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RechnungsstellungIst die GOÄ auch im Falle einer Privatklinik anzuwenden?
| Betreiber von Privatkliniken müssen sich bei der Rechnungsstellung nicht zwingend an den Vorschriften der GOÄ orientieren. Das Landgericht (LG) Duisburg wies daher die Rückzahlungsklage einer Patientin ab (Urteil vom 15.12.2022, Az. 12 O 190/21). Inzwischen sind weitere Urteile ergangen, die die Rechtsauffassung des LG Duisburg teilen. Dieser Beitrag fasst die Entscheidungen zusammen. |
Wichtig | Inzwischen hat der Bundesgerichtshof die o. g. Rechtsprechung aufgehoben und klargestellt, dass die GOÄ auch für juristische Personen wie z. B. Privatkliniken anzuwenden ist (CB 06/2024, Seite 5 ff.)
Patientin fordert rund 6.000 Euro Honorar zurück – und scheitert vor dem LG Duisburg!
Eine Patientin, die unter einer krankhaften Fettverteilungsstörung litt, klagte gegen eine Privatklinik. Sie begehrte die Rückzahlung der Vergütung in Höhe von 5.995 Euro für eine Dekompression von Lipödemen an Armen und Bei- nen. Die Operation war am 20.11.2020 im Hause der beklagten Privatklinik ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Beklagte nimmt als Betreiberin einer Privatklinik nach § 30 Gewerbeordnung (GewO) an der ambulanten Versorgung teil. Der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Behandlungsvertrag sah u. a. folgende Regelungen vor:
Auszug aus dem Behandlungsvertrag |
„Für die Operationen und die postoperative Betreuung der Patienten in unserer Klinik (eine Übernachtung, pflegerische Betreuung, Speisenversorgung) werden folgende im Patientengespräch (…) besprochene Beträge je Operation vereinbart: (…) Bei der Bemessung der vorstehenden Vergütung erfolgt keine Anlehnung oder entsprechende Anwendung der Gebührenordnung für Ärzte, denn die relevanten Abrechnungsziffern sind seit dem Jahr 1982 unverändert in der Gebührenordnung für Ärzte enthalten. (…) Als Privatkrankenanstalt in der Rechtsform einer GmbH ist die H. GmbH nach unserer Rechtsauffassung nicht an die Gebührenordnung für Ärzte oder an andere Vergütungsregelungen aus dem Krankenhausrecht gebunden (vgl. BSG, 11.09 2012, B 1 KR 3/12 R). Insofern wird in den Rechnungen der vereinbarte Pauschalbetrag ausgewiesen und es erfolgt in den Rechnungen keine Aufschlüsselung von GOÄ-Positionen oder Positionen aus anderen Vergütungsregelungen. Wir weisen allerdings darauf hin, dass auch die Rechtsauffassung vertreten wird, dass Privatkrankenanstalten in der Rechtsform einer GmbH an die Gebührenordnung gebunden seien.“ |
Die beklagte Klinik stellte der Patientin am 17.12.2020 die im Rahmen der Operation entstandenen Kosten in Rechnung. Die Patientin beglich zunächst den Rechnungsbetrag. Dann aber hatte forderte sie am 25.01.2021 die Privatklinik unter Fristsetzung schriftlich auf, die für die Behandlung geleisteten Beträge zurückzuzahlen. Ihre Rückforderung begründete sie damit, dass die Operation nach der GOÄ hätte abgerechnet werden müssen. Da dies nicht erfolgt sei, habe sie einen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Betrages. Die Privatklinik verweigerte die Rückzahlung, weshalb die Patientin vor das LG Duisburg zog – und den Prozess verlor.
So begründete das LG Duisburg seine Entscheidung
Das Gericht befand, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rückzahlung der auf Grundlage des Behandlungsvertrags geleisteten 5.995 Euro habe.
Die GOÄ ist auf den geschlossenen Behandlungsvertrag nicht anwendbar
Nach Auffassung des Gerichts war die vertragliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und der beklagten Klinik, auf deren Grundlage die Klinik die Rechnung auch erstellt hatte, nicht zu beanstanden. So sei schon nicht der Anwendungsbereich der GOÄ eröffnet. Vertragspartner der Klägerin sei ausweislich des Behandlungsvertrags kein Arzt, sondern vielmehr die beklagte GmbH als Betreiberin der Privatklinik. In Fällen des Vertragsschlusses mit einer juristischen Person des Privatrechts müsse die GOÄ nicht angewendet werden (vgl. Spickhoff/Spickhoff, 3. Aufl. 2018, GOÄ § 1 Rn. 7). Zudem lägen auch keine Gründe vor, aus denen ausnahmsweise von einer zwingenden Rechnungsstellung auf Grundlage der GOÄ auszugehen sei. Eine solche Ausnahme ergebe sich auch nicht aus den Bestimmungen des Krankenhausentgeltgesetzes.
Der beklagten Privatklinik ist weder Wucher ...
