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Nicht erklärter ÜbergangsgewinnDas sind die steuerstrafrechtlichen Folgen des nicht erklärten Übergangsgewinns
| Wechselt der Steuerpflichtige die Art, wie er seinen Gewinn ermittelt, erzielt er u. U. einen hohen Übergangsgewinn, weil insbesondere Forderungen als Umlaufvermögen aktiviert werden. Bislang ist kaum diskutiert worden, welche Folgen ein nicht ausgewiesener und gegenüber den Finanzbehörden nicht erklärter Übergangsgewinn für das Steuerstrafverfahren hat. Ein Beispiel aus der Praxis verdeutlicht, welche Besonderheiten bei der Beweiswürdigung und der Strafzumessung gelten. |
1. Gewinnermittlungsarten im deutschen Steuerrecht
Der Einkommensteuer (ESt) unterliegen neben den Überschusseinkünften auch die Gewinneinkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit. Der Gewinn kann nach § 4 Abs. 1 EStG und § 5 EStG durch Betriebsvermögensvergleich oder nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahme-Überschuss-Rechnung berechnet werden.
a) Wahl der Gewinnermittlungsart
Steuerpflichtige, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften (u. a. § 141 AO, § 90 Abs. 3 AO, § 4 Abs. 3 S. 5 EStG, § 41 EStG, § 22 UStG oder § 140 AO i. V. m. § 238 Abs. 1 HGB) verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßige Abschlüsse zu erstellen, und dies auch nicht freiwillig tun, haben das Recht, zwischen diesen Gewinnermittlungsarten zu wählen (BFH 19.3.09, IV R 57/07, NJW 09, 2910; 9.11.00, IV R 18/00, DStR 01, 160, 161; Brandis/Heuermann/Valta, 168. EL August 23, EStG § 18 Rn. 252). Dieses Wahlrecht wird i. d. R. zugunsten der Einnahme-Überschussrechnung ausgeübt, stellt sie doch geringere formelle Anforderungen und erspart dem Steuerpflichtigen zahlreiche Bewertungsvorgänge (Brandis/Heuermann/Valta, 168. EL August 23, EStG § 18 Rn. 221). Sie setzt keine Kassenführung, keine Bestandskonten und keine Inventur voraus (Schmidt/Loschelder, EStG, 42. Aufl., § 4 Rn. 372).
Der Steuerpflichtige ist bei ihr ertragsteuerlich auch nicht verpflichtet, seine erbrachten Leistungen spätestens zum Bilanzstichtag abzurechnen (Otto, NJW 10, 3601). Vielmehr bietet das Zuflussprinzip eine legale Möglichkeit für Gewinnverschiebungen in zeitlicher Hinsicht (Brandis/Heuermann/Valta, a a. O.). Bei der Gewinnermittlung aufgrund eines Betriebsvermögensvergleichs muss der Steuerpflichtige hingegen die steuerrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung beachten.
b) Konkrete Gewinnermittlung
Der Gewinn im Rahmen der Einnahme-Überschuss-Rechnung ist der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, also eine Zu- und Abflussrechnung i. S. v. § 11 EStG (Schmidt/Loschelder, a. a. O., § 4 Rn. 370).
Beim Betriebsvermögensvergleich ist der Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und demjenigen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Zum Betriebsvermögen gehören alle aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die im wirtschaftlichen Eigentum des Betriebsinhabers stehen und betrieblich veranlasst (un-)entgeltlich erworben, hergestellt oder eingelegt worden sind (Brandis/Heuermann/Drüen, a. a. O., § 4 Rn. 113). Über § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB gilt das Prinzip der periodengerechten Gewinnermittlung. Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres sind unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlungen im Jahresabschluss zu beachten.
c) Übergangsgewinn
Beim Wechsel der Gewinnermittlungsart zum Betriebsvermögensvergleich erstellt der Steuerpflichtige zu Beginn eines Kalenderjahres eine Eröffnungsbilanz, richtet Debitoren- und Kreditorenkonten ein und fertigt aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Jahresabschluss (Otto, NJW 10, 3601, 3602). Dabei sollte er die betrieblichen Vorfälle dahin gehend untersuchen, wie sich diese auf den Gewinn ausgewirkt haben, wie sie sich künftig auf ihn auswirken werden und ob nicht erfasste Vorgänge beim ersten Betriebsvermögensvergleich berücksichtigt werden müssen. Diese Auswirkungen sind im sog. Übergangsgewinn (oder Übergangsverlust) durch Zu- und Abrechnungen auszugleichen (Schmidt/Loschelder, a. a. O.,§ 4 Rn. 690 f.; vgl. EStR 4.6 zu § 4 EStG). So wird der Warenbestand beim Wechsel zum Betriebsvermögensvergleich mit dem in der Eröffnungsbilanz auszuweisenden Bilanzansatz (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG) dem Übergangsgewinn hinzugerechnet, da sich beim Betriebsvermögensvergleich über den Wareneinsatz erneut der Gewinn mindert, während dieser bei der Einnahme-Überschuss-Rechnung unbeachtlich ist (vgl. EStR Anlage zu 4.6 zu § 4 EStG).
