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LebensversicherungenLebensversicherungen in der familienrechtlichen Auseinandersetzung

Abo-Inhalt20.04.2023628 Min. LesedauerVon RA Dieter Büte, VRiOLG i.R., Hamburg

| Ende 2020 gab es in der Bundesrepublik mehr als 83 Mio. abgeschlossene Lebensversicherungsverträge, die, soweit es sich nicht um Risikolebensversicherungen handelt, im Fall einer Scheidung entweder im Zugewinnausgleich oder im Versorgungsausgleich auszugleichen sind. Im Hinblick auf Haftungsrisiken ist es deshalb notwendig, diese zutreffend zuzuordnen. Zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen haben sich mit Fragen zu Lebensversicherungen im Rahmen der familienrechtlichen Auseinandersetzung befasst. Der Beitrag beantwortet einige davon. |

1. Zuordnung zum Versorgungsausgleich oder Zugewinn

§ 2 Abs. 4 VersAusglG ordnet an, dass ein güterrechtlicher Ausgleich nicht stattfindet, soweit die Anrechte dem Versorgungsausgleich (VA) unterliegen. Der VA erfasst Anwartschaften und – soweit der Versorgungsfall bereits eingetreten ist – auch entstandene Ansprüche auf eine Versorgung wegen Alters oder Invalidität. Die Anrechte müssen mithilfe des Vermögens oder durch Arbeit begründet worden sein. Ob ein Anrecht aus einer Lebensversicherung im VA oder im Zugewinnausgleich (ZGA) auszugleichen ist, richtet sich i. d. R. nach den im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistungsdaten. Handelt es sich um eine reine Rentenversicherung, erfolgt der Ausgleich im VA.

Merke | Sofern ein Versicherungsvertrag dies vorsieht, kann ein Versicherungsnehmer die Auszahlungsform bestimmen und ändern, wenn er das für den Versicherungsfall eingeräumte Wahlrecht durch Anzeige beim Versicherer nutzt.

2. Ausgleich im ZGA

Folgende private Lebensversicherungen werden im ZGA ausgeglichen:

  • Kapitallebensversicherungen (BGH FamRZ 95, 1270);
  • Rentenlebensversicherungen, wenn die Versorgungsleistung nicht der Alters- oder Invaliditätsversorgung dient und zu einem erheblichen Teil schon während des aktiven Erwerbslebens geleistet wird (BGH FamRZ 07, 889);
  • Kapitallebensversicherungen mit Rentenwahlrecht, soweit der berechtigte Ehegatte erst nach Zustellung des Scheidungsantrags das Wahlrecht ausgeübt hat (BGH FamRZ 03, 664);
  • Rentenlebensversicherungen mit Kapitalwahlrecht, wenn der versicherte Ehegatte vor dem Stichtag die Kapitalleistung gewählt hat (BGH FamRZ 93, 793, 794; 03, 664);
  • gemischte Kapitallebensversicherungen, bei denen der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung im Erlebensfall (z. B. 65. Lebensjahr) erhält, im Fall des vorzeitigen Todes die Leistung unwiderruflich an den anderen Ehegatten erbracht wird (BGH FamRZ 92, 1155), aber nur, soweit die Begünstigung zu dessen Gunsten nach dem Scheitern der Ehe bestehen bleibt;
  • Rentenlebensversicherungen, wenn das Kapitalwahlrecht während des Beschwerdeverfahrens ausgeübt wird (BGH FamRZ 11, 1931);
  • Lebensversicherungen mit Kapitalwahlrecht, wenn das Kapitalwahlrecht nach Ende der Ehezeit aber vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung ausgeübt wird (BGH FamRZ 12, 1039).

3. Bei wem wird die Lebensversicherung berücksichtigt?

Erfolgt ein Ausgleich im ZGA, ist festzustellen, wer bezugsberechtigt i. S. d. § 159 VVG ist. Ist das Bezugsrecht nicht festgelegt, steht der Versicherungsanspruch dem Versicherungsnehmer zu und ist in seinem Vermögen zu beachten. Das gilt auch bei einer widerruflichen Begünstigung eines Dritten (BGH FamRZ 84, 666). Denn in diesem Fall erlangt der Bezugsberechtigte die Rechte erst mit dem Ableben der versicherten Person; bis dahin hat er auch keine gesicherte Rechtsstellung, sondern nur eine Aussicht auf den Erwerb der Rechte.

Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht erwirbt der als bezugsberechtigt bezeichnete Dritte gem. § 159 Abs. 3 VVG das Recht auf Leistung des Versicherers bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberechtigter. In diesem Fall ist der Wert der Versicherung ausschließlich beim Bezugsberechtigten anzusetzen (BGH FamRZ 92, 1155). Im Fall einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung eines selbstständigen hauptberuflichen Versicherungsvertreters hat der BGH bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung die Versicherungsleistung der zweiten Ehefrau zugebilligt, mit der ein Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet war und nicht seiner Ex-Frau (NJW 81, 984). Denn der Versicherer hatte die Gestaltung des Vertragsverhältnisses beeinflusst, indem er den Kreis und die Reihenfolge der Bezugsberechtigten bestimmte und einen Widerruf der Bestimmungen über die Bezugsberechtigung, eine Abtretung, eine Verpfändung oder Beleihung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag ausschloss. Dies entsprach dem Sinn und Zweck der Hinterbliebenenversorgung und damit auch den Interessen des Versicherers. Eine analoge Anwendung des § 2077 BGB auf die Bezugsberechtigung scheidet aus (BGH NJW 87, 3131).

