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Personal„Vertretungseinsätze können für Kliniken ökonomischer als Festanstellungen sein!“
| Die doctari group hat sich auf Zeitarbeit in der Medizin spezialisiert. Das seit 2008 tätige Unternehmen setzt gemeinsam mit seinem Partnerunternehmen lichtfeld pro Jahr etwa 5.200 Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern, Kliniken, Reha-Kliniken, MVZ und Großpraxen ein. Prof. Dr. Cai-Nicolas Ziegler ist CEO der doctari group. Ursula Katthöfer (textwiese.com) sprach mit ihm (Videoaufzeichnung online unter iww.de/s10493). |
Frage: Herr Professor Ziegler, wer sind die Ärzte, die sich bei einer Zeitarbeitsfirma zur Arbeitnehmerüberlassung anstellen lassen?
Antwort: Das ist sehr unterschiedlich. Sieben von zehn, die mit uns arbeiten, sind fest an einer Klinik angestellt und machen mal eine Schicht am Wochenende als Zubrot. Drei von zehn wünschen Flexibilität, weil sie sich entweder auf ihre Facharztprüfung oder ihre Niederlassung vorbereiten oder weil es zu ihrem Lebensmodell gehört. Alle sind hoch qualifiziert.
Frage: Wie prüfen Sie die Qualifikation?
Antwort: Für uns sind Fachleute vom dritten Jahr der Facharztausbildung bis zum Chefarzt im Einsatz. Sie sind handkuratiert. Wir prüfen die Unterlagen gründlich nach Ausrichtung sowie Zusatzqualifikationen. Zusätzlich fragen wir in umfangreichen Gesprächen nach speziellen Fähigkeiten, wie lange jemand z. B. im OP oder bestimmten Abteilungen gearbeitet hat. Diese Selbstauskunft können wir später im Dialog mit dem Kunden nutzen. Es dauert, bevor jemand „ready for assignment“ ist. Am gefragtesten sind die Fachgruppen Innere Medizin, Anästhesie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Psychotherapeuten und Psychiater sowie Orthopädie und Unfallchirurgie – in dieser Reihenfolge.
Frage: Wie gestaltet sich Ihr Service?
Antwort: Da wir am Markt mit Abstand den größten Pool haben, können wir in der Regel die richtige Fachlichkeit liefern. Im Dialog mit dem Kunden schlagen wir drei Profile mit den geforderten Qualifikationen vor. Wird z. B. ein Anästhesist mit der Qualifikation Schmerztherapie gesucht, schauen wir anhand der Unterlagen und der Selbstauskunft, wer gut passt. Für den Matching-Prozess hat jede Klinik bei uns einen festen Ansprechpartner. Meist sind wir mit der Personalabteilung im Dialog, manchmal auch direkt mit der Geschäftsführung oder dem Chefarzt bzw. der Chefärztin. Es ist recht gängig, dass letztere die Entscheidung treffen.
Frage: Wie komplex ist eine Arbeitnehmerüberlassung?
Antwort: Es gibt viele rechtliche Stolpersteine. Das Dreiecksverhältnis aus einem Verleiher wie uns, einem Entleiher wie der Klinik und einem Zeitarbeitnehmer wird vertraglich zementiert. Wir schließen mit dem Arzt oder der Ärztin einen Arbeitsvertrag mit allen Einzelheiten. Allerdings ist er nur zeitlich befristet. 50 Prozent unserer Einsätze dauern nur einen oder zwei Tage. Mit der Klinik schließen wir einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, zu dem auch Equal Payment und Equal Treatment gehören. Es muss also nachgewiesen werden, dass der Zeitarbeitnehmer nicht schlechter gestellt wird als jemand im Klinikum. Es gibt weitere Anlagen. Außerdem brauchen wir häufig noch eine Unterkunft, denn es ist die Ausnahme, dass jemand in der Klinik ums Eck eingesetzt wird. Auch um diese kümmern wir uns.
Frage: Wie schnell können Sie offene Stellen besetzen?
Antwort: Startet eine zu besetzende Schicht in 72 Stunden oder weniger, schaffen wir es in 90 Prozent der Fälle, diese Lücke zu schließen – deutschlandweit. Und zwar so, dass die Person die Schicht antritt. Unser Rekord liegt bei 35 Minuten, in denen ein Arzt gefunden wurde und alle Vertragsunterlagen unterschrieben wurden. Dieses Tempo hängt damit zusammen, dass wir 70.000 Profile und 500 Mitarbeitende haben, die sich um den Service kümmern.
Frage: Sie werben damit, dass Vertretungsärzte bei doctari ein übertarifliches Gehalt von bis zu 120 Euro pro Stunde erhalten, plus Urlaubsanspruch, plus ggf. Unterkunftspauschalen. Ist das für Ihre Kunden noch wirtschaftlich?
Antwort: 120 Euro sind am oberen Ende angesiedelt. Doch ja, es lohnt sich aus mehreren Gründen. Die Einsätze dauern aktuell im Schnitt 6,3 Tage. Es sind also wirklich Vertretungseinsätze für den Notfall. Hat eine Klinik vier Anästhesisten, braucht sie vielleicht den fünften eigentlich nicht wirklich. Doch wenn im Sommer oder zu Weihnachten viele in den Urlaub gehen, kann der Fünfte über uns punktuell beschäftigt werden. Das ist ökonomischer als jemanden das ganze Jahr über fest anzustellen. Wir haben neuerdings ein kleines Team aufgebaut, das die Kliniken strategisch berät und die Erlösstrukturen durchrechnet. Auch lohnen sich Vertretungseinsätze in akuten Situationen, in denen z. B. Operationen geplant wurden, aber der Anästhesist fehlt. Fallen die Operationen aus, ist das übrige Team trotzdem auf der Payroll, es gibt aber keine Umsätze. Dann erwirtschaftet die Vertretung, die etwas teurer als jemand mit Festanstellung ist, den Erlös – nämlich dadurch, dass das OP-Team wieder komplett ist und die Eingriffe durchgeführt werden können.
Frage: Beim Recruiting der Ärzte für die Arbeitnehmerüberlassung konkurrieren Zeitarbeitsfirmen mit ihren Kunden. Die Kritik daran: Zeitarbeitsfirmen schnappen gute Köpfe weg, um sie dann teuer zu vermitteln. Was entgegnen Sie?
Antwort: Das Argument ist nicht stichhaltig. In der Zeitarbeit zu arbeiten, ist ein anderes Lebensmodell: Ich habe keine feste Abteilung, schlafe auswärts, lebe nicht sehr familienfreundlich. Nur 1,4 Prozent der gesamten Ärzteschaft in Deutschland wählen das Zeitarbeitsmodell, diese Zahl ist sehr stabil. Es bleibt eine Ausnahme für diejenigen, die z. B. mal drei Monate rauswollen, um eine Weltreise zu machen. Sie wollen bei uns nur für die Zeit ihres Einsatzes angestellt werden, und seien es nur sieben Tage.
Herr Prof. Dr. Ziegler, vielen Dank für das Gespräch! L
AUSGABE: CB 4/2024, S. 4 · ID: 49953756