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Entscheidung im Einzelfall erforderlich Trainer und Übungsleiter im Sportverein: Selbstständig oder abhängig beschäftigt?
Insbesondere in Sportvereinen werden Übungsleiter, Trainer und Betreuer beschäftigt. Und auch bei Vereinen prüft die Deutsche Rentenversicherung zunehmend ob die tätigen Personen, insbesondere im Bereich der Rentenversicherung, als versicherungspflichtig anzusehen sind.
Insbesondere in Sportvereinen werden Übungsleiter, Trainer und Betreuer beschäftigt. Und auch bei Vereinen prüft die Deutsche Rentenversicherung zunehmend ob die tätigen Personen, insbesondere im Bereich der Rentenversicherung, als versicherungspflichtig anzusehen sind.
Große Relevanz für Vereine
Die Frage nach der Sozialversicherungspflicht spielt für Vereine eine große Rolle. Kann ein Übungsleiter als selbstständig behandelt werden,
- hat der Verein keine Meldepflichten als Arbeitgeber und muss keine Lohnkonten führen,
- ermöglicht das erhebliche Einsparungen bei den Abgaben - beim Verein genauso wie beim Übungsleiter.
Andererseits kann eine Fehleinschätzung bei der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung zu erheblichen Nachzahlungen führen. Im Extremfall bis zu einer persönlichen Haftung der Vorstandsmitglieder.
Der einfachste Fall: Der Übungsleiterfreibetrag
In aller Regel sind dem Tätigkeitsinhalt nach bei Übungsleitern, Trainern und Betreuern die Voraussetzungen einer Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit nach § 3 Nr. 26 EStG (Übungsleiterfreibetrag) gegeben.
Bei der Tätigkeit muss dabei durch persönliche Kontakte Einfluss auf andere Menschen genommen werden. Es muss also eine pädagogische Ausrichtung bestehen. Bei Trainern und Übungsleitern in Sportvereinen ist das der Fall, auch wenn sie erwachsene Sportler betreuen. Nicht begünstigt sind dagegen zum Beispiel technische Betreuer und Platzwarte.
Auch bei Übungsleitern drohen Gefahren
Greift die Befreiung, ist die sozialversicherungsrechtliche Einstufung des Übungsleiters - als Selbstständiger oder abhängig Beschäftigter - ohne Belang. Das gilt aber in folgenden Fällen nicht:
- Die Tätigkeit wird nicht nebenberuflich ausgeübt (= sie umfasst mehr als ein Drittel der Arbeitszeit einer vergleichbaren Haupttätigkeit).
- Die Tätigkeit erfolgt im steuerpflichtigen Bereich des Vereins (zum Beispiel als Trainer von Profisportlern).
- Die Vergütung liegt über dem Freibetrag von 2.100 Euro.
- Der Übungsleiter nutzt den Freibetrag schon bei einem anderen Verein.
In diesen Fällen stellt sich die Frage nach der Sozialversicherungspflicht - zumindest für den Teil der Vergütung, der über 2.100 Euro liegt.
Wer gilt als selbstständig?
Die sozialversicherungsrechtliche Einstufung ergibt sich aus § 7 SGB IV. Anhaltspunkte für eine nichtselbstständige Beschäftigung sind eine weisungsgebundene Tätigkeit und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Vereins. Es kommt dabei aber nicht auf die Regelungen im Dienst- oder Werkvertrag an, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse.
Dass Übungsleiter in Vereinen nicht zwingend sozialversicherungspflichtig sind, ergibt sich aus der Rechtsprechung des BSG. Das BSG hat klargestellt, dass auch praktischer Sportunterricht (hier im Fall einer Aerobic-Trainerin) die Voraussetzung einer selbstständigen Lehrtätigkeit erfüllt. Der Begriff des Lehrers umfasst die Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten und praktischen Fertigkeiten und der Begriff des Erziehers beinhaltet die Entwicklung von Persönlichkeit und Charakter. Diesen Personengruppen gehören somit nach § 2 Satz 1 SGB VI auch selbstständige Übungsleiter, Trainer und Sportlehrer an (Urteil vom 22.6.2005, Az: B 12 RA 14/04 R; Abruf-Nr. 093805093805).
