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PlanungsleistungenBIM in der Lph 2: Zu frühe Detailfestlegungen haben „Risiken und Nebenwirkungen“

Top-BeitragAbo-Inhalt13.04.20224732 Min. LesedauerVon Dip.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Martin Vielhauer, Honorarsachverständiger für Technische Ausrüstung und Dipl.-Ing. Klaus. D. Siemon, Vellmar

| Ein Kennzeichen aktueller BIM-Projekte ist, dass bereits in der Lph 2 eine hohe Detaillierung der Planung gefordert wird. Mit dieser „Planungsoptimierung“ ginge alles viel einfacher. Tut es aber nicht. Die Projekte lehren, dass es wenig Sinn macht, die „geometrische Totaloptimierung“ schon in der Lph 2 nur deshalb „zu erreichen“, weil sich BIM EDV-technisch dafür eignet. Das Risiko, durch zu frühe Detailfestlegungen später übermäßig viele Änderungen zu provozieren, ist hoch. Die Autoren plädieren stattdessen dafür, bei BIM-Projekten die Verfahrensabläufe zu optimieren. |

Zu hohe Anforderungen an die Planung nicht akzeptieren

Wie so oft definiert der Vertrag die geschuldete Leistung. Bei BIM-Planungen ist das oft der Anhang zum Vertrag – die AuftraggeberInformationsAnforderung (AIA). Sie wird den Planern vom Auftraggeber bzw. Projektsteuerer vorgegeben und definiert die jeweiligen Darstellungstiefen in den Projektphasen. Wichtig für die Planungsbeteiligten ist zunächst die Unterscheidung zwischen fachlicher Planungstiefe und Darstellungstiefe.

Der Unterschied zwischen Planungs- und Darstellungstiefe

Die fachliche Planungstiefe ergibt sich mit fortschreitender planerischer Bearbeitung. Die Darstellungstiefe kann dem nicht vorauseilen, sonst würde ein risikoreiches Vorpreschen mit Änderungsrisiken entstehen. Diesen Zusammenhang müssen Sie gerade in BIM-Projekten am Anfang des Projekts mit dem Auftraggeber besprechen und festlegen, um so später – unnötige – Änderungen zu vermeiden.

BIM-Abwicklungsplan als Mittel der Wahl

Dazu eignet sich vor allem auch der sog. BIM-Abwicklungsplan (BAP). Er wird auf den Vorgaben des AIA entwickelt und zeigt die Anforderungen an die Planungstiefe. Der BAP sollte daher im eigenen Interesse erstellt werden. Damit werden im Ergebnis die jeweiligen Planungsvertiefungsschritte bei Anwendung der BIM-Methode geregelt.

Konkrete Planungsvertiefungsschritte vereinbaren und regeln

Denn auch bei BIM-Projekten gilt, dass in der Lph 2 zunächst grundsätzliche Lösungen zu erarbeiten sind. Diese haben eben noch nicht die Planungstiefe einer Ausführungsplanung, geschweige denn einer Montageplanung. Außerdem fehlen in der Lph 2 noch die endgültigen Ergebnisse aus den bauordnungsrechtlichen Anforderungen (z. B. zum endgültigen baulichen Brandschutz).

So ist z. B. in der Lph 2 als wichtige zeichnerische bzw. geometrische Festlegung auch bei der BIM-Methode zunächst der Platzbedarf für die technische Ausrüstung insoweit zu planen, dass der Objektplaner in die Lage gesetzt wird, seine eigenen zeichnerischen Lösungen damit zu koordinieren und darauf abzustimmen.

Auch BIM-Planungen bedürfen geometrischer „Reserven“

In der Lph 2 müssen auch bei BIM-Anwendung ausreichende geometrische „Reserven“ für Erkenntnisse aus späteren Planungsschritten zur Verfügung stehen, um unnötige Änderungen in den Lph 3 und 5 zu vermeiden. Solche Erkenntnisse können ihre Ursache haben

  • in Auswirkungen aus Genehmigungsverfahren (hier bestehen oft erhebliche Ermessensspielräume der Behörde),
  • dem konkreten Platzbedarf je Anlagengruppe bei Planungsvertiefungen,
  • in aktualisierten technischen Entwicklungen,
  • in unterschiedlichen zu berücksichtigenden konstruktiven Maßgaben als Folge von Ausschreibungsergebnissen,
  • in Bautoleranzen mit ihren Auswirkungen auf die bereits im Zuge der „vorpreschenden Detaillierung bzw. Darstellungstiefe“ vorgenommenen Planungsfestlegungen der Technischen Ausrüstung,
  • in Details der noch zu erstellenden Montagepläne (z. B. Befestigungen in Decken- und Schachtbereichen).

