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Vollstreckung einer UmgangsvereinbarungVerweigerte Wiederaufnahme von Umgangskontakten – das sind die Folgen

Abo-Inhalt01.04.2024471 Min. LesedauerVon RAin Dr. Gudrun Möller, FAin Familienrecht, BGM Anwaltssozietät, Münster

| Passt einem Elternteil es nicht, dass der andere Teil aufgrund eines gerichtlich gebilligten Umgangsvergleichs Umgang mit dem Kind hat, ist es keine gute Idee, den Umgang einfach zu verweigern. Der Beitrag zeigt anhand einer Entscheidung des OLG Braunschweig, welche Folgen drohen und wie der Elternteil richtig vorgeht. |

Sachverhalt

Die Beteiligten M und V sind die Eltern der am 6.4.14 geborenen Tochter T, die bei der M lebt. Wegen des Umgangs des Vaters V mit der T schlossen sie eine gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung. Seit Ende 2019 verweigerte die M den Umgang des V mit der T. Sie erstattete eine Strafanzeige gegen ihn wegen des Verdachts auf schweren sexuellen Missbrauch der T. Das Ermittlungsverfahren wurde mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Der V hat erstinstanzlich erfolglos Ordnungsmittel gegen M beantragt. Gegen den ablehnenden Beschluss wendet er sich erfolgreich mit seiner sofortigen Beschwerde.

Leitsätze: OLG Braunschweig 20.7.22 1 WF 165/21

  • 1. Lehnt der betreuende Elternteil die Wiederaufnahme titulierter Umgangskontakte nach einer über zweijährigen Umgangspause generell ab, so genügt der umgangsberechtigte Elternteil seiner Darlegungslast, wenn er auf die im Rahmen von Gesprächen beim Jugendamt zum Ausdruck gebrachte Verweigerungshaltung des anderen Elternteils verweist.
  • 2. Der aus einem Umgangstitel verpflichtete Elternteil kann sich nicht durch den Hinweis auf die Kindeswohlwidrigkeit der Umsetzung der titulierten Umgangskontakte entlasten, wenn auf diese Umstände nicht auch ein Antrag auf Abänderung des Umgangstitels und auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gestützt ist (vgl. BGH 19.2.14, XII ZB 165/13, juris Rn. 26).
  • (Abruf-Nr. 231150)

Entscheidungsgründe

Gegen die M ist wegen des Verstoßes gegen die gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung ein Ordnungsmittel von 500 EUR zu verhängen, § 89 Abs. 1 S. 1 FamFG. Der durch Beschluss gebilligte Vergleich ist ein Vollstreckungstitel i. S. d. § 86 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 89 Abs. 1 S. 1 FamFG. Er enthält eine vollstreckbare Umgangsregelung und ist hinreichend bestimmt. Der erforderliche Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung wurde erteilt, § 89 Abs. 2 FamFG. M hat gegen den Titel zuwidergehandelt. Sie hat nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen V die Wiederaufnahme seines Umgangs verweigert und dies gegenüber dem Jugendamt angekündigt. Daher musste V nicht wöchentlich zum vereinbarten Übergabeort kommen (OLG Frankfurt 7.7.17, 4 WF 23/17, juris Rn. 10). Es genügt, dass er um Gespräche beim Jugendamt gebeten hat.

M hat schuldhaft gehandelt. Sie hat keine Gründe vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass sie die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat, § 89 Abs. 4 FamFG. Sie kann sich nicht darauf berufen, der Umgang stelle eine Kindeswohlwidrigkeit dar. Die Kindeswohlprüfung ist Gegenstand des Erkenntnisverfahrens. Einer erneuten Prüfung im Vollstreckungsverfahren nach § 89 FamFG stehen der Grundsatz der strengen Formalisierung der Zwangsvollstreckung sowie der Zweck der effektiven Durchsetzung des Titels entgegen (BGH 19.2.14, XII ZB 165/13, juris Rn. 26).

Ausnahme: Neu hinzugetretene Kindeswohlgesichtspunkte können der Vollstreckung eines Umgangstitels entgegengehalten werden, wenn darauf auch ein Abänderungsantrag des Titels und auf Einstellung der Vollstreckung gestützt ist oder wenn der Verpflichtete nach dem Auftreten neuer Umstände nicht mehr rechtzeitig ein Abänderungsverfahren einleiten konnte (Johannsen/Henrich/Althammer/Rake, Familienrecht, 7. Aufl., § 89 Rn. 10; BGH, a. a. O.; 1.2.12, XII ZB 188/11, juris Rn. 23; OLG Karlsruhe 8.5.19, 5 WF 239/18, juris Rn. 50).

Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor. M hat nicht beantragt, die titulierte Umgangsregelung abzuändern. Es liegen auch keine sonstigen Gründe vor, um im Rahmen der Ermessensausübung davon abzusehen, Ordnungsmittel zu verhängen. Bei grundloser Weigerung des betreuenden Elternteils, den titulierten Umgang zustande kommen zu lassen, ist die Festsetzung von Ordnungsmitteln angezeigt und das Anordnungsermessen auf null reduziert (Keidel/Giers, a. a. O., § 89 Rn. 6). Insbesondere kann nicht erkannt werden, dass die inzwischen über zweieinhalbjährige Umgangspause einer Wiederaufnahme der titulierten Umgänge entgegenstünde. Es geht nicht um Übernachtungskontakte, die ggf. nach der langen Pause erst eine erneute Anbahnung erforderlich machen würden, sondern nur um kurze wöchentliche Umgangskontakte nachmittags, wobei die Übergaben an den V vom Jugendamt zu begleiten sind. Dadurch ist gewährleistet, dass die T behutsam und positiv auf den Kontakt vorbereitet werden kann.

Bezüglich der Höhe des Ordnungsgeldes war zu beachten, dass die M seit längerer Zeit die Umgangskontakte ablehnt, dass der V aber seit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens auch seinerseits eine lange Zeit hat verstreichen lassen, bevor er den Umgang eingefordert hat. Zudem haben in dem gesamten Zeitraum nur wenige konkrete Anfragen des V stattgefunden.

Relevanz für die Praxis

Der Anwalt muss beantragen, dass der Titel abgeändert und die Zwangsvollstreckung nach § 93 Abs. 1 Nr. 4 FamFG eingestellt wird. Diesen Antrag muss er auf neue Umstände stützen, die dem Kindeswohl entgegenstehen.

MUSTERFORMULIERUNG / Antrag auf Abänderung

  • 1. Es wird beantragt, in Abänderung des Beschlusses des AG vom ... Az. ... den Umgang des Vaters/der Mutter mit dem Kind ... für einen Zeitraum von ... auszuschließen.
  • 2. Die Zwangsvollstreckung aus dem obigen Beschluss wird einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache eingestellt.

AUSGABE: FK 5/2024, S. 82 · ID: 48565855

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