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MD-PrüfungenKein Abrechnungsverbot nach „Informationsschreiben“ – nutzen Sie diese Rechtsmittel!
| Wenn ein Krankenhaus im Rahmen einer Qualitätskontroll-(QK-)Prüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) nach einem negativen Kontrollbericht von der beauftragenden Stelle ein „Informationsschreiben“ erhält, ist dies noch kein automatisches Abrechnungsverbot. Denn das „Informationsschreiben“ ist als Verwaltungsakt zu werten (Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, einstweiliger Rechtsschutz, Beschluss vom 30.10.2024, Az. L 4 KR 419/24 BER). Gute Nachrichten also für Krankenhäuser, denn Verwaltungsakte sind mit Rechtsmitteln angreifbar. |
Gegen Verwaltungsakte können Sie sich wehren!
Wenn eine Klinik nach einer MD-Prüfung mit negativem Kontrollbericht von der beauftragenden Stelle ein „Informationsschreiben“ erhält, kann sie dagegen Widerspruch einlegen. Da es sich um einen Verwaltungsakt handelt, hat ein solcher Widerspruch aufschiebende Wirkung (CB 07/2023, Seite 2 ff.). D. h.: Legt die Klinik gegen das „Informationsschreiben“ Widerspruch ein, ist das wegen des negativen Kontrollberichts verhängte Behandlungs- und Abrechnungsverbot ausgesetzt. Die Klinik kann alle Patienten, die sie im Rahmen der Qualitätssicherungsrichtlinie nach § 137 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V behandelt, trotz gegenteiliger Auskünfte der beauftragenden Stelle weiter versorgen und die erbrachten Leistungen abrechnen.
Was war der Hintergrund der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen?
In der jüngsten Vergangenheit haben die MD bundesweit geprüft, ob Krankenhäuser die Mindestvoraussetzungen der Qualitätssicherungsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nach § 137 Abs. 1 SGB V erfüllen. Dies hat zu einer erheblichen Anzahl an negativen Kontrollberichten durch den örtlich zuständigen MD geführt. Dies betraf nach den Erkenntnissen aus unserer Beratungstätigkeit insbesondere folgende Richtlinien:
Vorwiegend von den MD-Prüfungen betroffene Richtlinien |
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Aufgrund des negativen Kontrollberichts haben die beauftragenden Stellen dem geprüften Krankenhaus gegenüber regelhaft ein Leistungserbringungsverbot sowie den Wegfall der Vergütung mitgeteilt. Diese Schreiben der beauftragenden Stelle wurden zwar als „Informationsschreiben“ tituliert. Sie hatten jedoch unmittelbare Rechtsfolgen für die angeschriebenen Krankenhäuser, da diesen eine stationäre Versorgung ihrer Patienten mit den betreffenden Leistungen damit untersagt wurde.
Im o. g. Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen hatte das vom Verfasser vertretene Krankenhaus gegen ein „Informationsschreiben“ Widerspruch eingelegt. Die Klinik war der Auffassung, bei diesem Schreiben handle es sich um einen Verwaltungsakt. Die beauftragende Stelle hatte den Widerspruch zurückgewiesen. Begründung: Das „Informationsschreiben“ sei kein rechtsmittelfähiger Bescheid. Damit könne der Widerspruch des Krankenhauses nicht durchgreifen.
Dieses Antwortschreiben der beauftragenden Stelle wertete das Krankenhaus als Widerspruchsbescheid und ging im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zunächst vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück hiergegen vor. Das SG sollte feststellen, dass der vom Krankenhaus eingelegte Widerspruch aufschiebende Wirkung hat.
SG Osnabrück sieht in dem „Informationsschreiben“ einen Verwaltungsakt ...
Das SG Osnabrück half dem Begehren des Krankenhauses ab. Es stufte das „Informationsschreiben“ der beauftragenden Stelle als Verwaltungsakt ein (Beschluss vom 18.09.2024, Az. S 3 KR 166/24 ER).
