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CBChefärzteBrief

HaftungsrechtDer Aufklärungsbogen ist kein Vollbeweis für eine hinreichende Aufklärung des Patienten

Abo-Inhalt12.12.20243858 Min. LesedauerVon Rechtsanwältin Meike Schmucker, LL.M., Münster, voss-medizinrecht.de

| Neben der Behauptung von Behandlungsfehlern beruhen Arzthaftungsklagen häufig auf dem Vorwurf der Patienten, dass diese vor oder während der Behandlung nicht richtig aufgeklärt worden sein sollen. Abschluss der Aufklärung ist regelmäßig die Unterzeichnung des Aufklärungsbogens durch den Patienten. In diesem Zusammenhang beweist allein ein vom Patienten unterzeichneter Aufklärungsbogen allerdings nicht, dass der Patient ordnungsgemäß aufgeklärt wurde (Oberlandesgericht [OLG] Jena, Urteil vom 07.05.2024, Az. 7 U 741/23). |

OLG Jena verweist den Fall an Vorinstanz zurück

Das OLG Jena hatte sich als Berufungsgericht mit dem Fall eines ehemaligen Bundeswehrsoldaten zu befassen. Das Landgericht (LG) Erfurt hatte dessen Klage auf Schadenersatz in erster Instanz abgewiesen. Hiergegen wendete sich der Kläger mit einer auf die fehlerhafte Aufklärung begrenzte Berufung. Auf dieses Rechtsmittel hob das OLG Jena das erstinstanzliche Urteil auf. Es erkannte einen wesentlichen Verfahrensmangel darin, dass eine ordnungsgemäße Beweisaufnahme zur Aufklärung des Klägers unterblieben war. Das Landgericht Erfurt muss den Fall nun erneut verhandeln, entscheiden und insbesondere die Beweisaufnahme zum Inhalt und Umfang des Aufklärungsgesprächs nachholen.

Warum hatte der Patient geklagt?

Beim Kläger war eine Umstellungsosteotomie aufgrund anhaltender Beschwerden im rechten Fuß und einer Hallux-Valgus Fehlstellung durchgeführt worden. Mehrere Monate nach dem operativen Eingriff wurde ein Rezidiv des Hallux Valgus festgestellt. Zudem hatte der Kläger von einer dauerhaften Schmerzwahrnehmung und Funktionsbeeinträchtigungen berichtet. Aus diesem Grund hatte er auf Schadenersatz in der Folge der operativen Behandlung geklagt. Insbesondere hatte er geltend gemacht, dass er nicht ausreichend über die Erfolgschancen, Risiken und Behandlungsalternativen aufgeklärt worden sei.

Der beklagte Behandler hatte hingegen auf den unterzeichneten Aufklärungsbogen verwiesen, der keine Angaben zu den Erfolgsaussichten und Behandlungsalternativen des Eingriffs und lediglich einen Hinweis auf ein mögliches Rezidiv enthielt. Schriftliche Inhalte zum erhöhten Rezidivrisiko bei Vorliegen einer ausgeprägten Fehlstellung gab es nicht.

Das LG Erfurt hatte die Indizwirkung des unterzeichneten Aufklärungsbogens für eine ordnungsgemäße Aufklärung ausreichen lassen und die Klage abgewiesen.

Darum verwies das OLG den Fall an die Vorinstanz zurück

Das OLG Jena stellte fest, dass die Anforderungen an den klägerischen Vortrag zur Aufklärungsrüge nicht überspannt werden dürfen: Sofern ein Aufklärungsbogen keine Informationen zu den Erfolgsaussichten sowie Behandlungsalternativen eines Eingriffs enthalte, müsse der Kläger hierzu keine substanziierten Angaben machen.

Zugleich sei die Vorlage eines vom Patienten unterzeichneten Aufklärungsbogens oder Einwilligungsformulars allein – sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht – lediglich ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs. Die Unterschrift erbringe jedoch nicht den erforderlichen Vollbeweis, dass der Patient korrekt aufgeklärt worden sei. Denn der Arzt erfülle seine Aufklärungspflicht nicht dadurch, dass der Patient einen Einwilligungsbogen unterzeichnet oder auf diesem Wege lediglich bestätigt, einen Aufklärungsbogen im Zeitpunkt der Unterschrift in den Händen gehalten zu haben.

Wichtig | Klagt ein Patient wegen eines Fehlers bei der Selbstbestimmungsaufklärung (§ 630e BGB), so muss der behandelnde Arzt darlegen und beweisen, dass die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt ist.

Das Landgericht Erfurt war fehlerhaft davon ausgegangen, dass es keine Behandlungsalternativen gab und hatte die Beweiserhebung zu konservativen Behandlungsmethoden bei einer unter Umständen lediglich relativ indizierten Hallux-Valgus-Operation unterlassen. Es wäre für die Feststellung, ob der behandelnde Arzt den Kläger ordnungsgemäß aufgeklärt hatte, jedoch eine umfassende Beweisaufnahme erforderlich gewesen:

  • Anhörung des Sachverständigen zu Behandlungsalternativen und einem klägerseits behaupteten erhöhten Rezidivrisikos
  • eine Zeugenvernehmung des aufklärenden Arztes
  • informatorische Anhörung des Klägers zum Inhalt des Aufklärungsgesprächs und ggf. zur hypothetischen Einwilligung

Handlungsempfehlungen für betroffene (Chef-)Ärzte

Die Ausführungen des OLG Jena zur Beweisführung bzw. -last in einem Arzthaftungsprozess sind für den Krankenhausalltag relevant: Ein handschriftlich ausgefülltes und von Arzt und Patient unterzeichnetes Aufklärungsformular ist lediglich ein Indiz dafür, dass das Aufklärungsgespräch, wie dokumentiert, stattgefunden hat. Es beweist jedoch nicht, dass die Aufklärung auch ordnungsgemäß war, da hierfür nicht das schriftliche Dokument, sondern das mündliche Gespräch zwischen Arzt und Patient maßgeblich ist.

Praxistipp | Um sich an die Inhalte dieses Gesprächs im Bedarfsfall erinnern zu können, insbesondere sofern es Behandlungsalternativen im individuellen Fall betrifft, ist eine besonders sorgfältige (ergänzende) Dokumentation empfehlenswert. Anhand der eigenen Aufzeichnungen können Ärzte, die von einem Haftungsprozess betroffen sind, die Inhalte des Aufklärungsgesprächs rekapitulieren und sich im Rahmen der Zeugenvernehmung entlasten (vgl. CB 09/2022, Seite 10).

AUSGABE: CB 1/2025, S. 14 · ID: 50244667

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