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EhescheidungDer Härtegrund des § 1568 Abs. 1, 1. Alt. BGB hat strenge Voraussetzungen
| Die Kinderschutzklausel § 1568 Abs. 1, 1. Alt. BGB setzt voraus, dass durch die Scheidung selbst solche atypischen ungewöhnlichen Folgen verursacht werden, dass es im Kindesinteresse notwendig ist, die Ehe der Eltern aufrechtzuerhalten. Die Situation des Kindes muss sich dadurch verbessern, dass vom Scheidungsausspruch abgesehen wird, so das OLG Stuttgart. |
Sachverhalt
Das AG hat die Ehe von M und F geschieden. Die F beruft sich mit der Beschwerde im Hinblick auf die minderjährige Tochter T erfolglos darauf, dass der Härtegrund nach § 1568 Abs. 1, 1. Alt. BGB greift (OLG Stuttgart 12.12.23, 18 UF 30/23, Abruf-Nr. 239991).
Entscheidungsgründe
Die Ehe von M und F ist gescheitert i. S. v. § 1565 Abs. 1 BGB, da sie seit Herbst 21 getrennt leben (§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB) und M nicht zu F zurückkehren will.
Der Antrag ist nicht nach § 1568 BGB zurückzuweisen. Die Voraussetzungen nach Alt. 1 der Norm liegen nicht vor. Die Härteklausel greift nur, wenn beim Kind durch die Scheidung selbst solche atypischen ungewöhnlichen Folgen verursacht werden, dass es im Kindesinteresse notwendig ist, die Ehe aufrechtzuerhalten (Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, Familienrecht, 7. Aufl., § 1568 Rn. 15). Alle für ein Kind nachteiligen Folgen, die darauf beruhen, dass sich die Eltern getrennt haben bzw. die Ehe gescheitert ist, fallen nicht darunter (Staudinger/Rauscher (2018) BGB, § 1568 Rn. 47). Es reicht nicht, wenn das Kind durch die Scheidung seelisch schwer getroffen wird (OLG Zweibrücken FamRZ 82, 294). Die Trennung hat bei der T depressive Verstimmungen verursacht. Das führt aber nicht dazu, von der Scheidung abzusehen. Denn dadurch würde ihr Leid nicht vermindert werden, da der M nicht zur F zurückkehren würde.
Relevanz für die Praxis
§ 1568 BGB enthält in Alt. 1 die sog. Kinder- und in Alt. 2 die sog. Ehegattenschutzklausel. Im Hinblick auf die Kinderschutzklausel gilt: Es muss sich um leibliche oder Adoptivkinder handeln, Stiefkinder werden nicht erfasst (Grüneberg/Siede, BGB, 83. Aufl., § 1568 Rn. 2). I. d. R. reicht es für § 1568, 1. Alt. BGB nicht aus, wenn trennungs- und scheidungsbedingt der Kontakt zum nicht betreuenden Elternteil beeinträchtigt wird (OLG Frankfurt NJW-RR 02, 577). Ein Härtefall ist aber zu bejahen, wenn ernst zu nehmende Suizidabsichten im Fall der Scheidung der Eltern bestehen (OLG Hamburg FamRZ 86, 469).
Das Gericht muss die Kindesinteressen von Amts wegen beachten. Bei der Ehegattenschutzklausel ist die Amtsermittlung durch § 127 Abs. 3 FamFG eingeschränkt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 1568, 2. Alt. BGB trägt derjenige, der sich darauf beruft (Grüneberg/Siede, a. a. O.).
AUSGABE: FK 6/2024, S. 101 · ID: 49877689