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UmsatzsteuerNeue Verwaltungsauffassung zu § 14c Abs. 1 UStG: Das sind die Anwendungsfälle im Autohaus

Abo-Inhalt29.04.20241768 Min. LesedauerVon Steuerberater Stan Guthmann, RAW-Partner mbB, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München

| Die Finanzverwaltung hat jüngst ihre Rechtsauffassung zum unrichtig ausgewiesenen Steuerbetrag geändert. Danach wird eine zu hoch in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer nicht mehr in allen Fällen geschuldet. Das bringt erhebliche Erleichterungen in Sachen Rechnungsberichtigung mit sich. Welche Anwendungsfälle im Autohaus denkbar sind und in welchen Fällen Sie von der neuen Verwaltungsauffassung profitieren, zeigt Ihnen ASR anhand von Beispielen aus der Autohaus-Praxis. |

So lautet die neue Verwaltungsauffassung des BMF

Die Finanzverwaltung hat in Folge der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 08.12.2022, Rs. C-378/21, Abruf-Nr. 233527) mit Schreiben vom 27.02.2024 ihre Rechtsauffassung dahingehend geändert, dass die nach § 14c Abs. 1 UStG unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer nicht mehr in jedem Fall geschuldet wird. Und zwar immer dann nicht, wenn Sie eine Leistung tatsächlich ausführen, dann aber eine Rechnung mit unrichtiger Umsatzsteuer an einen Endverbraucher ausstellen. Dann besteht nämlich – nach neuer Auffassung des BMF – keine Gefährdung des Steueraufkommens, weil der Rechnungsempfänger als Endverbraucher keine Vorsteuer geltend machen kann (BMF, Schreiben vom 27.02.2024, Az. III C 2 – S 7282/19/10001 :002, Abruf-Nr. 240327).

Das bedeutet aber auch: Stellen Sie eine Rechnung mit unrichtig ausgewiesener Umsatzsteuer an einen anderen Unternehmer aus, schulden Sie den Mehrbetrag weiterhin dem Fiskus – außer wenn die Rechnung zwar an einen Unternehmer, aber für dessen nicht unternehmerischen Bereich ausgestellt wird. Konkret: Erwirbt ein Unternehmer ein Kfz bei Ihnen für private Zwecke, die nichts mit seinem Unternehmen zu tun haben, schulden Sie aus der Rechnung an ihn keine potenziell unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer.

Wichtig | Die Tatsache, dass die jeweiligen Rechnungen an Endverbraucher ausgestellt wurden, ist nach Ansicht der Finanzverwaltung eine den Steueranspruch einschränkende Tatsache, die Sie als Unternehmer glaubhaft darlegen bzw. plausibel begründen müssen. Soweit in Mischfällen nicht hinreichend sicher beurteilt werden kann, ob die Rechnungsempfänger als Unternehmer oder als Endverbraucher gehandelt haben, sollen die Grundsätze des EuGH-Urteils C-378/21 nicht anzuwenden sein. Insbesondere will die Finanzverwaltung in diesen Fällen weder eine Schätzung des Anteils der betroffenen Umsätze oder der an Endverbraucher ausgestellten Rechnungen noch eine Wahrscheinlichkeitsberechnung oder Ähnliches akzeptieren. Ob dem tatsächlich so ist, könnte der BFH in einem derzeit anhängigen Verfahren klären (Az. beim BFH: V R 16/23; Vorinstanz: FG Köln, Urteil vom 25.7.2023, Az. 8 K 2452/21, Abruf-Nr. 240332).

Wann Ihr Autohaus von der neuen BMF-Auffassung profitiert

Ihr Autohaus profitiert immer dann von der geänderten Rechtsauffassung, wenn Sie die Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG schulden. Konkret nennt die Finanzverwaltung im UStAE folgende Anwendungsfälle für die überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer:

  • 1. für steuerpflichtige Leistungen, wenn eine höhere als die dafür geschuldete Steuer ausgewiesen wurde;
  • 2. für steuerpflichtige Leistungen in den Fällen der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (vgl. Abschnitt 13b.14 Abs. 1 S. 5);
  • 3. für steuerfreie Leistungen;
  • 4. für nicht steuerbare Leistungen (unentgeltliche Leistungen, Leistungen im Ausland und Geschäftsveräußerungen im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG) und
  • 5. für nicht versteuerte steuerpflichtige Leistungen, wenn die Steuer für die Leistung wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 AO) nicht mehr erhoben werden kann.

In welchen Anwendungsfällen die neue Verwaltungsauffassung für Ihr Autohaus konkret Erleichterungen mit sich bringt, zeigen folgende Beispiele.

Fallgruppe 1: Fälschlicherweise zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer

Fallgruppe 1 betrifft Fälle, in denen statt des ermäßigten Steuersatzes von sieben Prozent der höhere Regelsteuersatz von 19 Prozent ausgewiesen wird. Als Kfz-Händler führen Sie in der Regel keine Umsätze aus, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, sodass es insoweit nur aufgrund eines Fehlers oder Irrtums zu Anwendungsfällen kommen kann.

Beispiel

Autohaus A veräußert einen Gebrauchtwagen zum Regelsteuersatz von 19 Prozent. Aufgrund eines Software-Fehlers werden 1.000 Euro netto zzgl. 10.900 Euro Umsatzsteuer statt 10.000 Euro netto zzgl. 19 Prozent Umsatzsteuer (1.900 Euro) ausgewiesen.

Lösung: Der Mehrbetrag stellt grundsätzlich eine nach § 14c Abs. 1 UStG unrichtig ausgewiesene Steuer dar.

