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CBChefärzteBrief

DRG-AbrechnungStrafzahlungen nach MD-Rechnungsprüfung – sie kommen schneller als gedacht!

Abo-Inhalt09.02.20222156 Min. LesedauerVon RA, FA für ArbR und MedT, Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte Hannover

| Nach § 275c Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V müssen Krankenhäuser ab dem Jahr 2022 bei einem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen unterhalb von 60 Prozent nicht nur die zu viel gezahlte Vergütung an die Krankenkassen zurückzahlen, sondern auch sog. Strafzahlungen leisten. Deren Höhe richtet sich nach den Prüfquoten für das Jahr 2022. Daher ist zunächst davon ausgegangen worden, dass Strafzahlungen erst für solche Fälle anfallen, wo der Patient 2022 ins Krankenhaus kommt, behandelt, abgerechnet und anschließend die Abrechnung gekürzt wird. Dem ist aber nicht so! |

Meinung des BMG an sich kein Grund zur Beunruhigung ...

Allerdings hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) schon am 13.10.2021 der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) schriftlich mitgeteilt, dass Anknüpfungskriterium für die Fälligkeit der Strafzahlungen nicht die Aufnahme des jeweiligen Patienten in das betroffene Krankenhaus sein soll, sondern die Leistungsentscheidung der Krankenkassen. Strafzahlungen sollen somit auch in den Fällen anfallen, wo der Patient 2020 oder 2021 im Krankenhaus gewesen ist, anschließend die Rechnungsprüfung durch den MD durchgeführt wurde und die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse erst 2022 erfolgt. Nun entscheidet das BMG nicht über die Auslegung der Gesetze, dies ist originäre Aufgabe der Sozialgerichte, sodass diese Mitteilung an sich allein noch kein Grund zur Beunruhigung wäre.

... der Nachtrag zur DTA-Vereinbarung gem. § 301 SGB V schon!

Allerdings haben sich am 01.12.2021 die DKG, der GKV-Spitzenverband und der vdek auf einen Nachtrag zur DTA-Vereinbarung geeinigt (online unter iww.de/s5918). Darin heißt es u. a. in Nachtrag 4:

Nachtrag 4 zur DTA-Vereinbarung (Auszug)

„(...) Die Regelung, dass dies vollstationäre Krankenhausfälle mit einem Eingang der Schlussrechnung ab dem 01.01.2022 betrifft, ist zu korrigieren. Insofern ist im Rahmen von § 275 c Abs. 3 SGB V maßgeblich, dass die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse über eine Minderung der Abrechnung gegenüber dem Krankenhaus ab dem 01.01.2022 erfolgt. Dies schließt konsequenterweise auch solche Abrechnungen ein, die bereits vor dem 01.01.2022 gestellt sowie nach Prüfung durch den MD beanstandet worden sind. Maßgeblich ist das Datum der leistungsrechtlichen Entscheidung ab dem 01.01.2022.“

Faktisch bedeutet dies, dass die Krankenkassen bereits in Kürze Strafzahlungen in solchen Fällen fordern werden, wo der Patient 2020 oder 2021 im betreffenden Krankenhaus stationär behandelt wurde. Die Geltendmachung von Aufschlägen („Strafzahlungen“) wird somit erheblich vorverlagert.

Praktische Konsequenzen für Krankenhäuser

Die Änderung der DTA-Vereinbarung hat für Krankenhäuser erhebliche praktische Konsequenzen, die voraussichtlich schon Anfang 2022 greifen werden:

