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ArzthaftungWie viel Haftungsverantwortung tragen Konsiliarärzte?
| Insbesondere kleinere Krankenhäuser verfügen oft nicht in jeder Fachdisziplin über klinikeigenes Personal und müssen zur Erfüllung ihres Versorgungsauftrags dementsprechend regelmäßig auf die Expertise klinikexterner Fachärzte als Konsiliarärzte zurückgreifen. Dabei stellt sich regelmäßig die Frage, wer für Fehler des Konsiliararztes haftet. Für Chefärztinnen und Chefärzte ist diese Frage von doppelter Bedeutung: Zum einen können sie sich bei Fehlern von Konsiliarärzten, die sie hinzuziehen, zumindest dem Vorwurf eines Organisationsverschuldens aussetzen (vgl. CB 05/2014, Seite 13), zum anderen können sie selbst von anderen Häusern konsiliarisch hinzugezogen werden. |
Honorar- oder Konsiliararzt? Es gilt der „gelebte Vertrag“!
Es ist zunächst klar abzugrenzen, ob der hinzugezogene Arzt honorar- oder aber konsiliarärztlich tätig ist. In der Praxis ist den Beteiligten der Unterschied häufig nicht klar. Hinter so mancher als „Konsiliarvertrag“ betitelten Vereinbarung verbirgt sich tatsächlich ein Honorararztmodell. Da ein Gericht nicht auf die Bezeichnung, sondern den gelebten Inhalt schaut, kann es im Streitfall zu einem bösen Erwachen kommen. Sollten Sie einen „Konsiliararztvertrag“ haben, so lohnt sich ggf. eine inhaltliche Prüfung.
Es gibt weder eine Legaldefinition noch eine eigene gesetzliche Haftungsregelung für die besondere Konstellation des Konsils. Die Rechtsprechung definiert den Konsiliararzt als Arzt, der in einem konkreten Behandlungsfall während eines stationären Aufenthalts vom behandelnden Klinikarzt zur Untersuchung hinzugezogen wird. Anders als der Honorararzt wird er aber dabei nur rein diagnostisch tätig und unterbreitet dem behandelnden Arzt lediglich Behandlungsvorschläge (zur Abgrenzung Honorar- und Konsiliararzt vgl. auch CB 02/2020, Seite 11 f.).
Rechtsprechungsdefinition in Tätig- keitsbeschreibung aufnehmen! Praxistipp | Es ist nicht nur zur Vermeidung von Haftungsabgrenzungsschwierigkeiten, sondern auch wegen möglicher sozialversicherungsrelevanter Implikationen ratsam, in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Konsiliararzt und der Klinik genau diese Rechtsprechungsdefinition in der Beschreibung des Tätigkeitsbereichs aufzunehmen und in der Praxis auch so umzusetzen. |
Vertragliche und deliktische Haftung
Bei der Haftung des Konsiliararztes gegenüber dem Patienten unterscheidet man zwischen vertraglicher und sog. deliktischer Haftung. Für die vertragliche Haftung gilt nach wie vor der von der Rechtsprechung langjährig ins Feld geführte Merksatz: „Wer liquidiert, der haftet.“
- Rechnet der Konsiliararzt also selbst gegenüber dem Patienten ab, so muss er seine ärztliche Leistung persönlich nach den vertraglichen Haftungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verantworten und wird nicht nur als Erfüllungsgehilfe der Klinik gegenüber dem Patienten tätig.
- Rechnet allein die Klinik ab, so kann sich der betroffene Patient entsprechend bei der Klinik schadlos halten. Etwaige Fehler des Konsiliararztes werden der Klinik in diesem Fall zugerechnet. Eine persönliche Haftung des nicht liquidierenden Konsiliararztes kommt dann neben der Klinik zwar noch aus Delikt in Betracht (§ 823 ff. BGB).
Tatsächlich wird in jüngster Zeit in entsprechend gelagerten Fällen aber häufig nur jeweils die Klinik aus vertraglicher Haftung und nicht noch zusätzlich der Konsiliararzt aus Delikt verurteilt. Das Haftungsrisiko des Konsiliararztes senkt sich also, wenn mit der Klinik eine Vereinbarung getroffen wird, nach der seine Konsiliarleistungen von der Klinik und nicht vom Patienten unmittelbar vergütet werden.
Praxistipp | Da im Verhältnis zwischen Arzt und Klinik keine Bindung an die GOÄ vorliegt, kann die Vergütung durch die Klinik innerhalb des korruptionsrechtlich unbedenklichen Korridors grundsätzlich frei verhandelt werden. Das erhöhte Haftungsrisiko aufseiten der Klinik bei einer Gestaltung ohne Liquidationsrecht des Konsiliararztes dürften die meisten Kliniken also wohl in Kauf nehmen, wenn sie gegenüber dem Patienten mehr abrechnen können, als sie dem Konsiliararzt aufgrund der Konsiliararztvereinbarung zahlen müssen. |
BGH-Rechtsprechung zur Haftung des Konsiliararztes
Der Konsiliararzt übernimmt wie oben dargelegt nicht selbst die Behandlung des Patienten, sondern wird im Einzelfall vom behandelnden Klinikarzt zur Untersuchung und Diagnosestellung hinzugezogen. Der Konsiliararzt ist in diesem Rahmen verpflichtet, Handlungsanweisungen oder Empfehlungen an den behandelnden Klinikarzt weiterzugeben. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) einen konsiliarisch tätigen Neurologen zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt, der bei einem Schlaganfallpatienten versäumt hatte, dem überweisenden Arzt weitere erforderliche diagnostische Maßnahmen und die Verlegung des Patienten in eine Neuroklinik zu empfehlen (BGH, Urteil vom 21.04.2014, Az. VI ZR 78/14).
Soweit vertraglich und tatsächlich sichergestellt ist, dass der jeweilige Arzt als reiner Konsiliar- und nicht als Honorararzt tätig wird, beschränken sich seine Pflichten im Verhältnis zu dem überweisenden Arzt im Übrigen aber deutlich. Der BGH hat mit Urteil vom 27.07.2021 (Az. VI ZR 1320/20) nochmals aktuell klargestellt, dass ein Konsiliararzt sich darauf verlassen darf, dass der überweisende Arzt den konsiliarischen Empfehlungen folgt und die erforderlichen Maßnahmen ergreift. Der Konsiliararzt muss im Regelfall keine Rückfragen stellen, da ihn nur in Ausnahmefällen eine Überwachungspflicht trifft (z. B. wenn vertraglich zwischen Klinik und Konsiliar ein entsprechender Kontrollmechanismus vereinbart ist).
- Der Einsatz von Honorarärzten im Krankenhaus (CB 02/2020, Seite 11)
- BGH: Krankenhausträger haftet auch für Fehler des Konsiliararztes (CB 05/2014, Seite 13)
AUSGABE: CB 2/2023, S. 8 · ID: 48978955