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WerkvertragsrechtBaukostenexplosion (Teil 2): Beratungspflichten und Besondere Leistungen von Planungsbüros

Abo-Inhalt20.04.20224839 Min. Lesedauer

| Bei dynamischen Kostenentwicklungen haben Sie als Treuhänder des Bauherrn entsprechende Beratungspflichten. Das ist durch die Rechtsprechung geklärt. Sie müssen den Bauherrn auf etwaige Kostenerhöhungen hinweisen, wenn erkennbar wird, dass die ursprünglich geplanten und von Ihnen benannten Kosten nicht mehr haltbar sind. PBP zeigt, wie Sie diese Beratungspflicht mustergültig erfüllen. |

Über diese Kosten müssen Sie beraten

Es ist zunächst zu unterscheiden zwischen den Kosten, die Sie selbst aufstellen (Kostenschätzung und Kostenberechnung) und den Kosten, die Sie nur prüfen (z. B. Angebote, Rechnungen, evtl. nachträgliche Forderungen). Die Kosten, die Sie nur prüfen, stammen nicht aus Ihrer Sphäre. Die Beratungspflicht muss diesen Unterschied auch zugrunde legen.

Beispiel

Kostenerhöhungen während der Projektlaufzeit resultieren in den meisten Fällen aus höheren Angebotskosten von Baufirmen oder zusätzlichen Kosten durch Terminverzögerungen infolge von Lieferschwierigkeiten sowie durch Kostenerhöhungen bei Baustoffen. Diese Kostenerhöhungen haben Sie als Planer nicht zu vertreten.

Beratungsleistungen sind nicht immer Besondere Leistungen

Die Beratung durch Ihr baufachlich ausgerichtetes Planungsbüro ist eine hinweisende Aufgabe. Sie sollen den Auftraggeber auf Zielkonflikte und zu treffende Entscheidungen aufmerksam machen. Besondere Leistungen sind mit solchen Beratungen nicht verbunden, können sich aber schnell daraus ergeben.

Viele Auftraggeber wünschen zunächst, von ihrem Planer über mögliche Vorgehensweisen allgemein beraten zu werden. Oft stehen die Themen (wenigstens anteilige) „Kostenkompensation“ und die Vermeidung eines Baustillstands im Fokus. Als Planungsbüro können Sie nur baufachliche Beratungen und baufachliche Leistungen erbringen. Rechtsfragen sollten aus Haftungsgründen außen vor bleiben.

Wichtig | PBP hat dafür das folgende Musterschreiben verfasst. Es dient zur allgemeinen Beratung bei Baukostenexplosion mit dem Aufzeigen von Handlungsoptionen und dem Angebot von beispielhaften Mitwirkungsleistungen (mit Honorarvorschlag). Sie finden das Musterschreiben als Word-Dokument zur individuellen Bearbeitung auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 48212079:

Musterschreiben / Allgemeine Auftraggeber-Beratung bei Baukostenexplosion

Betreff: Um- und Erweiterungsbau … in …

Aktuelle Baukostenentwicklung

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Zuge der Projektabwicklung zeigt sich, dass aufgrund der derzeitigen Marktsituation bei Baustoffpreisen und Lieferterminen von nicht unerheblichen Kostensteigerungen auszugehen ist. Wir können als Architekten/Ingenieure keine genaue Prognose über die im Ergebnis zu erwartenden finanziellen Auswirkungen abgeben, da sich die Entwicklung derzeit nur sehr schwer einschätzen lässt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Kostenveränderungen erheblich sein können. Wir schlagen Ihnen daher vor, jetzt zu prüfen, mit welchen Mehrkosten konkret zu rechnen ist, um mögliche Einspar- und andere Maßnahmen ins Auge zu fassen.

