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MediationTeil 2: Zuhören und verstehen – Kommunikation ohne Missverständnisse

Abo-Inhalt27.03.2023531 Min. LesedauerVon RAin Thurid Neumann, FAin Familienrecht, Mediatorin, CP-Anwältin, Neumann & Neumann, Konstanz

| Gerade im Familienrecht ist es besonders wichtig, auch außerhalb der klassischen Mediation bei einvernehmlichen Lösungen zwischen den Eheleuten mitzuwirken, gerade, wenn das getrennte Paar Kinder hat. Denn sind die Eheleute auch als Paar getrennt, werden sie bis an ihr Lebensende gemeinsam Eltern bleiben. Einigen sich die Eltern, wirkt sich dies auch positiv auf die Elternebene und somit auf die Kinder aus. |

1. Richtig zuhören

Oft scheitert eine Einigung aber schon daran, dass die Beteiligten die Botschaften des jeweils anderen Gesprächspartners „falsch verstehen“. Als Anwalt ist es hilfreich, dies zu erkennen, um die Aussage ggf. entsprechend so „zu übersetzen“, dass sie beim anderen auch „richtig verstanden“ wird. Hierzu sollte man das „Vier-Ohren-Modell“ (von Schulz von Thun) kennen. Das bedeutet:

„Vier-Ohren-Modell“ nach Schulz von Thun

Jede Botschaft, die ich aussende, enthält vier Aussagen:

  • 1. Eine Sachinformation

(darüber informiert der Sprecher)

  • 2. Eine Selbstkundgabe

(das gibt der Sprecher von sich zu erkennen)

  • 3. Einen Beziehungshinweis

(der Sprecher sagt damit, was er vom anderen hält und wie er zu ihm steht)

  • 4. Einen Appell

(der Sprecher sagt, was er vom anderen möchte)

Jede Botschaft, die ich empfange, kann ich entsprechend auf diese vier unterschiedliche Arten verstehen

  • mit dem Sachohr,
  • dem Selbstkundgabeohr,
  • dem Beziehungsohr oder
  • dem Appellohr.

Im Idealfall nimmt der Empfänger die jeweilige Botschaft mit dem entsprechenden Ohr auf.

  • 1. Sachinformation und Sachohr: Die Mitteilung ist klar und verständlich. Der Empfänger muss nun prüfen: Ist sie wahr, relevant und ausreichend?
  • 2. Selbstkundgabe und Selbstkundgabeohr: Der Sprecher teilt – gewollt oder ungewollt – mit seiner Aussage Gefühle, Werte oder Bedürfnisse mit. Der Empfänger nimmt mit dem Selbstkundgabeohr diese Gefühle, Werte und Bedürfnisse wahr und kann darauf entsprechend reagieren.
  • 3. Beziehungshinweis und Beziehungsohr: Durch Tonfall, Mimik und Gestik gibt der Sprecher – gewollt oder ungewollt – mit seiner Aussage gleichzeitig zu verstehen, wie er zum anderen steht. Dieser kann sich dadurch wertgeschätzt und respektiert oder gedemütigt und missachtet fühlen.
  • 4. Appell und Appellohr: Der Sprecher gibt mit seiner Aussage – versteckt oder offen – zu verstehen, was er vom anderen möchte. Dieser kann dann dem Wunsch entsprechen oder ihn ablehnen.

Trifft die Aussage aber auf das „falsche“ Ohr, wird sie „falsch“ verstanden. Eine Einigung ist nicht möglich.

Beispiel

Die Frau sagt: Ich betreue die Kinder die meiste Zeit.

Damit kann sie sagen:

Das könnte er verstehen:

  • 1. Sachinformation: Ich betreue die Kinder die meiste Zeit.
  • 1. Sie betreut die Kinder die meiste Zeit.
  • 2. Selbstkundgabe: Es macht mir Spaß, Zeit mit den Kindern zu verbringen.
  • 2. Sie empfindet es als Belastung, die Kinder die meiste Zeit alleine zu betreuen.
  • 3. Beziehungshinweis: Ich finde es schön, dass du mir es ermöglichst, mit den Kindern so viel Zeit verbringen zu können.
  • 3. Sie kritisiert, dass ich sie bei der Kinderbetreuung nicht mehr unterstütze.
  • 4. Appell: Ich möchte auch weiterhin mit den Kindern die meiste Zeit verbringen.
  • 4. Sie will, dass ich mich in Zukunft bei der Kinderbetreuung mehr einbringe.

Anhand dieses Beispiels wird klar, wie schnell man sich „missverstehen“ kann und warum man sich nicht einigen kann. Merken Sie als Anwalt, dass die Eheleute offensichtlich „aneinander vorbei reden“, können Sie Folgendes tun:

2. Verständnis schaffen

Beispiele

  • „Sie wollen also nur sachlich feststellen, dass …“
  • „Sie wollen also sagen, dass Sie es schön/schlecht finden, dass …“
  • „Sie sagen also, dass Sie es von Ihrem Mann gut/schlecht finden, dass …“
  • „Sie wünschen sich von Ihrem Mann …“
  • 1. Aktiv nachfragen: Fragen Sie beim Sprecher aktiv nach, was er tatsächlich sagen möchte. Vergewissern Sie sich, dass der Empfänger es auch genau so verstanden hat.
  • 2. Fordern Sie die Eheleute auf, klar und sachlich zu formulieren, was sie wirklich wollen.
  • 3. Fordern Sie die Eheleute auf, dabei die Gefühlsebene von der Sachebene zu trennen. Wird beides „vermischt“, wird es keine Lösung geben. Geben Sie den Eheleuten aber die Gelegenheit, auf beiden Ebenen (getrennt) klar und sachlich formulieren zu können, was sie sich wünschen.

AUSGABE: FK 5/2023, S. 85 · ID: 47983851

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