Wichtig: Es muss aber im Einzelfall geklärt werden, ob die Vorgaben des § 7 SGB IV zutreffen. Diese allgemeine gesetzliche Regelung wird durch eine Reihe von Kriterien spezifiziert. Geprüft wird konkret:
- Inwieweit ist der Auftragnehmer, auch räumlich, in die betriebliche Organisation des Auftraggebers eingebunden?
- Besteht örtliche Weisungsgebundenheit?
- Kann der Auftragnehmer weitgehend frei über den Zeitrahmen zur Erbringung seiner Leistungen bestimmen oder ist er in Dienstpläne des Auftraggebers eingebunden, sodass ihm eigene „Zeitsouveränität“ fehlt (zeitliche Weisungsgebundenheit)?
- Kann der Auftragnehmer selbst entscheiden, was er wann und wie bearbeitet oder ist er diesbezüglichen Weisungen des Auftraggebers unterworfen (inhaltliche Weisungsgebundenheit)?
- Muss der Auftragnehmer die Dienstleistung persönlich erbringen oder kann er Hilfspersonen hinzuziehen und die Dienstleistung im Einzelfall ablehnen?
- Gibt es vertraglich vereinbarte Ansprüche auf durchgehende Bezahlung bei Urlaub oder Krankheit sowie Ansprüche auf Weihnachtsgeld oder vergleichbare Leistungen?
Für den Übungsleiter bedeutet das konkret:
- Führt er das Training in eigener Verantwortung durch?
- Legt er Dauer, Lage und Inhalte des Trainings selbst fest?
- Stimmt er sich wegen der Nutzung der Sportanlagen selbst mit anderen Beauftragten des Vereins ab?
- Wie ist der zeitliche Aufwand und die Höhe der Vergütung?
Je geringer der Zeiteinsatz des Übungsleiters und je niedriger die Vergütung, desto eher spricht das für seine Selbstständigkeit. Ein großer zeitlicher Aufwand und eine hohe Vergütung sprechen dagegen für eine Eingliederung in den Verein und damit für eine abhängige Beschäftigung (Deutsche Rentenversicherung Bund, Katalog zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit; Abruf-Nr. 093807093807).
SV-Träger unterstellen in der Regel abhängige Beschäftigung
Es gibt aber - anders als bei der Einkommensteuer - keine pauschale Untergrenze, bei der von einer Sozialversicherungsfreiheit ausgegangen werden darf. Die Sozialversicherungsträger gehen allgemein davon aus, dass Übungsleiter, die in Sportvereinen tätig sind, grundsätzlich als in das Unternehmen eingegliedert zu betrachten sind und somit meist zu den abhängig Beschäftigten gehören (Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger, Besprechungsergebnis vom 16./17.11.1999; Abruf-Nr. 093808093808).
Sinn und Zweck der Statusfeststellung
Die Entscheidung, ob es sich bei der Tätigkeit des Übungsleiters um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder um eine selbstständige Erwerbstätigkeit handelt, muss der Verein bei Beginn einer jeden Tätigkeit selbst treffen. Bestehen Zweifel an der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung einer Tätigkeit als selbstständig oder abhängig, verschafft ein Statusfeststellungsverfahren Rechtssicherheit für alle Beteiligten.
Unser Tipp: Da die Vereine grundsätzlich das Risiko einer Fehleinschätzung tragen, ist die Statusfeststellung zur Minimierung von Haftungsrisiken zu empfehlen. Der Antrag dazu wird bei der Deutschen Rentenversicherung von den Beteiligten gemeinsam gestellt, wobei diese sich über die Beurteilung der Tätigkeit nicht einig sein müssen.
Unser Service: Ein Antragsformular zur Statusfeststellung finden Sie in „myIWW“ (www.iww.de) im „Online-Service“ unter „Arbeitshilfen“ - Stichwort: „Sozialversicherung“.
Abhängig beschäftigte Übungsleiter
Führt die Prüfung dazu, dass der Übungsleiter Arbeitnehmer ist, muss der Verein als Arbeitgeber die gesetzlichen Abgaben (Sozialversicherungsbeiträge, Lohnsteuer) abführen und seinen Meldepflichten (Meldung zur Sozialversicherung, Lohnsteueranmeldung) nachkommen.
