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Arbeitgeber muss sofort tätig werdenDas Auswerten eines Lohnsteuerhaftungsbescheids vermeidet Säumniszuschläge!
Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass ein Lohnsteuerhaftungsbescheid im Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche Beitragspflichten ausgewertet wird. Denn erfolgt die Auswertung erst im Rahmen einer Sozialversicherungsprüfung werden Säumniszuschläge fällig und es drohen strafrechtliche Konsequenzen.
Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass ein Lohnsteuerhaftungsbescheid im Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche Beitragspflichten ausgewertet wird. Denn erfolgt die Auswertung erst im Rahmen einer Sozialversicherungsprüfung werden Säumniszuschläge fällig und es drohen strafrechtliche Konsequenzen.
Die Sozialversicherungsprüfung
Im Rahmen der Sozialversicherungsprüfung (§ 28p SGB IV) wird die Abführung der gesetzlichen Pflichtbeiträge durch den Arbeitgeber geprüft. Die Prüfung erfolgt durch den Prüfdienst des zuständigen Rentenversicherungsträgers nach vorheriger (mindestens 14 Tage) schriftlicher Ankündigung.
Der Arbeitgeber ist für das Abführen der Beiträge verantwortlich und alleiniger Haftungsschuldner für nachträglich zu entrichtende Beiträge. Die Sozialversicherungsprüfung erstreckt sich auf alle Pflichten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag:
- Pflichtbeiträge der kraft Gesetzes versicherten Arbeitnehmer in der Kranken-, Pflege, Renten- und Arbeitslosenversicherung (SGB)
- Umlagen U1, U2 (AAG)
- Führung und Sicherung von Wertguthaben (Flexi II)
- Künstlersozialabgabe (KSVG)
- (Obligatorischen) Auswerten des Lohnsteuerhaftungsbescheids
- (Optionales) Einbeziehen des Rechnungswesens
Die Prüfdienste der Rentenversicherungsträger müssen jeden Arbeitgeber spätestens alle vier Jahre prüfen (§ 28p Abs.1 Satz 1 SGB IV). Ad hoc-Prüfungen (ohne Vorankündigung) erfolgen auf Verlangen der Einzugsstellen bei Insolvenzverfahren, Verdachtshinweisen auf Schwarzarbeit/illegale Beschäftigung, Betriebsschließungen (Liquidationen) sowie bei Vermutung von Beitragshinterziehungen in größerem Umfang.
Umfang der Betriebsprüfung
Die Betriebsprüfer prüfen alle mit der Beurteilung der Versicherungspflicht sowie der Beitragsberechnung durchgeführten Abrechnungen. Dabei muss der Arbeitgeber die Bescheide und Prüfberichte der Finanzbehörden (Lohnsteuerhaftungsbescheide) vorlegen. Denn eine steuerliche Nachforderung zieht in aller Regel auch eine sozialversicherungsrechtliche Beitragsforderung nach sich. Die Prüfer sind sogar verpflichtet, die Feststellungen der Finanzbehörden im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung sozialversicherungsrechtlich auszuwerten und für nacherhobene steuerpflichtige Entgelte gegebenenfalls auch Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern.
Typische Problemfelder
Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen ergeben sich neben der unterschiedlichen Einschätzung der Versicherungspflicht oft aus der Beurteilung von geldwerten Vorteilen (zum Beispiel Sachzuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer). Diese geldwerten Vorteile sind in der Regel bereits Bestandteil eines Lohnsteuerhaftungsbescheids, auf den dann wiederum im Rahmen der Betriebsprüfung der Rentenversicherung zurückgegriffen wird. Außerdem müssen wegen mangelnder Aufzeichnungen oft Summenbeitragsbescheide mit geschätzten Entgelten als Grundlage für eine nachträgliche Beitragsberechnung erstellt werden.
Auswerten des Lohnsteuerhaftungsbescheids durch Arbeitgeber
Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt richtet sich grundsätzlich nach dem Steuerrecht (§§ 14 und 17 SGB IV i.V.m. § 1 SvEV). Erhält der Arbeitgeber einen Lohnsteuerhaftungsbescheid, muss er diesen auswerten.