Das Schreiben der beauftragenden Stelle sei eine hoheitliche Maßnahme im Sinne des § 31 SGB X. Es erfülle sämtliche formalen und inhaltlichen Voraussetzungen, da die dort enthaltenen Anordnungen als belastende Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls anzusehen waren. Erst durch das Schreiben der beauftragenden Stelle komme es zur Umsetzung der in der Richtlinie nur abstrakt formulierten Rechtsfolge.
Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes müsse daher auch ein Vorgehen gegen die Anordnung des Vergütungswegfalls und des Leistungserbringungsverbotes gegeben sein. Wenn allein schon Rechtsschutz in jeder Einzelfallprüfung besteht, müsse dies erst recht im Wege der in Rede stehenden QK-Prüfung durch den MD gewährleistet werden. Denn in der MD-QK-Prüfung gehe es um eine Vielzahl von Behandlungsfällen und damit um ein umfassendes Leistungserbringungsverbot mit Vergütungswegfall.
... und wird vom LSG Niedersachsen-Bremen bestätigt!
Gegen die Entscheidung des SG Osnabrück legte die beauftragende Stelle Beschwerde beim LSG Niedersachsen-Bremen ein. Der 4. Senat des LSG bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Er schloss sich diesbezüglich uneingeschränkt der Ansicht des SG Osnabrück an und sah das „Informationsschreiben“ der beauftragenden Stelle als eine hoheitliche Maßnahme im Sinne des § 31 SGB X an.
Der 16. Senat war gleicher Auffassung Merke | Nach der gleichen Rechtsauffassung urteilte der 16. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen in einem Parallelverfahren (Az. L 16 KR 425/24 B ER). |
Das sollten betroffene Krankenhäuser tun
Aus den o. g. Entscheidungen lassen sich folgende Handlungsempfehlungen für betroffene Krankenhäuser ableiten:
1. Legen Sie gegen das „Informationsschreiben“ Widerspruch ein!
Wenn Sie nach einer MD-Prüfung zur Einhaltung der G-BA-Qualitätssicherungs-Richtlinien gemäß § 137 Abs. 1 SGB V von der beauftragenden Stelle vergleichbare „Informationsschreiben“ erhalten haben, die auf
- ein Leistungserbringungs- und Abrechnungsverbot oder
- die Rechtsfolgen der einschlägigen G-BA-Richtlinie hinweisen,
legen Sie dagegen zwingend Widerspruch ein. Andernfalls wird der Bescheid der beauftragenden Stelle bestandskräftig und Sie können nichts mehr dagegen tun.
Ohne Rechtsbehelfsbelehrung haben Sie ein Jahr Zeit, zu widersprechen Praxistipp | Da die „Informationsschreiben“ der beauftragenden Stelle – nach unserem Kenntnisstand – keine Rechtsbehelfsbelehrungen enthalten haben, gilt hier eine Frist von einem Jahr nach Zustellung des Bescheides, um fristgerecht Widerspruch hiergegen einlegen zu können. |
2. Leiten Sie ein Eilrechtsschutzverfahren ein!
Wie üblich dürfte die beauftragende Stelle nach Einlegung des Widerspruchs darauf hinweisen, dass das „Informationsschreiben“ keinen Verwaltungsakt darstellt. Strengen Sie in diesem Fall – wie in dem o. g. Verfahren praktiziert – hiergegen den Eilrechtsschutz an. Dadurch können Sie die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs feststellen lassen.
3.Einleitung des Hauptsacheverfahrens
Beantragen Sie nach Abschluss des Eilrechtsschutzverfahrens im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens, dass der von der beauftragenden Stelle erlassene Verwaltungsakt aufzuheben ist. Dadurch werden die sich hieraus ergebenden negativen Rechtswirkungen für Ihr Haus beseitigt.
- Verstoß gegen G-BA-Qualitätsvorgaben führt nicht automatisch zum Wegfall der Vergütung (CB 07/2024, Seite 10 ff.)
- Bei MD-Prüfung zur Qualitätssicherungsrichtlinie Bauchaortenaneurysma durchgefallen – und jetzt? (CB 07/2023, Seite 2 ff.)
AUSGABE: CB 1/2025, S. 8 · ID: 50259355