Eine Unwirksamkeit der Honorarabrede ergebe sich im vorliegenden Fall auch nicht aus § 138 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB; Wucher). Die Klägerin hatte auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts (OLG) Köln verwiesen. Nach Auffassung des OLG seien die Leistungen der beklagten Klinik im Fall der Anwendbarkeit der GOÄ mit lediglich 1.100–1.800 Euro abzurechnen. Trotzdem seien die Voraussetzungen des Wuchers nicht erfüllt. Maßgeblich sei im vorliegenden Fall der Vergleich der Abrechnungspraxis der beklagten Privatklinik mit der Abrechnungspraxis anderer Privatkliniken, die ebenfalls nicht an die GOÄ gebunden seien (vgl. BGH, NJW 2003, 1596).
... noch mangelnde Preistransparenz vorzuwerfen!
Auch sei der Beklagten bei den vertraglichen Vereinbarungen keine mangelnde Transparenz hinsichtlich ihrer Preisgestaltung vorzuwerfen. Denn sie habe die Klägerin im Vertrag nicht nur ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie nicht nach der GOÄ abrechne, sondern sogar darauf, dass teilweise Ansichten vertreten würden, nach denen auch Privatkliniken nach der GOÄ abrechnen müssten. Eine höhere Transparenz sei von der Beklagten nicht zu verlangen.
Weitere Gerichte teilen die Rechtsauffassung des LG Duisburg
Die vom LG Duisburg vertretene Rechtsauffassung wird vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main und vom OLG Düsseldorf geteilt. In den beiden folgenden Entscheidungen ging es jeweils um die Frage, ob auch eine GmbH verpflichtet ist, die GOÄ als Abrechnungsgrundlage zu nutzen.
OLG Frankfurt/Main: Die GOÄ gilt nicht verbindlich im Verhältnis des Patienten zu einer Kapitalgesellschaft
Ein Unternehmen, das über eine Internetplattform ärztliche Behandlungsleistungen durch kooperierende Ärzte vertreibt, ist nicht an die GOÄ gebunden (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 26.09.2023, Az. 6 W 69/23). Das Gericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, nach der die GOÄ nicht verbindlich im Verhältnis des Patienten zu einer Kapitalgesellschaft als Leistungserbringer und Behandler i. S. d. § 630a Abs. 1 BGB stehe. [1]
Dies habe zur Folge, dass auch eine Ärzte-GmbH oder eine MVZ-GmbH – anders als ein Arzt – nicht verpflichtet seien, ihre Leistungen an Selbstzahler nach GOÄ abzurechnen.
OLG Düsseldorf: GOÄ wird nicht angewendet, wenn die behandelnden Ärzte Gesellschafter der GmbH sind, die Vertragspartner des Patienten ist
Auch das OLG Düsseldorf nahm in seiner Entscheidung an, dass die GOÄ keine Anwendung finde, wenn Ärzte, die Gesellschafter einer GmbH seien, die Behandlung durchführen würden, soweit der Vertragspartner des Patienten die juristische Person sei (Urteil vom 27.04.2023, Az. I-8 U 140/21). [2]
Eine medizinische Behandlung falle aus dem Anwendungsbereich der GOÄ heraus, wenn es sich um ein „Leistungspaket“ vergleichbar mit einem totalen Krankenhausvertrag handle. Seien nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht nur ärztliche Leistungen, sondern zusätzlich auch alle anderen medizinisch erforderlichen Leistungen der Privatklinik, wie etwa eine nicht ärztliche pflegerische Betreuung, eine Unterbringung für eine Nacht und eine Verpflegung geschuldet, wirke der behandelnde Arzt an der Erfüllung dieser Verpflichtungen der Klinik für diese mit und sei dieser gegenüber verpflichtet. In diesem Fall sei der behandelnde Arzt dem Patienten weder zur Erbringung der ärztlichen Leistungen im eigenen Namen verpflichtet noch berechtigt, ihm seine Leistung in Rechnung zu stellen.
Cave! Kein Missverhältnis zwischen ärztlicher Leistung und Vergütung! Fazit | Die o. g. Urteile machen deutlich, dass die GOÄ im Falle einer Privatklinik nicht zwingend anwendbar ist. Wird diese von einer juristischen Person des Privatrechts betrieben, kann die Rechnungsstellung von den Vorschriften der GOÄ abweichen. Völlig losgelöst von den Vorschriften der GOÄ sollte die Rechnungsstellung dennoch nicht erfolgen. Ist dies der Fall, muss sich die vereinbarte Honorarabrede zumindest in den Grenzen des § 138 Abs. 2 BGB bewegen. Zwischen der ärztlichen Leistung und der vereinbarten Vergütung darf kein auffälliges Missverhältnis vorliegen. |
- [1] vgl. u. a. Prütting/Hübner, § 1 GOÄ Rn. 7; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 1 GOÄ Rn. 6; Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Auflage 2019, Rn. 4).[1, 2] Juristische Fachliteratur
- [2] vgl. Miebach in Uleer/Miebach/Patt, Abrechnungen von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Aufl. 2006, § 1 GOÄ Rn. 6,7; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 1 GOÄ Rn. 6)
AUSGABE: CB 4/2024, S. 18 · ID: 49862435