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Lph 8Zeitersparnis durch digitales Mängelmanagement: Feldversuch bringt klare Erkenntnisse
| Die Lph 8 ist im Moment bei den meisten Projekten ein „Minusgeschäft“, auch in unserem Büro. Wir wollten deshalb wissen, ob ein digitales Mängelmanagement gegenüber der herkömmlichen Arbeit mit Stift, Papier und Excel-Listen wirklich die Effizienzgewinne erzielt, die die Anbieter solcher Tools versprechen. Ein „Feldversuch“ in Form einer Master-Arbeit hat klare Ergebnisse zu Tage gefördert. Erfahren Sie, wie wir vorgegangen sind und was wir herausgefunden haben. |
Der Feldversuch auf einer g+w-Baustelle
Für den Feldversuch haben wir ein Neun-Mehrfamilienhäuser-Projekt im nordwestlichen Bereich der ehemaligen Oxford-Kaserne in Münster-Gievenbeck ausgewählt, bei dem unser Büro u. a. auch die Objektüberwachung übernommen hatte.
Im Zuge der Bauüberwachung des ersten Bauabschnitts wurde verglichen, welchen zeitlichen Aufwand die Mängelerfassung bei einer Baustellenbegehung bei der herkömmlichen und der digitalen Methode erfordert. Im Rahmen dieser Begehung wurden fünf Mängel erfasst. Der Zeitaufwand für die Behebung des Mangels sowie der Freimeldung durch das Unternehmen ist bei beiden Methoden identisch, aus diesem Grund wurden sie nicht erfasst.
Begehung der Baustelle mittels herkömmlicher Methode
Bei der herkömmlichen Methode werden die Mängel mit Hilfe von Stift, Papier, Klemmbrett und Digitalkamera erfasst. Zur Vorbereitung der Mängelerfassung werden als erster Schritt bereits vorhandene Vorlagen in Word und Excel an das jeweilige Bauprojekt angepasst. Diese dienen dazu, die Mängel zu dokumentieren. Die Aufnahme der Mängel erfolgt händisch auf der Baustelle.
Erfassung auf der Baustelle und Nachbereitung im Büro
Bei dieser Methode ist es essenziell, die Lage des Mangels eindeutig zu beschreiben, damit der Unternehmer den Mangel schnell und ohne großen Aufwand findet. Fotos oder Kennzeichnungen in den Objektplänen können für die Bestimmung der Lage hilfreich sein. Vor allem für große Baustellen ist dieses Vorgehen unentbehrlich.
Die Nachbearbeitung und Sicherung erfolgen anschließend im Büro. Händische Notizen werden digital erfasst und in die – im Vorfeld angepassten – bürointernen Vorlagen für das Erfassen von Mängeln übertragen. Im Anschluss an die Nachbearbeitung wird an das zuständige Unternehmen ein pdf-Ausdruck der erfassten Mängel per E-Mail versandt mit der Aufforderung, die Mängel innerhalb einer angemessenen Frist zu beheben.
Nach der Bearbeitung des Mangels startet der Prozess der Freimeldung. Der Auftragnehmer meldet den Mangel bei der Bauleitung frei. Ist der Mangel zufriedenstellend und fachgerecht beseitigt worden, wird die Freimeldung durch den Bauherren-Bauleiter bestätigt. Der Prozess der Mängelbehebung ist erledigt. Ist dies nicht der Fall, wird eine Nachfrist zur erneuten Mängelbeseitigung festgelegt, in der der Mangel erneut beseitigt werden muss.
Das größte Problem ist, dass diese Art der Dokumentation nicht in einem Schritt erfolgt. Die Mängel werden auf der Baustelle aufgenommen, die Nachbearbeitung findet jedoch im Büro statt. Dadurch entstehen immer Unterbrechungen zwischen den einzelnen Arbeitsschritten, die je nach Dringlichkeit anderer Arbeiten unterschiedlich lang sein können.
Diese Zeit ist für die herkömmliche Mängelerfassung ermittelt worden
In der folgenden Tabelle ist die Zeitaufnahme der Baustellenbegehung mittels herkömmlicher Mängelerfassung erfasst. Demnach beträgt der zeitliche Aufwand insgesamt 30,73 Minuten.
