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ChefarztvertragZielvereinbarung: Arbeitnehmer hat Anspruch auf Schadenersatz wegen unterbliebener Zielvorgabe
| Zielvereinbarungen werden an sich jährlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich festgelegt. Kommt keine solche Vereinbarung zustande und legt der Arbeitgeber sodann über mehrere Jahre das Jahresziel einseitig fest, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadenersatz, wenn dies in einem späteren Verlauf nicht geschieht. Dies gilt auch, wenn die Zielvorgabe zwar nachgeholt wird, aber erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer freigestellt ist oder die Freistellung unmittelbar bevorsteht (Landesarbeitsgericht [LAG] Hessen, Urteil vom 30.04.2021, Az. 14 Sa 606/19). Auch wenn der Fall kein Krankenhaus betrifft, ist das Urteil für Chefärzte relevant. |
Inhaltsverzeichnis
Der Fall
Ein Business Development Director klagte gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber. Der vonseiten des Arbeitnehmers gekündigte Arbeitsvertrag sah neben dem Festgehalt eine jährliche variable erfolgsabhängige Vergütung bei der Erreichung der festgelegten Ziele („Zielvereinbarung“) vor.
Im November 2017 hatte der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber aufgefordert, mit ihm über einen Bonusplan für 2018 zu verhandeln und eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen. Daraufhin hatte ihm der Arbeitgeber im Januar 2018 einen Bonusplan zugesandt. Der Arbeitnehmer hatte die Unterschrift u. a. mit der Begründung abgelehnt, dass die aufgestellten Ziele unrealistisch seien. Im März 2018 war dem Arbeitnehmer mitgeteilt worden, dass der Arbeitgeber den Bonusplan „nun als abgeschlossen und vereinbart“ ansehe. Im gleichen Monat hatte der Arbeitgeber sodann das Arbeitsverhältnis zu Ende Juni 2018 gekündigt und den Arbeitnehmer gleichzeitig freigestellt. Bis zum Abschluss des Geschäftsjahres 2018 war der Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber nicht mehr tätig geworden.
Der Arbeitnehmer machte mit seiner Zahlungsklage Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber auf Schadenersatz wegen unterbliebener Zielvereinbarungen für das Jahr 2018 geltend. Während die Vorinstanz der Zahlungsklage überwiegend stattgab, war die Klage vor dem LAG Hessen nur teilweise erfolgreich.
Die Entscheidungsgründe des LAG
Das LAG sah einen Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen unterbliebener Zielvorgabe für das Geschäftsjahr 2018, jedoch nicht in voller Höhe.
Nachdem zwischen den Parteien kein Einvernehmen über eine Zielvereinbarung für das Geschäftsjahr 2018 hergestellt werden konnte, sei der Arbeitgeber verpflichtet gewesen, eine einseitige Zielvorgabe vorzunehmen. Diese Pflicht habe er verletzt, weil er die für den Arbeitnehmer geltenden Ziele im Geschäftsjahr 2018 nicht einseitig festgesetzt habe bzw. dies erst zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der Arbeitnehmer nicht mehr auf die Zielerreichung Einfluss nehmen konnte.
Diese Pflichtverletzung habe er auch gem. § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu vertreten. Der Arbeitnehmer könne Schadenersatz verlangen, weil eine einseitige Zielvorgabe durch den Arbeitgeber mit seiner Freistellung unmöglich geworden sei.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts werde die Zielvereinbarung mit Ablauf der Zielperiode unmöglich im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB. Nach Auffassung der Kammer sei eine in der Zielperiode pflichtwidrig und schuldhaft unterbliebene Zielvorgabe in gleicher Weise zulasten des Arbeitgebers schadenersatzauslösend, wie die pflichtwidrig und schuldhaft nicht abgeschlossene Zielvereinbarung.
Ein zu berücksichtigendes Mitverschulden des Arbeitnehmers gemäß § 254 BGB komme nicht in Betracht.
Bedeutung für Chefärzte
Zielvereinbarungen sind vielfach Bestandteil von Chefarztverträgen. Aus der Praxis wird immer wieder berichtet, dass die Ziele insoweit nicht „vereinbart“, sondern vielmehr grundsätzlich „vorgegeben“ werden, ohne dass überhaupt eine Verhandlung über die Zielvereinbarung stattfindet. Dies ist jedoch keine Zielvereinbarung im rechtlichen Sinn und sollte vonseiten des Chefarztes nicht akzeptiert werden.
Wie sodann zu verfahren ist, hängt von der Vertragsgestaltung ab. Teils wird sodann dem Träger das Recht zur einseitigen Zielfestsetzung (im Sinne einer „Zielvorgabe“) zugeordnet, teils ist insoweit kein Konfliktlösungsmechanismus verankert.
Fazit | Sofern keine bzw. keine dem Chefarztvertrag entsprechende Zielvereinbarung zustande kommt, kann der Chefarzt nach Ablauf des beabsichtigten Zielvereinbarungszeitraums einen Schadenersatzanspruch gegen den Krankenhausträger haben. Voraussetzung ist, dass der Krankenhausträger das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung verschuldet hat. Dies hängt u. a. davon ab, welche Seite die sog. Initiativpflicht zum Abschluss einer Zielvereinbarung hat (CB 07/2017, Seite 12). Ob eine streitige Auseinandersetzung zum Erfolg führt, ist Frage des jeweiligen Einzelfalls. |
- Zielvereinbarung: Schadenersatzanspruch des Chefarztes wegen intransparenter Zielvorgaben (CB 05/2021, Seite 8 f.)
- Auch ohne Zielvereinbarung Anspruch auf variable Vergütung und Schadenersatz möglich (CB 07/2017, Seite 12)
- CB-Sonderausgabe „Chefarztverträge im Fokus“, Abruf-Nr. 46390907
AUSGABE: CB 4/2022, S. 6 · ID: 47935646