Da die Erstellung der Kostenberechnung zum Entwurf gemäß DIN 276 den Kostenstand zum Erstellungsstichtag (hier: xx.xx.xxxx) enthalten soll, ist die nach dem vorgenannten Datum eingetretene Situation in der Kostenberechnung nicht enthalten. Die Kostenberechnung stellt nur den Kostenstand dar, der zum Erstellungsdatum absehbar war. Insoweit liegt aktuell eine Situation vor, die für alle Beteiligten unvorhersehbar war, und ein möglichst zeitnahes Handeln als sinnvoll erscheinen lässt. Vorab können wir mitteilen, dass in der Fachwelt derzeit folgende Handlungsmöglichkeiten als Reaktion auf akute Kostenerhöhungen diskutiert werden:

1. Planungsänderungen mit Kostenreduzierungen

Hinweise zur Vorabdisposition: Zusatzhonorar für Änderungen und mögliche Terminverzögerungen wären hier ggf. gegenzurechnen.

2. Änderung bevorstehender Ausschreibungen (z. B. Standards reduzieren)

Hinweise zur Vorabdisposition: Auch hier sollten Sie ein Zusatzhonorar für LV-Änderungen und mögliche Terminverzögerungen disponieren.

3. Nachfinanzierung der Zusatzkosten durch den Auftraggeber

Hinweise zur Vorabdisposition: Je schneller die Entscheidung getroffen wird, dass Sie die Zusatzkosten wegen Baustoffkostenerhöhungen oder Lieferschwierigkeiten nachfinanzieren, desto geringer dürften Verzögerungen ausfallen.

4. Verhandlungen mit Auftragnehmern zu anteiligen Kostenanpassungen bei Baustoffkosten

Hinweise zur Vorabdisposition: Solche Verhandlungen sind evtl. sinnvoll bei laufenden Verträgen, wenn ansonsten z. B. die vorzeitige Vertragsbeendigung droht (Wegfall Geschäftsgrundlage…). Kurzfristige Bearbeitung von Rechtsfragen ist zu erwarten. Baufachliche Beratung ist sinnvoll.

5. Nachträgliche Bildung von zeitversetzten Bauabschnitten

Hinweise zur Vorabdisposition: Wenn das Projekt nachträglich in Bauabschnitte zergliedert werden soll, sind eine Reihe von kalkulatorischen Dispositionen und vertraglichen Vereinbarungen mit mehreren Beteiligten zu treffen (Planer, Bauunternehmen).

Da sich bei Baustoffkosten und Lieferterminen keine Entspannung abzeichnet, ist eine kurzfristige Abstimmung zum weiteren Vorgehen sinnvoll. Als Planungsbüro sind wir in Fällen wie diesem allenfalls auf rein baufachliche Leistungen eingerichtet. Zu zusätzlichen baufachlichen Leistungen, die sich in diesem Zuge ergeben, stehen wir insoweit grundsätzlich zur Verfügung, soweit wir darauf fachlich eingerichtet sind. Sollten Sie unsere mitwirkenden Leistungen benötigen, können wir Ihnen ein entsprechendes Angebot unterbreiten.

Rechtsfragen, die z. B. Terminverzögerungen oder Anspruchsgrundlagen für Forderungen Dritter und damit zusammenhängende Mehrkosten betreffen, dürfen wir nach Rechtsdienstleistungsgesetz nicht bearbeiten. Hierfür schlagen wir die Einschaltung eines entsprechenden Rechtsanwalts mit der Fachrichtung Baurecht [alternativ: ihre Rechtsabteilung] vor.

[Option] Folgende zusätzliche Leistungen könnten in der jetzigen Situation hilfreich sein.