Beispiel
Mit Bescheid vom 9. Januar 2009 hat das Finanzamt Lohnsteuer aufgrund eines geldwerten Vorteils für die Überlassung von Wohnungen an einige Arbeitnehmer für den Zeitraum von 2005 bis 2008 nacherhoben. Der Lohnsteuerhaftungsbescheid ging dem Arbeitgeber am 12. Januar 2009 zu. Der Arbeitgeber hat ihn sozialversicherungsrechtlich nicht ausgewertet.Ende Mai 2009 findet eine Betriebsprüfung der Rentenversicherung statt. Der Prüfer wertet den Lohnsteuerhaftungsbescheids aus. Mit Bescheid vom 4. Juni 2009 werden neben den Sozialversicherungsbeiträgen für den geldwerten Vorteil in Höhe von 2.000 Euro für die Jahre 2005 bis 2008 auch Säumniszuschläge ab März 2009 festgestellt und eingefordert. Die Säumniszuschläge belaufen sich auf 60 Euro (2.000 Euro x 1 % x 3 Monate).
Was hätte der Arbeitgeber tun müssen?
Im obigen Beispiel ist der Arbeitgeber noch recht günstig davon gekommen, weil der zeitliche Abstand zwischen der Lohnsteuerprüfung und der Sozialversicherungsprüfung kurz war und der Säumniszuschlag so nur für wenige Monate gezahlt werden musste. Wäre der Lohnsteuerprüfer aber unmittelbar nach dem SV-Prüfer erschienen und hätte die nächste SV-Prüfung erst wieder in vier Jahren stattgefunden, wäre der Säumniszuschlag mit 960 Euro (2.000 Euro x 1% x 48 Monate) wesentlich höher ausgefallen.
Deshalb gilt: Erhält der Arbeitgeber einen Lohnsteuerhaftungsbescheid muss er sofort tätig werden. Er muss den Haftungsbescheid sozialversicherungsrechtlich auswerten und die fehlenden Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) nachentrichten. Im obigen Beispiel dürfte das für den Arbeitgeber mit wenig Aufwand möglich sein.
Wichtig: Sofort heißt auch wirklich sofort. Die sich nach Auswerten des Lohnsteuerhaftungsbescheids ergebenden nachzuentrichtenden Beiträge sind bis zum fünftletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem der Arbeitgeber den Lohnsteuerhaftungsbescheid erhalten hat (spätestens bis zum fünftletzten Bankarbeitstag im darauffolgenden Monat).
Unser Tipp: Der Arbeitgeber kann auch gleich den SV-Prüfer mit ins Boot holen, indem er ihm schriftlich mitteilt, dass er einen Lohnsteuerhaftungsbescheid erhalten hat und bei der Auswertung Unterstützung benötigt. Das hat folgende Vorteile:
- Der Arbeitgeber vermeidet die Zahlung von Säumniszuschlägen und mögliche strafrechtliche Konsequenzen.
- Der Sozialversicherungsprüfer (und nur der) kann die Beiträge mittels eines Summenbeitragsbescheids nacherheben.
- Der Arbeitgeber reduziert den zeitlichen Aufwand für die individuelle Ermittlung der SV-Beiträge, der SV-Prüfer entlastet ihn folglich.
Summenbeitragsbescheide
Liegen keine Aufzeichnungen vor, kann der SV-Prüfer die Beiträge mit Hilfe eines Summenbeitragsbescheids aus der Summe der gezahlten Arbeitsentgelte (Lohnsumme) erheben (§ 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Sind die Arbeitsentgelte nicht bekannt, können auch diese geschätzt werden (§ 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV). Kann zwar die Lohnsumme ermittelt werden, nicht aber die auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Entgelte, sind die Beiträge aus der Lohnsumme geltend zu machen.
Beachten Sie: Bezieht sich ein Summenbeitragsbescheid auf Arbeitsentgelte der per DEÜV gemeldeten Arbeitnehmer, ist bezogen auf die vom Summenbeitragsbescheid erfassten Kalenderjahre eine Quotierung der beim Arbeitgeber am 1. Juli vertretenen Krankenkassen vorzunehmen.
Beispiel
Ein Arbeitgeber beschäftigt 50 Arbeitnehmer. Diese sind bei zehn verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen versichert. Die Quotierung ergibt, dass 35 Prozent des Gesamtsozialversicherungsbeitrags an die AOK abgeführt werden. Die aus dem Summenbeitragsbescheid resultierenden Beitragsnachforderungen werden in dem Verhältnis auf die Krankenkassen verteilt, wie diese prozentual am Gesamtsozialversicherungsbeitrag partizipieren. Das bedeutet in diesem Fall, dass die AOK 35 Prozent der nachzuzahlenden Beiträge erhält, ohne dass eine individuelle Zuordnung erfolgt.
