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DRG-AbrechnungStrafzahlungen nach MD-Abrechnungsprüfung – keine Verrechnung mit unstreitigen Forderungen
| Seit dem 01.01.2022 gilt § 275c Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V. Stellt der Medizinische Dienst (MD) in einem Krankenhaus eine fehlerhafte Abrechnung fest, muss nicht nur die zu viel gezahlte Vergütung zurückgezahlt werden. Zusätzlich wird noch eine Aufschlagszahlung fällig (CB 04/2022, Seite 4 f.). Eine Krankenkasse hatte die Beträge dieser Aufschlagszahlungen mit anderen – unstreitigen – Vergütungsforderungen der Krankenhäuser verrechnet. Diese Praxis hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf für unzulässig erklärt (Urteil vom 04.10.2022, Az. S 15 KR 1185/22 KH u. a.). Das Urteil ist auch für Chefärzte relevant, weil diese regelmäßig auch für den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Abteilung verantwortlich gemacht werden. |
Sachverhalt
Ein gesetzlich versicherter Patient wurde im September 2021 im Krankenhaus des Klägers stationär behandelt. Die Krankenkasse bezahlte die Rechnung i. H. v. 2.394,27 Euro zunächst, schaltete aber parallel dazu den MD ein. Dieser stellte fest, dass die stationäre Behandlung hätte abgekürzt werden können. Die Krankenkasse forderte daraufhin 1.115,21 Euro zurück. Zusätzlich setzte sie eine Aufschlagszahlung i. H. v. 300 Euro fest, die sie per Sammelavis mit anderen – unstreitigen – Forderungen verrechnete. Dagegen klagte der Krankenhausträger. Er trug vor, dass die Aufrechnung gegen das Aufrechnungsverbot nach § 109 Abs. 6 SGB V und nach § 15 Abs. 4 S. 2 Landesvertrag Nordrhein-Westfalen verstoße. Das Gericht gab der Klage statt und erklärte die Aufrechnungspraxis der Krankenkasse für unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Aufrechnung der Aufschlagszahlung sei zwar nicht durch § 109 Abs. 6 SGB V ausgeschlossen. Denn diese Norm verbiete nur eine Aufrechnung mit Rückforderungsansprüchen der Krankenkasse. Die Aufschlagszahlung sei aber gerade keine Rückforderung, sondern eine Sanktionsmaßnahme.
Allerdings missachte die Aufrechnung das (implizite) Aufrechnungsverbot für Aufschlagszahlungen, das im Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für Nordrhein-Westfalen vereinbart wurde. Der Landesvertrag erlaube nach § 15 Abs. 4 S. 2 eine Aufrechnung nur in einigen, genau benannten Fällen:
§ 15 Abs. 4 S. 2 Landesvertrag Nordrhein-Westfalen |
Bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht, können überzahlte Beträge verrechnet werden. |
In allen anderen Fällen – so auch bei Aufschlagszahlungen – gehe das LSG Nordrhein-Westfalen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Aufrechnung unzulässig ist (Anm. d. Red.: zuletzt Urteil vom 05.05.2022, Az. L 5 KR 347/20). Der Landesvertrag sei zwar schon 2003 gekündigt worden, er gelte aber nach der ständigen Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen weiter.
Auch soweit eine Aufrechnung nach § 9 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2015 bzw. 2017 und § 10 Abs. 4 PrüfvV 2022 als Ergebnis einer MD-Prüfung möglich wäre – diese Bundesregelung geht dem Landesvertrag vor –, führe dies hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn der Aufschlag beruhe nicht auf einer Prüfung nach § 275c Abs. 1 SGB V. Zudem sei der Aufschlag nicht ein nach § 8 PrüfvV mitgeteilter Erstattungsanspruch, sondern eine über die Erstattung hinausgehende Sanktion.
Keine Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der Aufschlagszahlung
Bisher hatte die Vorschrift des § 275c SGB V nur eine geringe praktische Auswirkung. Der größte Streit war, ob der Aufschlag nur für Fälle ab 2022 berechnet werden kann oder schon für frühere Fälle, in denen die Krankenkasse erst im Jahr 2022 die Leistungsentscheidung getroffen hat.
Aus prozessualen Gründen musste das SG Düsseldorf nicht entscheiden, ob der Bescheid über die Aufschlagszahlung rechtmäßig ist. Dies ist Gegenstand eines gesonderten Verfahrens. Hier sind in Kürze die ersten Urteile zu erwarten. In den entschiedenen Fällen handelte es sich immer um Aufschlagszahlungen aus Behandlungen im Jahr 2021.
In verschiedenen Eilverfahren haben Gerichte im ganzen Bundesgebiet ausgeführt, dass für diese Fälle (aus 2020 oder 2021) die Aufschlagszahlung nicht berechnet werden könne. So könne der gewollte Steuerungseffekt nicht so weit in die Vergangenheit wirken. Ebenso sei fraglich, welche Prüfquote bei der Berechnung herangezogen werden könne. Schließlich wäre es bei einem Abstellen auf die Leistungsentscheidung dem Ermessen der Krankenkasse überlassen, ob – und in welcher Höhe – die Aufschlagszahlung fällig wird.
Bedeutung des Urteils für den Chefarzt
In vielen Dienstverträgen wird dem Chefarzt eine Verantwortung für das Budget seiner Abteilung übertragen. Damit wirken sich nicht nur MD-Prüfungen und die dadurch verursachten Rückzahlungen negativ aus. Ebenso führen die Strafzahlungen, die zur Rückzahlung hinzukommen, zu weiteren finanziellen Belastungen. Daher sollte auch der Chefarzt die zuständige Stelle in seinem Krankenhaus (Geschäftsführung, Controlling) auf das o. g. Urteil aufmerksam machen. Die Verrechnungen der Krankenkassen mindern auch die Liquidität des Krankenhauses – in einer Zeit stark steigender Kosten eine weitere Belastung.
- Strafzahlungen nach MD-Rechnungsprüfung – sie kommen schneller als gedacht! (CB 04/2022, Seite 4)
AUSGABE: CB 12/2022, S. 6 · ID: 48659595