Diese Risiken gilt es, in der Lph 2 bzw. der Vereinbarung der Planungsvertiefungsschritte zu würdigen. So vermeiden Sie unnötige Planungsänderungen.

Aufnahme von Details in Lph 2 ist hoch risikoreich

Da in diesem Stadium noch nicht alle Einzelheiten (z. B. Produktspezifika der einzubauenden Bauprodukte, detaillierte Angaben aus der Ausführungsplanung) vorliegen, ist es naturgemäß so, dass entsprechende Spielräume planerisch auch bei BIM-Methoden erforderlich sind. Eine sofortige Aufnahme aller zeichentechnisch möglichen Details in die Lph 2 käme einer vorpreschenden Ausführungsplanung gleich, ohne die fachtechnischen Grundlagen für eine solche Ausführungsplanung erarbeitet zu haben.

Praxistipp | Auch die Grundleistungen der HOAI sehen ein solches planerisches Vorpreschen nicht vor. Sie gehen vielmehr von einer sich vertiefenden Planung in einzelnen Vertiefungsschritten aus. Deshalb besteht hier Regelungsbedarf. Wird darauf bestanden, bereits in der Lph 2 eine überhöhte Planungsvertiefung mit BIM zu erzielen, muss geklärt werden, wie spätere Änderungen, die rein prozessbedingte Ursachen haben, vergütet werden. Klären Sie Ihren Auftraggeber über die fachlichen Zusammenhänge schon im Zuge der Vertragsanbahnung auf. Auch bei öffentlichen Projekten lässt sich das im VGV-Verfahren klären.

Beispiele zeigen Erfordernis von Ermessensspielräumen auch bei BIM

Die folgenden Beispiele zeigen, dass eine vorpreschende, geometrisch stark auf Mindestmaße und unterste geometrische Bedarfe ausgerichtete Lph 2 später erhebliche Probleme bereiten kann:

Beispiele

  • In der Lph 2 „optimierte“ – also sehr knapp geplante – Deckenhohlräume bzw. Flächenbedarfe für Techniktrassen oder auch auf Annahmen basierte Installationsführungen in Schächten können im Zuge der Lph 5 zu Kollisionsproblemen führen.
  • Einzelheiten von technischen Details, der Platzbedarf von L-Winkeln als Befestigungselemente für Elektrotrassen können unterschiedliche geometrische Erfordernisse zur Folge haben (z. B. bei entsprechendem Ausschreibungsergebnis).
  • Deckenhängende Geräte, die Metallunterkonstruktionen erfordern (Deckenhohlraum), können Kollisionen und damit geänderte Geometrien bedeuten.
  • Vertikalschächte können nicht ohne geometrische Veränderungen im Rahmen der Ausführungsplanung bestehen bleiben (z. B. weil Befestigungselemente für Vertikaltrassen mehr Platz erfordern).
  • In der Lph 2 auf Basis von Annahmen festgelegte Trassenverläufe müssen verändert werden.
  • Brandschutztechnische Anforderungen (z. B. Brandschutzhauben für Deckeneinbauleuchten) können zu Veränderungen der geometrischen Annahmen führen, bis hin zu Planungsänderungen.
  • In der Lph 2 vorab gewählte Dimensionierungen müssen vergrößert werden.

Ergo: Alle Versuche, bereits in der Lph 2 die Flächenbedarfe, Abhanghöhen, Schachtquerschnitte oder ähnliche Planungsanforderungen aufgrund von Annahmen extrem zu „optimieren“, können dem späteren Planungsprozess erheblich schaden und Mehrkosten sowie Terminverschiebungen verursachen. Daher sollte auch bei BIM die stufenweise Planungsvertiefung respektiert und entsprechende Spielräume akzeptiert werden.

