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PersonalmanagementPsychische Gefährdungsbeurteilung in „Covid-Zeiten“: § 5 Arbeitsschutzgesetz ernst nehmen

Abo-Inhalt26.04.20224881 Min. Lesedauer

| Beinahe jedes Planungsbüro hat es schon mit Burn-outs oder Depressionen zu tun bekommen. Erfahrungsberichte bei den jüngsten Erfa-Kreisen haben gezeigt, dass das Thema in der Covid-Pandemie an Brisanz noch einmal zugelegt hat. In dem Zusammenhang sei noch einmal auf § 5 Arbeitsschutzgesetz und die dort festgelegte Pflicht verwiesen, jeden Arbeitsplatz im Hinblick auf sein Gefährdungspotenzial für die Psyche des Mitarbeiters zu beurteilen. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, sitzt auf einer haftungsrechtlichen und finanziellen Zeitbombe. |

Psychische Gesundheitsprävention ist Teil des ArbSchG

Früher lag der Fokus des Gesetzgebers auf dem physischen Arbeitsschutz der Mitarbeiter. Da die Zahl der Krankheitstage aufgrund psychischer Störungen aber rasant gestiegen ist, hat der Gesetzgeber reagiert.

Er hat das ArbSchG um den betrieblichen Arbeitsschutz um Maßnahmen zur psychischen Gesundheitsprävention erweitert. Danach treffen Sie als Arbeitgeber folgende Pflichten:

  • Sie müssen Maßnahmen veranlassen, um Unfälle bei der Arbeit und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten (§ 2 ArbSchG).
  • Sie müssen durch Gefährdungsbeurteilung feststellen, welche Arbeitsschutzmaßnahmen je nach Art der Tätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1).
  • Sie müssen die psychischen Belastungen bei der Arbeit als Gefährdungsfaktoren berücksichtigen (§ 5 Abs. 3 Nr. 6).
  • Sie müssen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit prüfen und an ändernde Gegebenheiten anpassen (§ 3 Abs. 1).
  • Sie müssen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die festgelegten Maßnahmen und ihre Wirksamkeit dokumentieren (§ 6 ArbSchG).

Das ArbSchG unterscheidet nicht nach Größe oder nach Branche. Es ist für jedes Unternehmen verbindlich, das einen Mitarbeiter beschäftigt. Die Beratungserfahrung lehrt, dass das Gesetz in der Praxis noch nicht angekommen ist. Unkenntnis schützt aber vor Strafe nicht.

Was steckt hinter der psychischen Gefährdungsbeurteilung?

Die Beurteilung der psychischen Gefährdungsfaktoren bezieht sich auf den Arbeitsplatz und nicht auf den einzelnen Mitarbeiter! Mit anderen Worten: Es wird geprüft, ob die individuellen Gegebenheiten am Arbeitsplatz die psychische Gesundheit möglicherweise beeinträchtigen. Im Fokus stehen also die Verhältnisse am Arbeitsplatz, nicht des Arbeitsplatzinhabers.

Diese Faktoren können die Psyche belasten

Als psychische Belastungen gelten Faktoren, die von außen auf die Psyche des Menschen einwirken (Norm DIN EN ISO 10075-1) und die sich aus den Arbeitsbedingungen ergeben. Hierzu gehören insbesondere

  • die Arbeitsaufgabe (Art und Umfang der Tätigkeit),
  • der Arbeitsumgebung (z. B. Lärm),
  • die Arbeitsorganisation (z. B. Arbeitszeit, -abläufe),
  • die Arbeitsmittel (z. B. Software) sowie
  • soziale Komponenten (z. B. Führungsstil, Betriebsklima).

Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung und Evaluation

Je nach Ergebnis der Beurteilung kann es sein, dass Sie Maßnahmen ergreifen müssen, um die Arbeitsumwelt oder die Arbeitsstrukturen gesundheitsgerechter zu gestalten. § 6 ArbSchG fordert von Ihnen, das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die festgelegten Maßnahmen und ihre Wirksamkeit zu dokumentieren – und den Arbeitsschutzbehörden auf Verlangen Einsicht zu gewähren. Kontrolliert wird das Ganze von der zuständigen Gewerbeaufsicht.

Haftungsrisiko lauert in zwei Bereichen

Als Arbeitgeber haften Sie dafür, dass der Arbeitsschutz eingehalten und eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird.

Haftungsrisiko 1: Verstoß gegen Ordnungsrecht

Nicht durchgeführte Beurteilungen werden mit einer Geldbuße bis zu 5.000 Euro oder aber bei größeren Verstößen mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bzw. mit einer Geldstrafe geahndet (§ 25 und 26 ArbSchG). Vorwerfbare Fehler können zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit führen. Auch die Berufsgenossenschaft könnte bei grober Fahrlässigkeit Regress erwägen.

Haftungsrisiko 2: Regress des Sozialversicherungsträgers

Das größte Haftungsrisiko für Sie besteht darin, dass Sie der Sozialversicherungsträger in Regress nimmt. Auch der BGH hat bestätigt, dass jeder Sozialversicherungsträger das Recht hat, sich entstandene Kosten zurückerstatten zu lassen (BGH, Urteil vom 27.06.2006, Az. VI ZR 143/05, Abruf-Nr. 062569).

Die Behandlung eines Burn-out-Falls z. B. verursacht den SV-Trägern Kosten im hohen fünfstelligen Bereich. Haben Sie Ihre Arbeitsschutzverpflichtung grob fahrlässig nicht erfüllt, müssen Sie damit rechnen, dass die Berufsgenossenschaft Sie in Regress nimmt.

VBG bietet Unterstützung

Den „Neueinsteigern“ unter Ihnen sei die Website der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) empfohlen. Dort finden Sie vielfältige Informationen und Tools zum Thema; u. a. eine 28-seitige Broschüre zum Einlesen. Die Broschüre finden Sie auch auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 228741.

Weiterführender Hinweis

AUSGABE: PBP 5/2022, S. 26 · ID: 48202078

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