Szenario 2022: So bereiten sich Krankenhäuser auf etwaige Strafzahlungen vor

  • Voraussichtlich werden viele Krankenhäuser in Kürze per Verwaltungsakt (Bescheid) von den Krankenkassen zur Zahlung von Aufschlägen („Strafzahlungen“) aufgefordert werden, wobei diese Bescheide entweder per DTA-Nachricht oder in Papierform (oder in beiden Varianten) übermittelt werden dürften. Sollte der Bescheid mit der Zahlungsaufforderung formwirksam sein, kann dagegen innerhalb einer Frist von einem Monat Widerspruch eingelegt werden.
  • Krankenhäusern ist deshalb dringend anzuraten, eingehende DTA-Nachrichten daraufhin zu überprüfen, ob diese Bescheide enthalten, mit denen zur Zahlung von Aufschlägen aufgefordert wird. Das Gleiche gilt selbstverständlich für den normalen Postverkehr, in dem diese Bescheide ebenfalls enthalten sein können. Anschließend sind die Rechtsmittelfristen zu notieren und es ist eine Entscheidung zur weiteren Vorgehensweise zu treffen.
  • Widerspruch und Klage gegen einen Bescheid, mit dem zur Zahlung von Aufschlägen („Strafzahlungen“) aufgefordert wird, haben zwar keine aufschiebende Wirkung, d. h., es muss im Prinzip sofort gezahlt werden. Zusätzlich kann jedoch ein Antrag beim zuständigen Sozialgericht auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels gestellt werden (§ 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz).
  • Krankenhäuser sollten sich aus einer Vielzahl von Gründen überlegen, gegen Bescheide der Krankenkassen rechtliche Schritte einzuleiten, mit denen sie zur Zahlung von Aufschlägen („Strafzahlungen“) verpflichtet werden:
    • 1) Zunächst ist in solchen Fällen, wo die Aufnahme des Patienten vor dem 01.01.2022 erfolgt ist, völlig unklar, ob hier überhaupt Strafzahlungen verlangt werden können. Dies wird voraussichtlich höchstrichterlich geklärt werden müssen. Wenn Krankenhäuser gegen solche Bescheide kein Rechtsmittel einlegen, müssen sie zahlen und das Geld ist weg.
    • 2) In den Fällen, wo die Aufnahme des Patienten nach dem 01.01.2022 erfolgt ist, sollte Widerspruch zunächst fristwahrend eingelegt werden, um Zeit für die Klärung zu gewinnen, wie mit der eigentlichen Rechnungskürzung umgegangen werden soll.
    • 3) Ein Widerspruch gegen den Bescheid der Krankenkasse sollte in den Fällen, in denen die Aufnahme des Patienten nach dem 01.01.2022 erfolgt ist, auch deswegen eingelegt werden, weil das Verfahren der Rechnungsprüfung nach der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2022 (CB 02/2022, Seite 6 ff.) von dem Verfahren über die Aufschläge („Strafzahlungen“) rechtlich völlig getrennt läuft. Wenn das Krankenhaus im Rahmen des Verfahrens über die Rechnungsprüfung nach der PrüfvV oder im anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren Erfolg hat und es ihm gelingt, die Position der Krankenkasse ganz oder teilweise zu revidieren, hat dies auf die Verpflichtung zur Zahlung des Aufschlags („Strafzahlung“) nur dann Auswirkungen, wenn diese parallel ebenfalls im Rechtsmittelverfahren angegriffen worden ist.

Fazit | Indem der Gesetzgeber durch das MDK-Reformgesetz die Regelung des § 275c Abs. 3 SGB V zu den Aufschlägen („Strafzahlungen“) eingeführt hat, hat er es geschafft, den Rechtsverkehr zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen weiter zu bürokratisieren. Die Krankenkassen haben in Vorbereitung dessen, was 2022 auf alle Beteiligten zukommt, nach Kenntnis des Verfassers bereits mit umfangreichen Personaleinstellungen, insbesondere bei Juristen, reagiert. Zukünftig wird es statt einem Verfahren vor den Sozialgerichten über die Krankenhausrechnung ein zweites Verfahren über den Aufschlag („Strafzahlung“) geben.

AUSGABE: CB 4/2022, S. 4 · ID: 47941590

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