  • 1. Baufachlich begleitend zur Bearbeitung der Rechtsfragen bei Vertragsanpassungen oder anderen Maßnahmen können wir als zusätzliche Leistung eine baufachliche bzw. kalkulatorische Einschätzung der Plausibilität der von Projektbeteiligten geforderten Kostenveränderungen anbieten. Aufgrund der dynamischen Situation muss es bei einer plausibilisierenden Einschätzung bleiben. Als Vergütung für diese Leistungen wäre ein Zeithonorar denkbar. Denn es ist im Voraus nicht einschätzbar, wie lange wir für diese Leistungen benötigen.
  • 2. Für den Fall, dass Sie für finanzielle Dispositionen eine baufachliche Kostenprognose aller Kosten der Kostengruppen 100 bis 800 auf den Zeitpunkt des voraussichtlichen Projektendes wünschen, können wir mitteilen, dass eine Kostenprognose, die auf den Zeitpunkt der Fertigstellung hochgerechnet wird, naturgemäß mit erheblichen Schwankungsbreiten verbunden ist. Eine solche Leistung könnten wir Ihnen ggf. gesondert anbieten. Als Vergütung für diese Leistungen wäre ebenfalls ein zeitgebundenes Honorar denkbar. Im Falle dieser Leistung würden wir die Tiefenschärfe der Kostenprognose (z. B. gewerkespezifische Prognose oder Prognose nach Bauabschnitten) und den Prognosezeitraum vorab mit Ihnen abstimmen.

Weiteres Vorgehen

Bedenken Sie bitte, dass Sie zum jetzigen Zeitpunkt zahlreiche Verträge mit Kosten- und Terminvereinbarungen mit Planungsbüros und Bauunternehmen geschlossen haben. Ggf. besteht hier Anpassungsbedarf. Insoweit besteht nicht nur ein enges Dispositionszeitfenster, sondern auch nicht unerheblicher Regelungsbedarf. Sollten Sie sich für eine Anpassung bestehender Verträge und für Planungsänderungen bzw. Neuausschreibungen entscheiden, empfehlen wir Ihnen, einen neuen Terminplan aufzustellen, der diese geänderte Abwicklung berücksichtigt. Damit wird eine ordnungsgemäße weitere Abwicklung erreicht.

Sollten Sie eine Nachfinanzierung – ohne baufachliche Eingriffe in die bisherige Planung – in Erwägung ziehen, lassen Sie uns auch das bitte bald wissen, damit wir uns gemeinsam mit den ausführenden Unternehmen im Hinblick auf die weitere terminliche Abwicklung darauf einrichten können. Sollten Sie evtl. einen befristeten Stopp der Leistungserbringung erwägen, empfehlen wir Ihnen, zunächst die damit zusammenhängenden Rechtsfragen (z. B. Forderungen Ihrer Auftragnehmer) intern zu klären. Wir sehen Ihrer kurzfristigen Antwort gern entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Wichtig | Das Schreiben enthält neben der Beratungsleistung optional zwei beispielhafte baufachliche Mitwirkungsleistungen als Zuarbeit für die Entscheidungsfindung des Auftraggebers. Hier müssen Sie individuell entscheiden, ob Sie diese Leistungen im Beratungsschreiben anbieten wollen.

Fazit | Die Beratungspflicht sollten Sie zunächst mit einem beratenden Schreiben sehr schnell erfüllen, um das Haftungsrisiko gering zu halten. Auch sollte der Auftraggeber wissen, dass er schnell entscheiden muss, um die Auswirkungen möglichst handhabbar zu halten. Und Sie sollten klarstellen, dass Sie diese (Kosten)Situation nicht herbeigeführt haben und folglich lediglich helfen können, die Folgen bestmöglich zu steuern. In letzter Konsequenz müssten Sie den Auftraggeber auf seine eigene Mitwirkungspflicht nach § 642 BGB hinweisen. Dieser – wichtige – Paragraf regelt, dass er Entscheidungen zeitnah entsprechend den Erfordernissen treffen muss.

Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Baukostenexplosion (Teil 1): Führen höhere Baukosten zu höheren Honoraren“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 48194910
  • Beitrag „Baukostenexplosion (Teil 3): Umgang mit steigenden Baustoffkosten und Ausführungsterminen“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 48195836

AUSGABE: PBP 5/2022, S. 16 · ID: 48194915

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