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ArbeitsrechtPersonalgespräch mit der Geschäftsführung des Krankenhauses: Das müssen Chefärzte wissen
| Der Geschäftsführer lädt zum Personalgespräch. Diese „Einladung“ führt bei vielen Chefärzten zur Verunsicherung – und zu verschiedenen Fragen: Ist die Teilnahme verpflichtend? Muss der Chefarzt das Gespräch allein durchstehen? Oder kann er die Begleitung durch einen Rechtsanwalt einfordern bzw. ist der Beistand durch eine andere Person zulässig (z. B. ein Betriebsratsmitglied)? Mit den rechtlichen Grundlagen des Personalgesprächs und den sich hieraus ergebenden Verhaltensempfehlungen für Chefärzte befassen sich die folgenden Ausführungen. |
Direktionsrecht des Arbeitgebers und Personalgespräch
Grundsätzlich bestimmt der Arbeitgeber den Inhalt – sowie auch Ort und Zeit – der Arbeitsleistung in Ausübung des sog. arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nach § 106 Gewerbeordnung (GewO; online unter iww.de/s7172). Demnach ist der Chefarzt zwar in Fragen der Diagnostik und Therapie ärztlich unabhängig und insoweit auch weisungsfrei, im Übrigen jedoch an die Weisungen des Arbeitgebers, i. d. R. vertreten durch die Geschäftsführung, gebunden.
Die Geschäftsführung muss ihre Weisungen nicht schriftlich erteilen, sondern kann das auch mündlich tun. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) schon im Jahr 2009 entschied, sind Chefärzte daher verpflichtet, an Gesprächen teilzunehmen, in denen der Arbeitgeber Weisungen vorbereiten, Weisungen erteilen oder ihre Nichterfüllung beanstanden will.
Dagegen kann der Chefarzt Gespräche über beispielsweise den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, Vertragsbeendigungen durch Aufhebungsvereinbarung, zur Anhörung im Rahmen einer Verdachtskündigung oder auch nur über Vertragsänderungen etc. ablehnen. Er ist nicht zur Teilnahme verpflichtet, der Arbeitgeber kann hierzu keine Besprechung einseitig anordnen (BAG, Urteil vom 23.06.2009, Az. 2 AZR 606/08).
Personalgespräch muss „billigem Ermessen“ entsprechen
Soweit die Anordnung von Personalgesprächen aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO folgt, muss sie „billigem Ermessen“ entsprechen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber bei der Anweisung, also der Anordnung eines Personalgesprächs, in angemessener Weise die Interessen des Chefarztes berücksichtigen muss. Im Rahmen einer Abwägung muss das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Anordnung des Personalgesprächs die gegensätzlichen Interessen des Chefarztes überwiegen.
Billigem Ermessen entspricht die Anordnung und Durchführung des Personalgesprächs grundsätzlich dann, wenn der Arbeitgeber
- über das Gesprächsthema informiert,Kriterien für ein Personalgespräch nach „billigem Ermessen“
- Rücksicht auf Verhinderungen (Arbeitsunfähigkeit [AU]) nimmt,
- das Personalgespräch während der üblichen Arbeitszeiten ansetzt,
- dem Wunsch nach Protokollierung folgt und
- Reaktions-/Bedenkzeit bzgl. geforderter Stellungnahmen einräumt.
Personalgespräche während der AU oder des Urlaubs des Chefarztes dürfen allenfalls aus unaufschiebbaren dringenden betrieblichen Gründen erfolgen.
Begleitung des Chefarztes im Personalgespräch
Soweit der Chefarzt verpflichtet ist, an Personalgesprächen teilzunehmen, in denen Weisungen vorbereitet oder erteilt werden, ist er nicht berechtigt, gegen den Willen des Arbeitgebers einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. So urteilte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm schon in den 2000er-Jahren. Schließlich, so das Gericht, sei das Personalgespräch Teil der Arbeitsleistung und diese höchstpersönlich durch den Arbeitnehmer zu erbringen. Ziehe der Arbeitgeber allerdings externe Personen, insbesondere einen Rechtsanwalt, zum Gespräch hinzu, erscheine es „denkbar, dass der Arbeitnehmer seinerseits aus dem Gesichtspunkt der ‚Waffen‘- und Chancengleichheit Anspruch darauf hat, dass auf seiner Seite ebenfalls eine betriebsfremde Person seines Vertrauens mitwirkt.“ (LAG Hamm, Urteil vom 23.05.2001, Az. 14 Sa 497/01).
In den folgenden, gesetzlich geregelten Fällen ist der Arbeitnehmer ausdrücklich berechtigt, ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen:
- Änderung der Aufgaben und Arbeitsabläufe des Arbeitnehmers
- betriebliche Angelegenheiten, einschließlich Zusammensetzung der Vergütung und beruflichen Perspektive
- Einsichtnahme in Personalakten
- Beschwerderecht des Arbeitnehmers bei Benachteiligungen
Darüber hinaus bestehe kein genereller Anspruch darauf, ein Betriebsratsmitglied zu Gesprächen mit dem Arbeitgeber hinzuzuziehen. Allerdings könne der Arbeitgeber bei derartigen Grundsatzgesprächen dann nicht erwarten, dass der Arbeitnehmer für ihn wichtige Fragen ohne anwaltlichen Beistand umgehend beantwortet bzw. anstehende Entscheidungen sofort trifft, so das LAG Hamm (a. a. O.). Dem Arbeitnehmer dürften keine Nachteile dadurch entstehen, dass er ohne anwaltlichen Beistand an Personalgesprächen teilnehme und sich die Beantwortung zukunftsentscheidender Fragen oder das Treffen von Entscheidungen erst nach Konsultierung seines Anwalts vorbehielte.
Gesprächsmitschnitt nur mit Zustimmung der Beteiligten!
Zwar kann die Fertigung eines Protokolls über das Personalgespräch verlangt werden. Dies berechtigt jedoch keine der am Gespräch teilnehmenden Parteien, das Gespräch ohne ausdrückliche – möglichst schriftliche – Zustimmung aller Anwesenden, aufzunehmen und mitzuschneiden. Die heimliche Aufzeichnung eines Personalgesprächs, etwa mit dem Smartphone, berechtigt sogar zur außerordentlichen Kündigung und könnte strafrechtliche Folgen haben.
AUSGABE: CB 12/2022, S. 4 · ID: 48688350