Zu frühe Detaillierung ist im Bestand noch risikoreicher

Beim Bauen im Bestand sind bei der Anwendung der BIM-Methode noch mehr Risiken zu berücksichtigen. Liegt kein verformungsgerechtes Bestandsaufmaß vor, können schon Bauwerkstoleranzen und Maßabweichungen der Baukonstruktion aus der damaligen Errichtung, die über die Toleranzen hinausgehen, vorschnelle Detaillierungen in der Lph 2 zunichte machen. Hier besteht die planerische Herausforderung u. a. darin, bei geometrischen Rahmenbedingungen, die noch aus der Ersterrichtung stammen und übernommen werden müssen, die in den letzten Jahren immer komplexer gewordene Technische Ausrüstung unterzubringen.

Häufig können die konkreten – geometrischen und tragwerksrelevanten – Realitäten des Bestandsbauwerks erst beim Rückbau der alten Anlagentechnik und der nicht mehr verwendbaren nichttragenden Baukonstruktion erkannt werden.

Praxistipp | Um Zusatzaufwand und Terminverzögerungen zu vermeiden, bietet sich bei Umbauten, vor allem bei Kernsanierungen, folgender Detaillierungsschritt an: Empfehlen Sie dem Auftraggeber gleich im Zuge der Vertrags anbahnung, dass der Ist-Bestand unmittelbar nach der Entkernung bzw. dem Rückbau der zu entfernenden Bausubstanz nochmal verformungsgerecht aufgenommen und das Ergebnis in das BIM-Modell integriert wird. Die verformungsgerechte Bestandsaufnahme ist insbesondere bei neuen komplexen Technischen Anlagen erforderlich und benötigt Zeit und Honorar. Er zahlt sich aber im weiteren Projektverlauf und Baufortschritt aus. Die vom Bauministerium eingesetzte Reformkommission Bau von Großprojekten hat das übrigens auch gewürdigt und deshalb auch den Grundsatz „erst planen dann bauen“ bzw. nicht „raten und dann basteln“ geprägt. Damit kann BIM auch beim Bauen im Bestand ein wertvolles Werkzeug sein.

BIM kann sensibilisieren und Planungsänderungen vermeiden

Die Detaillierung in der Lph 2 birgt – wie beschrieben – viele Risiken in Form von „Scheingenauigkeiten“. Wofür sich BIM aber hervorragend eignet, ist für die frühe exemplarische Prüfung, ob etwa vom Objektplaner vorgegebene geometrische Bedingungen aus dem Vorentwurf (bezüglich tragender Deckenkonstruktion, etwaiger Regelaussparungen, der Geometrie von Unterzügen, der Höhe der Deckenhohlräume, Schachtgrößen, Installationsschwerpunkten, Fußbodenhöhen [Bodenkanäle]) überhaupt in den vorgegebenen Planungen der Lph 2 untergebracht werden können. Dazu reicht es aber aus, dass Sie relevante Planungsschwerpunkte festlegen, bei denen diese exemplarische Prüfung vorgenommen wird.

Beispiel

Die exemplarische (!) tiefe BIM-Darstellung eines Deckenkoffers und Schachtausfädelung in der Lph 2 mit

  • Technischen Anlagen aller Gewerke inkl. Montagematerial,
  • beispielhaften Befestigungsalternativen bei Installationsschwerpunkten,
  • beispielhafter zeichnerischer Würdigung eingeschätzter Bautoleranzen,
  • der Brandschutzbekleidung Technischer Anlagen als Beispiele für unterschiedliche brandschutztechnische Anforderungen,
  • brandschutzkonformen Einbauleuchten zur Herleitung erforderlicher Deckenhöhen oder
  • Wartungsöffnungen (VDI 6022)

zeigt früh die Problemstellung auf und bewahrt vor aufwendigen und zeitraubenden Wiederholungsplanungen.

Fazit | Auch und gerade bei BIM-Projekten darf man sich in den frühen Planungsstadien nicht verleiten lassen, unrealistisch optimistische (also spekulative) Annahmen zu treffen oder eine Planungsvertiefung vergleichbar einer Ausführungsplanung zu suggerieren. Lassen Sie sich als Objekt- oder Fachplaner nicht auf solche unrealistischen Anforderungen ein. Das Pendel schlägt häufig in der Lph 5 auf die Planer zurück, u. a. in Form von ernüchternden Erkenntnissen im Zuge von Montageplanprüfungen. Dann stellt sich nicht nur die Frage, wer für Ihren eigenen Zusatzaufwand aufkommt, sondern auch wer diesbezügliche Verzögerungen im gesamten Planungsablauf verantwortet.

AUSGABE: PBP 5/2022, S. 6 · ID: 48178248

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