Zunächst ist zu prüfen, ob der Übungsleiterfreibetrag nicht schon bei einem anderen Verein ganz oder teilweise „verbraucht“ worden ist. Wird die Vergütung (teilweise) als geringfügige Beschäftigung abgerechnet, muss der Verein sicherstellen, dass der Übungsleiter keinen anderen Minijob neben seiner Haupttätigkeit und der Tätigkeit in diesem Verein ausübt.
Rentenversicherungspflicht für selbstständige Übungsleiter
Oft übersehen wird, dass bestimmte selbstständig tätige Personen in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind (§ 2 Abs. 1 SGB VI). Zu diesem Personenkreis gehören unter anderem
- selbstständig tätige Lehrer/innen und Erzieher/innen oder
- Selbstständige mit einem Hauptauftraggeber.
Wichtig: Der Begriff des Lehrers ist definiert als Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten und praktischen Fertigkeiten. Zu dieser Personengruppe gehören damit auch selbstständige Übungsleiter, Trainer und Sportlehrer.
Die Rentenversicherungspflicht entsteht, wenn
- diese Lehrer selbst keinen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
- mehr als geringfügig tätig sind. Das heißt, das monatliche Arbeitseinkommen aus der Übungsleitertätigkeit übersteigt 400 Euro.
Beachten Sie: Auch hier gilt die Befreiung nach § 3 Nr. 26 EStG. Besteht Rentenversicherungspflicht, muss sich der Selbstständige innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit beim zuständigen Rentenversicherungsträger melden.
Lohn- bzw. Einkommensteuer
Die steuerliche Einstufung richtet sich im Wesentlichen nach denselben Kriterien wie die sozialversicherungsrechtliche. Beim Zeitumfang gibt es aber anders als im Sozialversicherungsrecht eine pauschale Untergrenze: Übt der Übungsleiter seine Tätigkeit insgesamt nur bis zu sechs Stunden pro Woche aus, nimmt die Finanzverwaltung in der Regel eine nebenberufliche selbstständige Tätigkeit an (R 19.2 LStR 2008). Das gilt aber nicht, wenn mit dem Übungsleiter ausdrücklich ein Arbeitsvertrag mit Vereinbarungen über Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall usw. abgeschlossen wurde.
Unser Tipp: Im Rahmen einer Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) können Vereine beim Betriebsstättenfinanzamt Auskunft darüber verlangen, ob im steuerrechtlichen Sinne eine Arbeitnehmertätigkeit oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Bei einer eventuell später folgenden Lohnsteuerprüfung gilt dann eine von der Anrufungsauskunft abweichende Beurteilung erst ab dem Zeitpunkt dieser Prüfung und nicht für die Vergangenheit.
Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht
Nachfolgend erfahren Sie, wie die Rechtsprechung die Sozialversicherungspflicht von Trainern und Übungsleitern im Einzelfall bewertet - das heißt konkret bei Fußball-, Handball-, Aerobic- und Fitnesstrainern.
Beachten Sie: Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild. Dabei unterscheiden sich Mannschaftssportarten deutlich von Einzelsportarten.
Einordnung von Mannschaftstrainern
Mannschaftstrainer erhalten typischerweise keine Einzelweisungen durch den Verein. Entsprechend ihrer Ausbildung bestimmen sie die Inhalte des Trainings selbst und stellen die Mannschaft nach den eigenen Vorstellungen auf. Das spricht aber noch nicht für eine selbstständige Tätigkeit. Gerade bei höher qualifizierten Tätigkeiten ist die eigenverantwortliche Tätigkeit die Folge der besonderen Ausbildung oder Qualifikation des Trainers (BSG, Urteil vom 18.12.2001, Az: B 12 KR 8/01 R; Abruf-Nr. 091109091109).
Es kommt also nicht so sehr auf Inhalt und Ablauf der Kurse an, sondern vor allem auf den organisatorischen Rahmen. Für eine abhängige Beschäftigung sprechen folgende Kriterien:
- Dem Trainer wird eine Weisungsbefugnis gegenüber den Spielern übertragen. Diese Übertragung einer Vorgesetztenfunktion wäre für Vereinsfremde (Selbstständige) untypisch (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.2.2007, Az: L 11 (8) R 242/05; Abruf-Nr. 091110091110).
- Der Trainer ist abhängig von den vom Verein zur Verfügung gestellten Sportstätten, Belegungsplänen und Spielplänen des Vereins.
- Der Verein gibt die Trainingstage und Trainingszeiten vor.