Hinsichtlich Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gilt: Der Gewinn nach der Einnahme-Überschuss-Rechnung wird dadurch, dass diese entstehen, wertberichtigt werden oder ausfallen, nicht berührt. Denn erst ihre Erfüllung und der Zahlungseingang sind als Betriebseinnahme zu werten (Schmidt/Loschelder, a. a. O., § 4 Rn. 370, 383). Wird die Forderung im Rahmen von § 4 Abs. 1 EStG erfüllt, stellt dies dagegen einen erfolgsneutralen Aktivtausch dar. Hingegen werden Ertrag und Aufwand im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs bereits beachtet, wenn Forderungen und Verbindlichkeiten entstehen, sodass dem Übergangsgewinn beim Wechsel der Gewinnermittlungsart der Bruttobetrag der Forderungen hinzuzurechnen ist.
2. Steuerstrafrechtliche Auswirkungen
Der Übergangsgewinn ist außerhalb der Bilanz zu ermitteln und außerbilanziell im Rahmen der ESt-Erklärung im ersten Jahr der geänderten Gewinnermittlung zu erklären (BFH 28.5.68, IV R 202/67, BStBl. II 68, 650).
a) Erklärung des Übergangsgewinns
Der Übergangsgewinn gehört zum laufenden Gewinn und ist neben diesem zu versteuern (Schmidt/Loschelder, a. a. O., § 4 Rn. 693). Er zählt auch gewerbesteuerlich zum laufenden Gewerbeertrag (Schmidt/Loschelder, a. a. O.; vgl. GewStR 7.1 zu § 7 GewStG). Der Übergangsgewinn ist nicht gem. § 34 EStG steuerbegünstigt, da die Aufzählung der Einkünfte abschließend ist (Brandis/Heuermann/Schießl, a. a. O., § 34 Rn. 26). Das Gesetz ermöglicht es dem Steuerpflichtigen, den Gewinn aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) auf drei Jahre zu verteilen (BFH 9.11.00, IV R 18/00, DStR 01, 160, 163; vgl. EStR 4.6 zu § 4 EStG).
Sofern der Steuerpflichtige dieser Erklärungspflicht nicht nachkommt, kann der Verdacht der Steuerhinterziehung bestehen.
Beispiel |
Der steuerlich beratene Freiberufler F hatte das Geschäftsmodell entwickelt, Forderungen von Gläubigern zu erwerben und sich abtreten zu lassen, um diese im eigenen Namen einzuziehen. Das FA legte ihm (zu Unrecht) auf, seinen Gewinn fortan durch Betriebsvermögensvergleich zu bestimmen. Die noch nicht erfüllten Forderungen des F, bei denen teilweise gar nicht abzusehen war, ob, wann und in welcher Höhe die geschuldete Leistung bewirkt werden würde, führten mit ihrem wohl kaum in Gänze zu realisierenden Bruttobetrag zu einem beträchtlichen Übergangsgewinn, den der F nicht erklärte und der bei abstrakter Betrachtung zu einer hohen Steuerverkürzung führte, die gem. der BGH-Rechtsprechung zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe eine vollziehbare Freiheitsstrafe nach sich gezogen hätte (BGH 7.2.12, 1 StR 525/11, PStR 12, 53). |
b) Vorstellungsbild des Steuerpflichtigen
Zu klären ist, ob der Steuerpflichtige vorsätzlich gehandelt hat. Dann müsste er es als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt und gebilligt haben, den Übergangsgewinn nicht zu erklären, respektive sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abgefunden haben (BGH 28.06.17, 1 StR 624/16, Rn. 12 juris). In Betracht kommt auch, dass er leichtfertig und somit ordnungswidrig (§ 378 AO) handelte. Dann hätte er die Sorgfalt außer Acht gelassen, zu der er nach den besonderen Umständen des Falls und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande gewesen wäre, obwohl es sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass er Steuern verkürzt (BGH 10.07.19, 1 StR 265/18 Rn. 50 juris). Dabei sollte im besonderen Maße auf jene steuerlichen Pflichten geachtet werden, die daraus erwachsen, dass der Steuerpflichtige ein Gewerbe ausübt oder freiberuflich tätig ist. Bei einem Kaufmann sind jedenfalls bei den Rechtsgeschäften, die zum Spektrum seiner kaufmännischen Tätigkeit gehören, höhere Anforderungen an die Erkundigungspflichten zu stellen. Wird ein steuerlicher Berater mandatiert, ist der Steuerpflichtige verpflichtet, die ihm zur Unterschrift vorgelegte Erklärung auf ihre tatsächliche Richtigkeit zu überprüfen (BFH 29.10.13, VIII R 27/10, DStR 13, 2694, 2696).
