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CBChefärzteBrief

ArbeitsrechtBischöfe beschließen neue Grundordnung – Folgen für Beschäftigte in katholischen Krankenhäusern

Abo-Inhalt18.01.20232049 Min. LesedauerVon RA, FA MedR, ArbR und HGR, Benedikt Büchling, Kanzlei am Ärztehaus, Hagen

| Am 22.11.2022 hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) für die Katholische Kirche in Deutschland eine „Neufassung des kirchlichen Arbeitsrechts“ in Form der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ beschlossen. Diese löst die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse in der Fassung vom 27.04.2015 (GrO a. F.) ab. Sie soll u. a. klarstellen, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung – insbesondere das Beziehungsleben und die Intimsphäre der Arbeitnehmer – keinen rechtlichen Bewertungen unterliegt und insoweit dem Zugriff des kirchlichen Arbeitgebers entzogen ist. Der Beschluss ist für alle Angestellten in Krankenhäusern unter katholischer Trägerschaft relevant. |

Bisherige Grundordnung und Arbeitsverhältnis

Die GrO a. F. (online unter iww.de/s7480) forderte von den Angestellten u. a. eine Ausrichtung des Privatlebens an der katholischen Sittenlehre.

GrO (a. F.), Artikel 4 Loyalitätsobliegenheiten (Auszug)

„(1) Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Im pastoralen und katechetischen Dienst sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre erforderlich; dies gilt in der Regel auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im erzieherischen Dienst.“

Die Dienstverträge der Angestellten verweisen i. d. R. auf die erlassene GrO des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse.

Danach konnten kirchliche Dienstgeber pastorale, katechetische sowie i. d. R. erzieherische und leitende Aufgaben nur einer Person übertragen, die der katholischen Kirche angehört. Der kirchliche Arbeitgeber forderte von den katholischen Mitarbeitern, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten.

Nach Art. 5 Abs. 2 GrO a. F. handelte es sich beim Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe um einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung rechtfertigen konnte. Die Weiterbeschäftigung war grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Loyalitätsverstoß von einem leitenden Mitarbeiter begangen wurde (vgl. Art. 5 Abs. 3 GrO a. F.). In den Dienstverträgen ist zudem oftmals geregelt, dass das Leben in kirchlich ungültiger Ehe oder eheähnlicher Gemeinschaft einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellt.

Was regelt nun die Neufassung?

Die Grundordnung vom 22.11.2022 (GrO n. F.; online unter iww.de/s7481) regelt nun in Art. 7 Abs. 2 im Wesentlichen die Anerkennung eines unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Im Sinne der Grundsätze des AGG können alle Mitarbeitenden nach Art. 3 Abs. 2 GrO n. F. „unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Alters, ihrer Behinderung, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der unbedingten Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein“.

Bischöfe folgen Tendenz der BAG-Rechtsprechung

Mit ihrem Beschluss vom 22.11.2022 reagieren die deutschen Bischöfe vor allem auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Das BAG hatte insoweit im Februar 2019 festgestellt, dass eine ordentliche Kündigung wegen der Wiederheirat eines Chefarztes unwirksam sei. Der Chefarztvertrag des Klägers verwies auf die GrO a. F. und definierte eine ungültige Ehe als Loyalitätsverstoß sowie als Grund für eine außerordentliche Kündigung. Das Gericht stellte fest, dass die Arbeitsbedingungen eine Benachteiligung des Klägers i. S. d. § 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellten. Daran ändere auch § 9 Abs. 2 AGG nichts, wonach Religionsgemeinschaften das Recht haben, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres Selbstverständnisses zu verlangen (BAG, Urteil 20.02.2019, Az. 2 AZR 746/14; vgl. Beitrag im CB 03/2019, Seite 1).

Rechtsprechung beim Kirchenaustritt bleibt uneinheitlich

Trotz des o. g. BAG-Urteils bleibt die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zu anderen Fragestellungen – etwa beim Thema Kirchenaustritt – uneinheitlich.

Entscheidungen zum Kirchenaustritt von Arbeitnehmern in kirchlichen Einrichtungen

Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm, Urteil vom 24.09.2020, Az. 18 Sa 210/20

Das Gericht wies die Klage einer in einem katholischen Krankenhaus beschäftigten Hebamme ab. Eine Kündigung wegen Kirchenaustritts könne gerechtfertigt sein, so die Richter. Sei ein Arbeitnehmer aus der katholischen Kirche ausgetreten und erfahre der kirchliche Arbeitgeber dies während der Wartezeit nach § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), so verstoße eine daraufhin ausgesprochene Kündigung nicht gegen §§ 1, 7 AGG. Wichtig | In diesem Fall lag indes die Besonderheit vor, dass die Klägerin die Wartezeit, die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des KSchG ist, noch nicht erreicht hatte.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.02.2021, Az. 4 Sa 27/20

Die Klage eines Kochs, der in einer evangelischen Kita angestellt war, hatte Erfolg. Das Gericht sah die Kündigung wegen Kirchenaustritts als unwirksam an und stützte sich u. a. auf Art. 7 Abs. 2 AGG. U. a. habe der Arbeitgeber nicht darlegen können, inwiefern der Kläger in seiner Tätigkeit als Koch an der Verbreitung des evangelischen Ethos mitwirke.

Fazit | Die GrO n. F. ist letztlich die notwendige Konsequenz aus der Rechtsprechung des BAG. Die Loyalitätserwartung, den heiligen und unauflöslichen Charakter der kirchlichen Eheschließung zu achten, ist keine berechtigte Anforderung der katholischen Kirche an die persönliche Eignung eines Arbeitnehmers und kann damit auch keinen Kündigungsgrund darstellen. Unklar bleibt indes die Kündigung wegen Kirchenaustritts. Hierzu steht eine Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) noch aus (vgl. CB 10/2022, Seite 1, Abruf-Nr. 48564659).

AUSGABE: CB 2/2023, S. 6 · ID: 48978878

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