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VermögensnachfolgeVermögensnachfolge bei Minderjährigen
| Aktuelle Entwicklungen belegen, dass Privatpersonen immer stärker dazu veranlasst sind, sich der rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Lebens bewusst zu werden, beispielsweise hinsichtlich der Änderungen des Betreuungsrechts zum 1.1.23, aber auch bezüglich der neuen Grundsätze zur Immobilienwertermittlung. Dies lädt dazu ein, ein vielen Familien immanentes Thema zu betrachten: die besonderen Anforderungen an eine Vermögensnachfolge bei minderjährigen Familienangehörigen. Dazu zwei Themen: |
1. Minderjährige im Erbfall
Bereits im Fall einer Familie mit Eltern und einem Kind ist ein Augenmerk auf den Minderjährigen zu legen: Fehlt eine testamentarische Regelung, wird das minderjährige Kind Teil der (gesetzlichen) Erbengemeinschaft. Folge: Der überlebende Ehepartner wird handlungsunfähig. In der Erbengemeinschaft ist das Einstimmigkeitsprinzip die Regel und es entsteht oft Streit darüber, ob der überlebende Ehegatte für das Kind das Sorgerecht ausüben und in der Erbengemeinschaft für das Kind entscheiden darf. Denn es besteht zumeist eine Interessenkollision. Selbst eine standardisierte testamentarische Regelung (Stichwort: „Berliner Testament“) wird der vorliegenden Konstellation nicht gerecht, da dem minderjährigen Kind im ersten Erbfall ein Pflichtteilsanspruch zusteht und im zweiten Erbfall, eine Minderjährigkeit vorausgesetzt, die Eltern vorverstorben sind und das minderjährige Kind als Schlusserbe allein für sich steht. Auflösen lassen sich diese Probleme mit drei gestaltenden Maßnahmen:
Merke | Diese Ausführung betreffen auch Enkelkinder, die häufig als Ersatzerben eingesetzt werden oder denen ein Steuervermächtnis zugeordnet wird.  | 
- Gibt es ein minderjähriges Kind, ist stets eine testamentarische Regelung sinnvoll, insbesondere, um das Kind aus einer Erbengemeinschaft herauszuhalten.Minderjährige aus der Erben-gemeinschaft halten
 - Oft ist es sinnvoll, das minderjährige Kind bereits im ersten Erbfall mit einem Vermächtnis zu bedenken, um das Konfliktpotenzial eines Pflichtteilsanspruchs auszuschließen. Dies ist insbesondere zu prüfen, wenn sich ein solches Vermächtnis mit Blick auf die erbschaftsteuerliche und wirtschaftliche Situation der Eheleute bereits zur Nutzung des Freibetrags gem. § 16 ErbStG für das Kind im ersten Erbfall aufdrängt.Erster Erbfall: Vermächtnis für das minderjährige Kind
 - In allen Konstellationen sollte eine Dauertestamentsvollstreckung für das minderjährige Kind angeordnet werden, und zwar sowohl für den Fall, dass das Kind Vermächtnisnehmer wird als auch zu einer Erbenstellung gelangt. In der Praxis sollten Eltern darüber informiert werden, dass diese Dauertestamentsvollstreckung bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres notwendig, aber auch bis zu einer höheren Altersgrenze sinnvoll sein kann.Dauertestamentsvollstreckung für das minderjährige Kind
 
2. Minderjährige bei Immobilienschenkungen
Die Vermögensnachfolge betrifft mit Blick auf die steigenden Nachlasswerte vermehrt die Diskussion einer lebzeitigen Schenkung von Immobilieneigentum. Da eine solche Schenkung unter dem Vorbehalt einer familiengerichtlichen Genehmigung steht (Stichwort: „kein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft“), sollten folgende Besonderheiten beachtet werden:
- Soweit sich die Eltern ein Nießbrauchrecht vorbehalten, sollte die Lastentragung abweichend von den gesetzlichen Vorschriften sämtlich bei den Eltern verbleiben (also auch in Bezug auf die außerordentlichen Lasten).Nießbrauch
 - Sinnvoll ist, dass Grundschulden und Hypotheken, die oft nicht mehr valutieren, vor bzw. im Rahmen der Übergabe gelöscht werden. Vergleichbares gilt auch für andere dingliche Beschränkungen, die bestehen können, z. B. Dienstbarkeiten, soweit sie löschungsfähig sind.Grundpfandrechte
 - In notariellen Übergabeverträgen gibt es standardisierte Rückforderungsrechte. Es steht Eltern frei, ein Rücktrittsrecht ohne besonderen Grund in den Übergabevertrag aufnehmen zu lassen. Bei einer Immobilienschenkung an Minderjährige ist von diesem Rücktrittsrecht nur eingeschränkt Gebrauch zu machen, da ein hieraus resultierendes Rückabwicklungsrisiko für das minderjährige Kind einen Nachteil bedeutet.Rücktrittsrechte
 - Der standardisierte notarielle Übergabevertrag ist an mehreren Stellen auf die individuelle Situation anzupassen bzw. vorzubereiten:
 - Es empfiehlt sich eine generelle Zusatzklausel, dass die Eltern das minderjährige Kind bezüglich aller Kosten und Lasten aus dem Übergabevertrag freistellen.
 - Wird nur ein Miteigentumsanteil an das minderjährige Kind übertragen, da der Wert der Gesamtimmobilie den schenkungsteuerlichen Freibetrag übersteigt, sollte eine Miteigentümervereinbarung mitaufgenommen werden, die z. B. die Vertretung der Miteigentümergemeinschaft regelt, aber auch die Frage einer möglichen Teilungsversteigerung.
 - Auch die Person eines notwendigen Ergänzungspflegers für das minderjährige Kind sollte im Vorfeld rechtssicher geklärt sein.
 
3. Fazit
Insbesondere, wenn sich die Familie um ein Kind erweitert, stellen sich schenkungs- und erbrechtliche Gestaltungsfragen, die es vorzubereiten gilt. Beide Themen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang, z. B. deshalb, weil (1) im Übergabevertrag erbrechtliche Klauseln enthalten sind und (2) eine testamentarische Regelung erbschaftsteuerlich lebzeitige Schenkungen mit Blick auf die 10-Jahres-Frist des § 14 ErbStG beachten muss. Die beiden Themen bilden nur einen Ausschnitt in diesem Fragenkreis. In jedem Fall ist eine Absicherung der gesamten Familie durch Vorsorgevollmachten für die Erwachsenen und eine Sorgerechtsverfügung für das minderjährige Kind erforderlich.
AUSGABE: FK 5/2023, S. 80 · ID: 49217743