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CBChefärzteBrief

WahlleistungenChefarztbehandlung läuft, Chefarzt geht in Urlaub – gesamte Wahlleistungsvereinbarung unwirksam?

Abo-Inhalt12.10.20229420 Min. LesedauerVon Beantwortet von RA, FA ArbR und MedR Marc Rumpenhorst, Bochum

| Frage: „Unser Chefarzt (Innere Medizin) ist während der noch andauernden Behandlung eines Wahlleistungspatienten in Urlaub gegangen. Die Behandlung durch den Chefarzt dauerte eine Woche. Die Stellvertretervereinbarung (Individualvereinbarung) wurde am ersten Urlaubstag des Chefarztes unterschrieben. Die private Krankenversicherung (PKV) des Patienten hält nun die gesamte Wahlleistungsvereinbarung für unwirksam – zu Recht? Können wir wenigstens die Leistungen abrechnen, die der Chefarzt selbst erbracht hat? Haben Sie Urteile für uns?“ |

Antwort: Gegen die Abrechnung der vom Chefarzt persönlich erbrachten Leistungen dürfte unseres Erachtens nichts einzuwenden sein. Komplizierter ist es mit den Leistungen, die auf Basis der Individualvereinbarung erbracht wurden. Ohne genauere Kenntnis des Einzelfalls ist an dieser Stelle nur eine allgemeine Antwort möglich.

Der BGH zur Aufklärungspflicht bei Individualvereinbarungen

Zunächst ist allgemein zur individuellen Stellvertretervereinbarung in Ergänzung der Wahlarztvereinbarung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu berücksichtigen. Dieser hat in seiner Grundsatzentscheidung zur Stellvertretung bei wahlärztlichen Leistungen schon am 20.12.2007 ausgeführt, dass sich der Wahlarzt durch eine Individualvereinbarung mit dem Patienten von seiner Pflicht zur persönlichen Leistung befreien und deren Ausführung einem Stellvertreter übertragen könne (Az. III ZR 144/07).

Zu berücksichtigen sei jedoch – so die Richter – dass sich der Patient oftmals in der bedrängenden Situation einer schweren Sorge um seine Gesundheit oder gar sein Überleben befinde und er daher zu einer ruhigen und sorgfältigen Abwägung vielfach nicht in der Lage sei. Daher bestünden ihm gegenüber nach Treu und Glauben vor Abschluss einer solchen Vereinbarung besondere Aufklärungspflichten. Danach sei der Patient so früh wie möglich über die Verhinderung des Wahlarztes zu unterrichten und ihm das Angebot zu unterbreiten, dass an dessen Stelle ein bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringe. Solle die Vertretervereinbarung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abschluss des Wahlleistungsvertrags getroffen werden, sei der Patient auf diese gesondert ausdrücklich hinzuweisen.

Wurde die Individualvereinbarung hier zu spät geschlossen?

In dem von Ihnen beschriebenen Fall könnte die Individualvereinbarung nicht rechtzeitig geschlossen worden sein, wenn bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme des Patienten und bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung die urlaubsbedingte Verhinderung des Wahlarztes während der Behandlung des Patienten feststand. Das setzt unseres Erachtens aber voraus, dass zu diesem Zeitpunkt gleichermaßen bekannt war, dass der Patient bis über den Beginn der urlaubsbedingten Abwesenheit des Wahlarztes hinaus stationär behandelt werden, d. h., dass sein Aufenthalt also länger als eine Woche dauern würde.

Andernfalls wäre der frühestmögliche Zeitpunkt zum Abschluss der Stellvertretervereinbarung der Zeitpunkt, an dem feststand, dass sich die Verweildauer des Patienten über mehr als eine Woche erstrecken würde, d. h. über den Urlaubsbeginn des Wahlarztes hinaus.

Honoraranspruch bei verspäteter Individualvereinbarung

Der verspätete Abschluss einer Stellvertretervereinbarung führt zum Verlust des Honoraranspruchs für die vom Stellvertreter erbrachten Leistungen, so der BGH. Bei Verletzung der vom BGH angeführten Aufklärungspflichten nach Treu und Glauben stünde dem Honoraranspruch des Wahlarztes für die von seinem Stellvertreter erbrachten Leistungen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (BGH, Urteil vom 20.12.2007, Az. III ZR 140/07).

Merke | Die Wahlleistungsvereinbarung und der Honoraranspruch für die vom Wahlarzt erbrachten Leistungen wird dagegen durch die Verletzung der Aufklärungspflicht zur Stellvertretervereinbarung zunächst nicht tangiert.

Nimmt die PKV ein „hypothetisches Nichtabschließen“ der Wahlleistungsvereinbarung an?

Vermutlich stützt sich die PKV des Patienten darauf, dass der Patient bei rechtzeitiger Aufklärung über die urlaubsbedingte Abwesenheit des Wahlarztes während des stationären Aufenthalts von Anfang an keine Wahlarztvereinbarung geschlossen hätte. Dagegen spricht jedoch, dass der Patient nach Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung und späterer Aufklärung über die Verhinderung des Wahlarztes die Stellvertretervereinbarung geschlossen und sich mit der Leistungserbringung durch den benannten Stellvertreter ausdrücklich einverstanden erklärt hat. Insofern lässt sich anführen, dass sich der Patient auch bei rechtzeitiger Aufklärung über die im Lauf der Behandlung eintretende Verhinderung des Wahlarztes für die Stellvertretervariante – und nicht gegen die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen insgesamt – entschieden hätte.

Fazit und Praxistipp | Da es speziell zur Frage des „hypothetischen Nichtabschließens“ nach unserer Recherche keine höherinstanzliche Rechtsprechung gibt, sondern es sich um einen Einzelfall handelt, wäre es hilfreich, zu wissen, wie die PKV argumentiert, für wie lange die Verweildauer des Patienten ursprünglich geplant war und welche (Haupt-)Leistungen in Abwesenheit des Wahlarztes erbracht wurden. Um Auseinandersetzungen mit den Kostenträgern zu vermeiden, kann grundsätzlich nur dazu geraten werden, Individualvereinbarungen zu dem Zeitpunkt zu schließen, zu dem die Verhinderung des Wahlarztes bekannt wird.

AUSGABE: CB 12/2022, S. 14 · ID: 48632765

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