Kürzung der Lohnsumme
Summenbeitragsbescheide spielen insbesondere beim Auswerten von Lohnsteuerhaftungsbescheiden eine wichtige Rolle. Werden die Beiträge durch einen Summenbeitragsbescheid erhoben, ist darauf zu achten, dass die im Bescheid des Finanzamts ausgewiesene Lohnsumme nur insoweit für die Beitragsnachberechnung zur gesetzlichen Sozialversicherung heranzuziehen ist, als sie bei einer personenbezogenen Beitragsberechnung gleichermaßen der Beitragspflicht zu unterwerfen gewesen wäre.
Die Lohnsumme ist insbesondere dann zu kürzen, wenn nachträglich Lohnsteuer für geldwerte Vorteile erhoben wird, an denen auch Mitarbeiter partizipiert haben, für die bei einer personenbezogenen Nacherhebung von Beiträgen eine Beitragsforderung nicht in Betracht gekommen wäre.
Darunter fallen Arbeitnehmer, die
- mit ihrem laufenden Arbeitsentgelt die Beitragsbemessungsgrenzen ohnehin überschreiten oder
- aufgrund bestehender gesetzlicher Vorschriften versicherungsfrei sind (zum Beispiel beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer) bzw. auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit wurden.
Beispiel
Das Finanzamt erhebt mit einem Lohnsteuerhaftungsbescheid Lohnsteuer für geldwerte Vorteile aus der Ausgabe von Benzingutscheinen (mit Höchstbetrag) an alle 150 Arbeitnehmer nach. Aufgrund der Vielzahl der betroffenen Arbeitnehmer, informiert der Arbeitgeber die Prüfstelle und bittet um Unterstützung bei der Auswertung des Lohnsteuerhaftungsbescheids. Von den 150 Arbeitnehmern sind bei 10 wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze keine zusätzlichen Beiträge in der Renten- und Arbeitslosenversicherung fällig. Außerdem sind weitere 20 Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung befreit.Der Sozialversicherungsprüfer fordert die Beiträge mit einem Summenbeitragsbescheid nach. Dabei wird berücksichtigt, dass bei 10 Arbeitnehmern keine SV-Beiträge mehr anfallen und dass für 20 Arbeitnehmer (KV-frei) nur Beiträge zur Renten- bzw. Arbeitslosenversicherung abzuführen sind.
Beachten Sie: Wurden im Lohnsteuerhaftungsbescheid mehrere Sachverhalte aufgegriffen, kann die Lohnsumme nicht generell anhand der Gesamtbeschäftigtenzahl unter Berücksichtigung des Anteils der versicherungsfreien bzw. nicht versicherungspflichtigen Arbeitnehmer gekürzt werden. Vielmehr ist auf den jeweiligen Sachverhalt bzw. die Art des gewährten geldwerten Vorteils abzustellen.
Weitere Folgen einer Nichtauswertung
Erhält der Arbeitgeber einen Lohnsteuerhaftungsbescheid, erlangt er Kenntnis über weitere Einkommensbestandteile und weiß um die Beitragspflicht. Wertet er den Lohnsteuerhaftungsbescheid sozialversicherungsrechtlich nicht aus und führt keine Sozialversicherungsbeiträge ab, kann er sich strafbar machen (§ 266a Abs. 1 StGB), da ihm dies als vorsätzliches Handeln ausgelegt werden kann. Zusätzlich werden Säumniszuschläge erhoben (1 Prozent pro Monat).
Die vom Arbeitgeber nachträglich abzuführenden Arbeitnehmeranteile kann er - außer bei den nächsten drei Entgeltzahlungen - nur vom Arbeitnehmer zurückfordern, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist (§ 28g SGB IV). Das dürfte beim Nichtauswerten eines Lohnsteuerhaftungsbescheids regelmäßig nicht der Fall sein. Die Arbeitnehmeranteile, die vom Arbeitgeber nicht zurückgefordert werden können, stellen zusätzlich einen geldwerten Vorteil dar und sind lohnsteuerpflichtig.
AUSGABE: LGP 7/2009, S. 118 · ID: 128304