FeedbackAbschluss-Umfrage
CBChefärzteBrief

Digitalisierung„Mit unserem KI-Sprachmodell ermöglichen wir die Epikrise auf Knopfdruck!“

Abo-Inhalt10.12.20243794 Min. Lesedauer

| Im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) unterstützt das KI-Sprachmodell ARGO die Ärzteschaft beim Schreiben von Arztbriefen. Dr. Nils Schweingruber, Facharzt für Neurologie, ist einer der beiden Geschäftsführer der IDM gGmbH (idmedizin.de), der gemeinnützigen UKE-Tochtergesellschaft, die ARGO entwickelte. Ursula Katthöfer (textwiese.com) fragte ihn nach dem Nutzen des KI-Sprachmodells. |

Frage: Herr Dr. Schweingruber, im Fokus des KI-Sprachmodells steht die Epikrise am Ende eines stationären Aufenthalts. Wie lässt sich dieser Abschlussbericht mithilfe von KI formulieren?

Antwort: Unser Sprachmodell ARGO liefert die Epikrise auf Knopfdruck. Im Klinischen Arbeitsplatz-System (KAS) ruft die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt ARGO als Anwendung auf, um den bisherigen Prozess der Informationszusammenstellung aus der Patientenakte zu automatisieren. Konkret geht der Arzt in eine Patientenakte mit Visitennotizen, radiologischem Befund und OP-Berichten und gibt den Befehl „Schreibe eine Epikrise“. ARGO erstellt daraufhin eine Epikrise, die dann in die digitale Arztbriefvorlage übertragen und dort geprüft wird. Möglich ist das, weil die ärztliche Dokumentation im UKE seit 2009 digital ist. Wir konnten ARGO mit einem Datenfundus von sieben Millionen Patienten, die seitdem stationär oder ambulant behandelt worden sind, gezielt mit medizinischem Wissen anlernen. Ursprünglich war ARGO ein vortrainiertes, gängiges Sprachmodell, es hatte kein Verständnis für Medizin. Das haben wir geändert.

Frage: Was muss händisch hinzugefügt oder bearbeitet werden?

Antwort: Jede mit ARGO erstellte Epikrise muss kontrolliert und freigegeben werden. Aber gerade in Kliniken mit umfangreicher Dokumentation funktioniert das KI-Modell bereits sehr gut. Wir gehen davon aus, dass dies Ansporn für alle Kliniken sein wird, die Behandlung der Patienten noch umfassender und detaillierter zu dokumentieren, damit die mit ARGO erstellte Epikrise noch besser wird. Herausforderungen gibt es derzeit noch bei Medienbrüchen, wenn z. B. Daten nur als Scans vorliegen. An diesen Lösungen arbeiten wir aktuell. ARGO berücksichtigt außerdem beim Erstellen der Epikrise den jeweiligen Stil der Kliniken. Die Arztbriefe der Unfallchirurgie haben beispielsweise einen anderen Stil als die in der Pädiatrie oder Psychiatrie. Das kann ARGO, weil wir das Modell mit allen Arztbriefen des UKE trainiert haben.

Frage: Welche technische Ausstattung ist notwendig?

Antwort: ARGO lässt sich nahtlos in den Arztbriefschreibeprozess integrieren, erfordert jedoch spezialisierte Server mit Grafikprozessoren im Rechenzentrum. Diese sind nicht vergleichbar mit herkömmlichen Grafikkarten, die zur Videobeschleunigung verwendet werden, sondern sind speziell für KI-Modelle optimiert. Zusätzlich zur technischen Ausstattung ist eine weitgehend digitale Erfassung der klinischen Dokumentation notwendig. In Zukunft wird auch ein Betrieb in der Cloud möglich sein, sodass die Nutzung unabhängig von lokaler Hardwareinfrastruktur erfolgen kann, wenn gewünscht.

Frage: Lässt sich quantifizieren, wie viel Zeit sich beim Schreiben des Entlassbriefs durch KI einsparen lässt?

Antwort: Ärzte verbringen durchschnittlich zehn Stunden pro Woche mit der Erstellung von Arztbriefen. Wir möchten sie mit ARGO entlasten. Primäres Ziel ist außerdem, die Qualität der Arztbriefe und der Dokumentation zu verbessern. Besonders für junge Assistenzärzte, die oft für die Epikrisen zuständig sind, bietet das Tool eine wertvolle Unterstützung, da die Aufgabe der Arztbriefschreibung zu Beginn der Karriere oft herausfordernd sein kann.

Frage: Was kann ARGO für Ärzte noch leisten, außer Entlassbriefe zu schreiben?

Antwort: Die Unterstützung beim Schreiben der Epikrise ist erst der Anfang. ARGO kann z. B. dabei helfen, das Schreiben einer Epikrise zu standardisieren und damit auch die Dokumentation für weiterbehandelnde Ärzte zu optimieren. Denn bislang ist der Prozess der Arztbriefschreibung an den Kliniken in Deutschland nicht einheitlich. Ziel ist daher, das Modell an verschiedenen Stellen im Krankenhaus einzusetzen.

Frage: Also soll ARGO nicht ausschließlich am UKE bleiben?

Antwort: Die IDM gGmbH verfolgt ein gemeinnütziges Konzept und möchte ARGO bis Ende 2025 in zahlreichen deutschen Kliniken verfügbar machen. Ein entscheidender Vorteil von ARGO ist die lokale Nutzbarkeit ohne Cloud-Zwang, sodass alle Daten im eigenen System verbleiben und die Datensouveränität gewahrt bleibt. Das ist der große Unterschied zu den auf dem Markt verfügbaren, gängigen Sprachmodellen. Diese Daten landen auf den Servern großer, meist internationaler Konzerne.

Frage: Sie konkurrieren also mit großen Playern.

Antwort: Unser Ziel ist es, Wertschöpfung aus klinischen Daten zu generieren – dabei bleibt aber unser gemeinnütziger Ansatz zentral. Die wegen einer notwendigen medizinischen Behandlung erhobenen Daten von Patienten sollten diesen am Ende auch wieder dienen – und zwar datenschutzkonform. Wenn wir es nicht schaffen, solche Technologien für das deutsche Gesundheitswesen zu entwickeln, besteht das Risiko, dass außereuropäische Firmen die Daten- und Technologiehoheit übernehmen.

Herr Dr. Schweingruber, vielen Dank!

AUSGABE: CB 1/2025, S. 4 · ID: 50240608

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Digitalisierung

„Mit unserem KI-Sprachmodell ermöglichen wir die Epikrise auf Knopfdruck!“

CB
Abo-Inhalt
Seite 4
10.12.2024
3794 Min. Lesedauer

Im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) unterstützt das KI-Sprachmodell ARGO die Ärzteschaft beim Schreiben von Arztbriefen. Dr. Nils Schweingruber, Facharzt für Neurologie, ist einer der beiden Geschäftsführer der IDM gGmbH (

Patientenrechte

Nach Urteil der Verfassungsrichter: Prüfen Sie Ihre Dienstanweisungen zur Zwangsbehandlung!

CB
Abo-Inhalt
Seite 6
11.12.2024
4086 Min. Lesedauer

Bestimmte Fälle können bei Menschen unter rechtlicher Betreuung eine Zwangsbehandlung (CB 10/2023, Seite 3 ff.) bzw. eine Zwangsmedikation erfordern. Nach § 1906a Abs. 1 S. 1 Nr. 7 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darf eine ...

Bildrechte