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Werkvertragsrecht Baukostenexplosion (Teil 3): Umgang mit steigenden Baustoffkosten und Ausführungsterminen
| Viele Baufirmen machen derzeit zusätzliche Forderungen wegen gestiegener Materialpreise und Lieferschwierigkeiten geltend. Als Planer sind Sie dem Auftraggeber gegenüber hier allenfalls als baufachlicher Berater gefragt. Denn diese Kosteneinflüsse stammen nicht aus Ihrer Sphäre. Erfahren Sie, wie Sie Auftraggeber trotzdem gut beraten, ohne Gefahr zu laufen, Rechtsfragen zu bearbeiten, für die Sie nicht versichert sind. |
Erlass des Bauministeriums als Leitlinie
Abruf-Nr. 228324
Wegen gestörter Lieferketten sind Materialien aktuell nicht zu bekommen oder erheblich teurer geworden. Vor diesem Hintergrund haben das Bundesbauministerium (BMWSB) und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) für Bundesbauten und den Verkehrswegebau am 25.03.2022 Hinweise zum Umgang mit diesen Problemen herausgegeben. Das siebenseitige Dokument steht Ihnen auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 228324 zum Download bereit. Der Erlass gilt zunächst vom 25.03.2022 bis zum 30.06.2022 und ist ausschließlich für öffentliche Bauleistungen verbindlich, bei denen das Vergabehandbuch mit seinen speziellen Formblättern angewendet wird. Er eignet sich aber auch bei privaten Projekten, um Auftraggeber baufachlich zu beraten. Deshalb geht PBP nachfolgend darauf ein.
Wichtig | Beachten Sie auch hier, dass die im Erlass angesprochenen Rechtsfragen nicht von Planungsbüros bearbeitet werden sollen. Konzentrieren Sie sich auf die baufachlichen Kriterien.
Bevorstehende Ausschreibungsverfahren
Für bevorstehende Ausschreibungen wird die Anwendung der Preisgleitklausel gemäß Formblatt 225 empfohlen. Damit sollen Unwägbarkeiten abgefedert werden, indem ein Berechnungsschlüssel für Baustoffpreiserhöhungen Ausschreibungsbestandteil wird.
Wichtig | Inwieweit ein Auftraggeber von dieser Preisgleitklausel Gebrauch macht, ist eine Rechtsfrage. Der öffentliche Auftraggeber entscheidet final selbst, in welcher Art und welchem Umfang er die Gleitklausel anwendet. Als Planungsbüro können Sie das nur zur Kenntnis nehmen. Private Auftraggeber können diese Regelungen – wie erwähnt – auch anwenden, wenn sie die Auswirkungen abfedern und späteren Streit minimieren wollen. Sie sollten sich jedoch über die damit verbundenen Konsequenzen im Klaren sein.
Wichtig | Prüfen Sie vorher, welche Auswirkungen auf die Angebotsauswertung in Lph 7 bestehen, wenn Anbieter hier unterschiedliche Angaben machen. Es wäre auch zu prüfen, ob die zur Anwendung vorgesehene Software (Preisspiegel und rechnerische Angebotsprüfung) diese Arbeitsschritte beherrscht.
Laufende Verträge mit Bauunternehmen
Bestehende Verträge sind grundsätzlich einzuhalten. Nach dem Erlass aus dem Bauministerium kann bei Anwendung der VOB/B gemäß § 6 Abs 2 Nr. 1c unter Umständen von höherer Gewalt ausgegangen werden. Alternativ kann eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB vorliegen. Es gibt keine konkrete Grenze, wann eine solche Störung vorliegt. In der Rechtsprechung sind Anhaltswerte zwischen zehn und 29 Prozent Mengen- und Preissteigerungen genannt. Die Fachliteratur geht von 20 bis 25 Prozent Kostensteigerung aus. Betrachtet wird dabei jeweils die Gesamtauftragssumme. Je geringer die Auftragssumme, umso höher dürfte der Prozentwert liegen.
Die Störung der Geschäftsgrundlage bedeutet nicht, dass der Auftraggeber sämtliche Zusatzkosten tragen muss. Der Auftragnehmer muss anhand der Urkalkulation und der ursprünglichen Einkaufskosten (Baustoffe) nachweisen, welche Mehrkosten ihm beim Einkauf entstanden sind. Die kalkulierten Zuschläge für Wagnis und Gewinn sind unberührt.
So sehen schnelle und praxisgerechte Lösungen aus
Der Erlass vom 25.03.2022, der offiziell nur für die Bundesbehörden und Baumaßnahmen des Bundes maßgebend ist, dürfte flächendeckende Wirkung haben. Er dürfte auch von den Bundesländern und Kommunen angewendet werden. Das auch deshalb, weil er eine bedeutende Handlungsempfehlung enthält, die schnelle Einigungen ermöglicht.
Auf Seite 5 wird nämlich ausgeführt, dass der Auftraggeber eine Gesamtabwägung der zu erwartenden Vor- und Nachteile vornehmen und auf dieser Basis entscheiden darf, ob eine ausgewogene Anpassung der Vergütung insgesamt der wirtschaftlichere Weg ist. Kriterien dafür sind u. a., ob
- dadurch langwierige Auseinandersetzungen an anderer Stelle sowie
- zusätzlicher Verwaltungsaufwand vermieden werden können.
Um diese Gesamtbeurteilung schneller und uneingeschränkt vornehmen zu können, hat das Ministerium die Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich einer solchen Einigung an die aufsichtsführende Fachdienststelle übertragen. Diese Übertragung auf die Fachdienststelle betrifft alle Fälle von einvernehmlichen Einigungen mit ausführenden Unternehmen bei denen es um Ausgleichszahlungen bis zu einem Wert von 125.000 Euro geht.
Fazit | Der Erlass ermöglicht eine unkomplizierte Herangehensweise und den Abschluss entsprechender Vereinbarungen durch den Auftraggeber. Die Abwägung inklusive Herleitungen und Begründungen muss aber stichhaltig und nachvollziehbar sein. |
- Beitrag „Baukostenexplosion (Teil 1): Führen höhere Baukosten zu höheren Honoraren“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 48194910
- Beitrag „Baukostenexplosion (Teil 2): Beratungspflichten und Besondere Leistungen von Planungsbüros“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 48194915
AUSGABE: PBP 5/2022, S. 19 · ID: 48195836