tatbestandsmäßigen Erklärungshandlung – Tun oder Unterlassen – enthält.

Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum in einem Durchsuchungsbeschluss nicht angegeben werden kann, wann die entsprechenden Steuererklärungen und Steueranmeldungen abgegeben wurden, wann die entsprechenden Bescheide bekanntgegeben wurden und für welche Steuerarten und welche Veranlagungszeiträume der Tatverdacht der Steuerhinterziehung erhoben wird.

Merke | Bevor ein Durchsuchungsbeschluss beantragt wird, ist zwangsläufig die Einleitung des Strafverfahrens nach § 397 AO vorausgegangen. Der dafür erforderlich Anfangsverdacht muss sich aus konkreten Tatsachen ergeben (Jäger, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl., § 397 Rn. 40). Deshalb sollten Angaben zu Steuerarten und Veranlagungszeiträumen möglich sein. Ohne Kenntnis dieser Umstände ließe sich kaum ein Anfangsverdacht begründen.

Die Entscheidung des LG sollte dazu ermutigen, in geeigneten Fällen von dem Rechtsbehelf der Beschwerde gegen Durchsuchungsbeschlüsse häufiger Gebrauch zu machen.

Beachten Sie | Ein Beweisverwertungsverbot der im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen Beweismittel ergibt sich freilich nicht, wenn bei hypothetischer Betrachtungsweise ein rechtmäßiger Durchsuchungsbeschluss hätte erlangt werden können. Eine Nichtverwertbarkeit kommt nur in Betracht, wenn ein besonders schwerer Verstoß vorliegt (vgl. Wegner, PStR 24, 30).

AUSGABE: PStR 3/2024, S. 58 · ID: 49865199

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