Vorgang | Dauer |
1. Erstellung Vorlagen | 3,38 [min] |
2. Herkömmliche Mängelerfassung auf der Baustelle | 2,22 [min] |
3. Nachbearbeitung im Büro | 18,47 [min] |
4. Weitergabe des Mangels an zuständiges Unternehmen | 1,95 [min] |
5. Mängelbehebung | Keine Erfassung |
6. Freimeldung des Mangels durch Auftragnehmer | Keine Erfassung |
7. Freimeldung des Bauleiters | 4,72 [min] |
Summe aller Schritte | 30,73 [min] |
Begehung der Baustelle mit einem digitalen Tool
Dem herkömmlichen Szenario haben wir die Mängelerfassung mit einem digitalen Tool gegenübergestellt. In dem Fall war es die Software PlanRadar.
Projekt muss in der Software eingerichtet werden
Im Vorfeld muss zunächst das Projekt in der Software eingerichtet werden. Zusätzlich müssen Objektpläne hochgeladen und Benutzerprofile für die Projektbeteiligten angelegt werden. Die Beteiligten erhalten eine Einladung mit Zugangsdaten per E-Mail zu der Software.
Die Mängelerfassung vor Ort
Die Erfassung der Mängel erfolgte mit einem Smartphone, auf dem die App PlanRadar – Baudokumentation installiert ist. Im selben Schritt werden zusätzliche Informationen wie z. B. Fotos und Notizen direkt ergänzt. Dies erspart die nachträgliche Zuordnung von Notizen zu den zugehörigen Fotos und Mängeln sowie die Nachbearbeitung im Büro.
Die Mängel werden dem jeweils zuständigen Unternehmen zugeordnet. Dieses erhält eine Benachrichtigung über den Mangel. Auch hier wird eine angemessene Frist gesetzt, bis zu der der Mangel behoben sein muss. Der Ort des Mangels wird direkt in den im Vorfeld hochgeladenen Objektplänen gekennzeichnet und verortet. Diese Funktion ermöglicht später ein einfaches Auffinden des Mangels und erspart eine ausführliche Beschreibung der Lage.
Die Mängelanzeige und -behebung
Nachdem das Unternehmen automatisch über die gemeinsam genutzte Software über den vermeintlichen Mangel benachrichtigt wurde, kann es den Mangel auf der Baustelle prüfen und die Anzeige annehmen oder ablehnen. Nimmt es den Mangel an, wird er fachgerecht behoben. Im Anschluss wird der Status des Mangels mittels des „Ticketsystems“ der Software auf „erledigt“ gestellt. Zusätzlich werden Fotos des behobenen Mangels hinzugefügt. Danach erscheint eine Push-Benachrichtigung auf dem Smartphone, die darüber informiert, dass der Mangel behoben wurde. Nach anschließender Begutachtung der Ausbesserung kann der Status des Mangels auf „abgeschlossen“ gestellt werden; die Freimeldung wird dadurch bestätigt. Die Begutachtung kann über die Fotografien, die innerhalb der Software hochgeladen wurden, vorgenommen werden und muss nicht mehr zwangsläufig vor Ort auf der Baustelle erfolgen.
Ist der Mangel nicht zufriedenstellend behoben worden, kann der Status des Mangels innerhalb der Software wieder zurück auf „offen“ gestellt werden. In dem Fall wird der Unternehmer erneut benachrichtigt und der Vorgang beginnt von Neuem. Ist ein Unternehmen nicht bereit, mit der Software zu arbeiten, kann ein Datenexport der Mängelerfassung als pdf-Datei vorgenommen werden und die Mängelmeldung erfolgt schriftlich per E-Mail.
Diese Zeit ist für die digitale Mängelbearbeitung ermittelt worden
Die Tabelle fasst die Zeitaufnahme der Baustellenbegehung mittels digitaler Mängelerfassung zusammen. Demnach beträgt der zeitliche Aufwand insgesamt 19,27 Minuten. Auffällig ist, dass das Anlegen des Projekts in PlanRadar mit 13,02 Minuten den Großteil des gesamten zeitlichen Aufwands ausmacht. Dieser Aufwand fällt jedoch nur einmal an und ist abhängig von der Größe des Projekts.