Praxistipp | Ist die Bezugsberechtigung widerruflich – und darauf sollte in der anwaltlichen Beratung hingewiesen werden – ist zu klären, wer im Fall des Todes aus dem Versicherungsvertrag bezugsberechtigt sein soll, oder ob diese zu ändern ist. Sofern im Fall des Todes die Leistung an den Ehegatten der versicherten Person erfolgen soll, ist zwingend der Widerruf durch einfache Erklärung gegenüber der Versicherungsgesellschaft zu erklären, weil sonst der frühere Ehegatte berechtigt bleibt, die Leistung in Empfang zu nehmen (BGH NJW-RR 07, 976), jedoch bedarf der bezugsberechtigte Ehegatte im Verhältnis zum Versicherten eines Rechtsgrundes, um die Versicherungssumme behalten zu dürfen. Mit dem Scheitern der Ehe fällt die Geschäftsgrundlage im Valutaverhältnis regelmäßig weg (BGH FamRZ 87, 806).

Eine Erklärung eines Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, im Fall seines Todes solle „der verwitwete Ehegatte“ Bezugsberechtigter der Versicherungsleistung sein, ist auch im Fall einer späteren Scheidung der Ehe und Wiederheirat i. d. R. dahin auszulegen, dass der mit dem Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Bezugsberechtigungserklärung verheiratete Ehegatte bezugsberechtigt sein soll (BGH FamRZ 15,1883; VersR 07, 784).

Ein Widerruf der Bezugsberechtigung ist bis zum Eintritt des Versicherungsfalls jederzeit möglich. Die Erklärung über die Änderung des Bezugsrechts muss dem Versicherer vor dem Versicherungsfall zugehen (BGH NJW 93, 3131, 3135). Zulässig ist auch, die Bezugsberechtigung in einer Verfügung von Todes wegen zu ändern; sie ist aber dem Versicherer/Versicherungsvertreter anzuzeigen.

4. Bewertung einer Lebensversicherung

Sofern am Endvermögensstichtag bei objektiver Betrachtung nicht zu erwarten ist, dass das Versicherungsverhältnis fortgeführt wird, auch keine Stundung gem. § 1382 BGB in Betracht kommt, ist die Anwartschaft aus einer Kapitallebensversicherung mit dem Rückkaufwert in die ZGA-Bilanz einzustellen (BGH FamRZ 95, 1270). Dabei handelt es sich i. d. R. um Fälle, in denen diese Versicherung erst vor relativ kurzer Zeit abgeschlossen wurde oder in denen es im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse unzumutbar ist, diese fortzuführen. Der Rückkaufwert ist erheblich niedriger als der wirkliche Wert des Lebensversicherungsvertrags für den Versicherungsnehmer bei Fortführung. Es ist der Betrag, den der Versicherer im Fall einer nach § 169 VVG jederzeit möglichen Kündigung zahlen müsste (OLG Hamm NJW-RR 11, 1443).

Bei positiver Fortführungsprognose oder der Möglichkeit der Stundung (§ 1382 BGB) ist auf einen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten bemessenen Fortführungswert als wahren wirtschaftlichen Wert abzustellen. In diesen Fällen ist es nicht gerechtfertigt, den Rückkaufwert als wirtschaftlich ungünstigen Liquidationswert mit erheblichen Stornoabzügen anzusetzen, wenn die vorzeitige Kündigung des Versicherungsverhältnisses am Bewertungsstichtag weder erfolgt noch eine Folge des ZGA ist (BGH FamRZ 95, 1270). Liegt der Stichtag etwa ein Jahr vor dem Vertragsende, ist es zulässig, von dem später ausgezahlten Betrag auszugehen und für den des Fortführungswert einen Abschlag i. H. d. Gewinnanteils für ein Jahr der noch zu zahlenden Prämien zu machen.

5. Zuordnung zum VA

Ausgleichspflichtig ist der Ehegatte, der aus dem privaten Lebensversicherungsvertrag Rentenleistungen beziehen wird. Das ist i. d. R. derjenige, der den Versicherungsvertrag abschließt. Für die Ausgleichspflicht ist es belanglos, ob ein Versicherter ein Dritter ist (sog. Gefahrsperson). Davon zu unterscheiden ist die Bezugsberechtigung. Ist bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung der andere Ehegatte bezugsberechtigt, bleibt der Versicherungsnehmer ausgleichspflichtig, bei Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigte. Ist z. B. ein Kind bezugsberechtigt, ist der Versicherungsnehmer seinem Ehegatten gegenüber nicht ausgleichspflichtig, auch wenn dem Dritten das Bezugsrecht widerruflich eingeräumt worden ist, da die Versicherung nicht dazu bestimmt war, einen oder beide Ehegatten zu versorgen.

AUSGABE: FK 5/2023, S. 82 · ID: 48418782

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