Im Fall eines nicht erklärten Übergangsgewinns ist zudem seine Höhe und sein Verhältnis zum herkömmlichen Gewinn bedeutsam. Jedoch ist das bei hohen nicht erklärten Einkünften häufig angeführte Argument, es sei nicht glaubhaft, dass der Steuerpflichtige diese „übersehen“ habe, u. U. nicht zielführend. Wird ein Übergangsgewinn nicht erklärt, der darauf zurückgeht, dass Forderungen als Umlaufvermögen aktiviert wurden, können viele unterschiedlich werthaltige Forderungen „über Nacht“ von ihrer Wertlosigkeit im Rahmen der Einnahme-Überschuss-Rechnung zu einem Übergangsgewinn in Millionenhöhe führen, während der Steuerpflichtige diesen Zuwachs gerade nicht durch höhere Einnahmen oder eine erhöhte Liquidität spüren konnte.
Auch der Umstand, ob der Steuerpflichtige beantragt hat, den Übergangsgewinn auf mehrere Jahre zu verteilen, kann zu würdigen sein und Aufschluss darüber geben, ob er sich mit dessen Besonderheiten auseinandergesetzt hat.
Sofern nicht nachgewiesen werden kann, dass der Steuerpflichtige bei Abgabe der Steuererklärung die Unrichtigkeit seiner Angaben kannte, legt § 153 Abs. 1 AO ihm eine Anzeige- und Berichtigungspflicht auf, sobald er dies erkennt (Klein/Rätke, AO, 16. Aufl., § 153 Rn. 1). Verstößt der Steuerpflichtige dagegen, macht er sich wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar (BGH 17.3.09, 1 StR 479/08, NJW 09, 1984, 1985; BFH 29.8.17, VIII R 32/15, DStR 18, 297, 300). Jedoch gilt auch insoweit, dass selbst eine deutlich zu niedrig festgesetzte ESt nicht automatisch auffallen muss, da sich diese in die Besteuerung der letzten Jahre unter Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung einfügt. Bei einem im Vergleich zu den Vorjahren konstanten Gewinn würde die Erklärung des Übergangsgewinns im Veranlagungsjahr vielmehr zu einer vergleichsweise hohen Besteuerung führen.
Um das Vorstellungsbild des Steuerpflichtigen im weiteren Lauf des Besteuerungsverfahrens zu beurteilen, kann es hilfreich sein, Beweismittel dahin gehend auszuwerten, ob er mit höheren ESt-Nach- sowie -Vorauszahlungen gerechnet hat. Sofern er eine Nachzahlung erwartet hat, diese jedoch ausgeblieben ist, könnte das dafürsprechen, dass er jedenfalls zu diesem Zeitpunkt für möglich hielt, dass der Übergangsgewinn nicht erklärt wurde.
c) Strafzumessung/Auflage
Im Rahmen der Strafzumessung sollte nicht allein mit der BGH-Rechtsprechung (BGH 7.2.12, 1 StR 525/11, PStR 12, 53) die Höhe der verkürzten Steuer in den Blick genommen werden. Primär ist im Fall eines nicht erklärten Übergangsgewinns fraglich, ob sich der Sachverhalt von „typischen“ Steuerstrafverfahren unterscheidet. Ein Verkürzungsbetrag, der sich aufgrund einer unterschiedlichen bilanziellen Erfassung verschiedener Wirtschaftsgüter ergibt, deren tatsächliche Werthaltigkeit fraglich ist, dürfte bereits nicht per se mit einer Steuerhinterziehung vergleichbar sein, bei der der Hinterziehungsbetrag direkt das Vermögen des Steuerpflichtigen mehrt. Das gilt umso mehr in Fällen, in denen das FA dem Steuerpflichtigen zu Unrecht auferlegt, seinen Gewinn durch Vermögensvergleich zu ermitteln. In geeigneten Fällen kann auch von der Verfolgung unter Auflagen gem. § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO abgesehen werden. Dabei sollte sich auch im Steuerstrafverfahren die Höhe einer Geldauflage weder an § 378 Abs. 2 AO noch an § 398a AO orientieren. Vielmehr sollten schuld- und präventionsrelevante Fakten sowie strafschärfende und -mildernde Umstände abgewogen werden (MüKoStPO/Peters, StPO § 153a Rn. 70).
Zum Autor | Dieser Artikel wurde nicht in dienstlicher Funktion verfasst und gibt nur die persönliche Ansicht des Autors wieder.
AUSGABE: PStR 3/2024, S. 64 · ID: 49813672