Vorgang | Dauer |
1. Anlegen eines Projektes | 13,02 [min] |
2. Digitale Mängelerfassung auf der Baustelle | 2,57 [min] |
3. Mängelbehebung | Keine Erfassung |
4. Freimeldung des Mangels durch Auftragnehmer | Keine Erfassung |
5. Freimeldung des Bauleiters | 3,68 [min] |
Summe aller Schritte | 19,27 [min] |
Im Saldo erspart der gesamte Vorgang über die Software einen zeitaufwändigen Schriftverkehr und ermöglicht eine lückenlose Dokumentation.
Die beiden Methoden im Vergleich
Der komplette Vorgang des Mängelmanagements von der Vorbereitung des Projekts im Büro bis zur Freimeldung des Mangels durch den Bauleiter dauerte mit der herkömmlichen Methode also 30,73 Minuten und mit der digitalen Methode 19,27 Minuten. Dies entspricht bereits bei der ersten Begehung einer Differenz von 37,31 Prozent.
Bei einer differenzierteren Betrachtung kann festgestellt werden, dass die Vorbereitungen im Büro bei der digitalen Methode 9,64 Minuten länger dauern als die Vorbereitungen bei der herkömmlichen Methode. Das entspricht einem Plus von 284,73 Prozent. Es muss aber festgehalten werden, dass dies ein einmaliger Arbeitsschritt ist und für die Betrachtung weiterer Gewerke entfällt.
Die benötigte Zeit für die Aufnahme der Mängel ist bei beiden Verfahren annähernd gleich. Allerdings muss die Mängelaufnahme bei der herkömmlichen Methode nachbearbeitet werden, um die Mängel den Unternehmen zukommen zu lassen. Diese Nachbearbeitungszeit benötigt insgesamt 18,47 Minuten. Dieser Schritt entfällt bei der digitalen Methode komplett.
Da der erste Schritt der Vorbereitung nur einmalig anfällt, werden in der folgenden Tabelle der Zeitaufwand für die reine Mängelaufnahme zukünftiger Begehungen dargestellt, für Mängel, die einem Gewerk mit bereits angelegtem Benutzerprofil zugeordnet werden können. Bei zukünftigen Begehungen kann somit eine Zeitersparnis von rund 77 Prozent erwartet werden. PlanRadar selbst geht von einer 70-prozentigen Zeitersparnis aus.
Vorgang | Herkömmlich [min] | Digital [min] | Differenz | |
Vorbereitungen Büro | 0 [min] | - | ||
Mängelerfassung | 2,22 | 2,57 | 0,35 [min] | 15,79 % |
Nachbearbeitung Büro | 18,47 | ./. 18,37 [min] | ./. 100,00 % | |
Weitergabe des Mangels | 1,95 | ./. 1,95 [min] | ./. 100,00 % | |
Freimeldeprozess | 4,72 | 3,68 | 1,03 [min] | 21,91 % |
Summe aller Schritte | 27,35 | 6,25 | ./. 21,10 [min] | ./. 77,15 % |
Fazit | Unser Feldversuch hat gezeigt, dass es sich lohnt, auf digitale Tools zuzugreifen. Der Feldversuch war auch deshalb wichtig, weil er auch „alten analog geprägten Hasen“ im Büro gezeigt hat, dass digitale Tools ihnen die Arbeit erleichtern. Es gibt viele Softwareanbieter, die mit einer einfachen, transparenten, effizienten und zeitsparenden Handhabung werben. PlanRadar ist sicher ein wichtiger – kompetenter – Player. In mehreren Erfahrungsaustausch-Kreisen ist zuletzt auch Capmo als relevanter Anbieter genannt worden. Es gibt aber natürlich noch andere Anbieter wie XBuild, Baumaster und ProTopic. Einen Marktüberblick wollte und konnte dieser Beitrag nicht leisten. |
AUSGABE: PBP 5/2022, S. 22 · ID: 48193771