- Der Trainer kann die Spielpläne nicht beeinflussen (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.4.2006, Az: L 1 KR 31/04; Abruf-Nr. 091111091111).
- Der Trainer bekommt die Arbeitsmaterialien (Spiel- und Trainingsplatz, Bälle, Trainingsgeräte) vom Verein gestellt.
Dass ein Trainer nur nebenberuflich tätig ist und wirtschaftlich nicht auf die Zahlungen des Vereins angewiesen ist, spielt keine Rolle (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.4.2006, Az: L 1 KR 31/04; Abruf-Nr. 091111091111). Zwar spricht ein geringer Zeitumfang gegen eine wesentliche Einbindung in die Organisation. Hier gibt es aber keine definierten Untergrenzen.
Fazit: Trainer in Mannschaftssportvereinen sind in der Regel abhängig beschäftigt. Die Ausstattung (Plätze, Hallen) und der Koordinationsaufwand, der für Training und Wettkampf in Mannschaftsportarten erforderlich ist, schließt eine selbstständige Tätigkeit fast immer aus.
Trainer in Einzelsportarten
Wegen der geringeren organisatorischen Voraussetzungen stehen die Chancen für eine selbstständige Tätigkeit bei Trainern in Einzelsportarten (zum Beispiel Fitness- und Aerobic-Trainer, Tennislehrer oder Golftrainer) besser als bei Mannschaftssportarten. Auch hier kommt es auf die Gestaltung des Einzelfalls an.
Eigene Betriebsstätten (wie zum Beispiel Hallen oder Plätze) sind für eine selbstständige Tätigkeit nicht zwingend erforderlich. Selbstständiger Unterricht kann auch in fremden Hallen erteilt werden (LSG Hamburg, Urteil vom 3.3.2004, Az: L 1 RJ 114/02; Abruf-Nr. 091112091112).
Für eine selbstständige Tätigkeit sprechen ferner folgende Tatbestände:
- Der Trainer ist für verschiedene Vereine und Privatpersonen tätig.
- Er trifft eigenständige Vereinbarungen mit den Teilnehmern.
- Er nutzt wenn nicht eigene, so doch verschiedene fremde Sportanlagen.
- Er betreut neben Mitgliedern auch vereinsfremde Teilnehmer.
- Er kann die Vergütung mit seinen Teilnehmern frei vereinbaren.
- Er akquiriert die Teilnehmer an den Kursen selbst, betreibt also entsprechende Werbung und übernimmt die Kosten.
- Er hat schwankende Einnahmen (Unternehmerrisiko).
- Er führt das Training in eigener Verantwortung durch und legt Dauer, Lage und Inhalte des Trainings selbst fest.
- Er stimmt sich wegen der Nutzung der Sportanlagen selbst mit anderen Beauftragten des Vereins ab.
- Er besorgt im Fall einer Verhinderung selbst eine Ersatzkraft.
- Er stellt sein Equipment oder Teile davon selbst.
Unser Tipp: Es müssen nicht alle Kriterien erfüllt sein, damit eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Die einzelnen Aspekte sind in jedem Einzelfall gesondert zu gewichten.
Gegen eine selbstständige Tätigkeit spricht dagegen, dass der Trainer
- in Belegungspläne für die Halle oder für Plätze eingebunden ist,
- auf die Teilnehmerzahlen keinen Einfluss hat und
- feste Anwesenheitszeiten einhalten muss.
Ebenfalls gegen eine selbstständige Tätigkeit spricht ein Wettbewerbsverbot, wonach es dem Trainer nur mit Zustimmung des Vereins gestattet ist, für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu sein. Das widerspricht einer selbstständigen Tätigkeit und der damit verbundenen Unabhängigkeit des Betroffenen, so das LSG Schleswig-Holstein (Urteil vom 26.4.2006, Az: L 5 KR 22/05; Abruf-Nr. 091113091113).
Beachten Sie: Auf die vertraglich vereinbarten Bestimmungen kommt es bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung grundsätzlich nicht an. Allerdings gibt es Vertragsklauseln, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Dazu gehören
- die Lohnfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall,
- leistungsunabhängige Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld und
- die Abstimmung von Urlaubszeiten mit dem Verein.
AUSGABE: LGP 12/2009, S. 209 · ID: 132015