  • Hat Autohaus A die Rechnung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgestellt, schuldet A die Umsatzsteuer dem Finanzamt. Durch eine Rechnungsberichtigung kann A die Umsatzsteuerschuld aber wieder rückgängig machen. Ggf. muss A laut Finanzverwaltung jedoch vorab den zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrag an den Leistungsempfänger zurückzahlen (A 14c.1 Abs. 5 S. 4 UStAE).
  • Hat Autohaus A die Rechnung an einen Endverbraucher ausgestellt, schuldet A die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer nicht mehr nach § 14c Abs. 1 dem Fiskus. Eine Rechnungsberichtigung kann unterbleiben.

Fallgruppe 2: Steuerpflichtige „§ 13b-Fälle“

Steuerpflichtige Leistungen, die der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers unterliegen, gibt es verschiedene. Zum Tragen kommt sie aber meist nur dann, wenn der Leistungsempfänger Unternehmer ist (§ 13b Abs. 5 UStG). Somit bringt Ihnen die neue Verwaltungsauffassung hier in der Regel keine Vorteile.

Beispiel 1

Das deutsche Autohaus A repariert den Lkw eines Unternehmens aus dem EU-Ausland. Bei der Reparatur überwiegt der Arbeitslohn. Der Leistungsempfänger verwendet eine gültige ausländische USt-IdNr. Trotzdem stellt A eine Rechnung mit deutscher Umsatzsteuer aus.

Lösung: Bei der Lkw-Reparatur handelt es sich um eine innergemeinschaftliche sonstige Werkleistung. Sie ist nach § 3a Abs. 2 UStG am Sitzort des Leistungsempfängers umsatzsteuerbar und unterliegt dort dem Reverse Charge-Verfahren. A hätte also eine Netto-Rechnung mit einem Verweis darauf stellen müssen. Weil A die Rechnung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgestellt hat, schuldet A die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer dem Fiskus. Eine Rechnungsberichtigung ist aber möglich. Ggf. muss A laut Finanzverwaltung jedoch vorab den zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrag an den Leistungsempfänger zurückzahlen (A 14c.1 Abs. 5 S. 4 UStAE).

Beispiel 2

Autohaus A veräußert Metallschrott nach Anlage 3 UStG an ein Recycling-Unternehmen. Für den Metallschrott erhält A vom Recycling-Unternehmen eine Gutschrift mit Ausweis deutscher Umsatzsteuer. A akzeptiert die Gutschrift.

Lösung: Die Lieferung von Metallschrott nach Anlage 3 UStG unterliegt dem Reverse-Charge-Verfahren (§ 13b Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. Abs. 5 S. 1 UStG). Richtig wäre eine Netto-Rechnung mit Verweis auf das Reverse-Charge-Verfahren gewesen. Weil die Rechnung einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgestellt wurde, wird die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer auch geschuldet. Schuldner dieser unrichtig ausgewiesenen Steuer ist Autohaus A, da es der Gutschrift mit dem zu hohen Steuerausweis nicht widersprochen hat (A 14c.1 Abs. 3 UStAE). Eine Rechnungsberichtigung ist möglich. Ggf. ist laut Finanzverwaltung jedoch vorab der zu hoch ausgewiesene Steuerbetrag an den Leistungsempfänger zurückzuzahlen (A 14c.1 Abs. 5 S. 4 UStAE).

Beispiel 3

Autohaus A veräußert ein bislang vermietetes Grundstück an den bisherigen Mieter M. M will das Grundstück weiterhin für eigene unternehmerische Zwecke nutzen. Deshalb optiert A zur Umsatzsteuer und stellt eine Rechnung über die Grundstückslieferung mit Umsatzsteuer aus.

Lösung: Es handelt sich um eine Grundstückslieferung, die dem Reverse Charge-Verfahren unterliegt (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. Abs. 5 S. 1 UStG). Deswegen müsste A dem M eine Netto-Rechnung mit Verweis auf das Reverse-Charge-Verfahren stellen. Weil A die Rechnung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgestellt hat, schuldet A die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer dem Fiskus. Eine Rechnungsberichtigung ist aber möglich. Ggf. muss A laut Finanzverwaltung jedoch vorab den zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrag an den Leistungsempfänger zurückzahlen (A 14c.1 Abs. 5 S. 4 UStAE).

Fallgruppe 3: Steuerfreie Leistungen

Bei den umsatzsteuerfreien Leistungen sind durch die neue Verwaltungsauffassung durchaus Erleichterungen für Ihr Autohaus denkbar.

Beispiel

Im Mai 2024 kontaktiert Kunde K das Autohaus A wegen eines Fahrzeugs, das K vor zwei Jahren bei A gekauft hat. K will die damals ebenfalls erworbene Gebrauchtwagengarantie verlängern lassen. A tritt als Garantiegeber auf und berechnet dem K für die Garantieverlängerung 500 Euro zzgl. 95 Euro Umsatzsteuer.

Lösung: Bei der Garantie handelt es sich um eine umsatzsteuerfreie Versicherungsleistung, die der Versicherungsteuer unterliegt.

  • Hat Autohaus A die Rechnung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgestellt, schuldet A die Umsatzsteuer dem Finanzamt. Durch eine Rechnungsberichtigung kann A die Umsatzsteuerschuld aber wieder rückgängig machen. Ggf. muss A laut Finanzverwaltung jedoch vorab den zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrag an den Leistungsempfänger zurückzahlen (A 14c.1 Abs. 5 S. 4 UStAE).
  • Hat Autohaus A die Rechnung an einen Endverbraucher ausgestellt, schuldet A die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer nicht mehr nach § 14c Abs. 1 dem Fiskus geschuldet. Eine Rechnungsberichtigung kann unterbleiben.

Wichtig | Unabhängig davon, ob K Unternehmer oder Privatmann ist, schuldet A dem Fiskus die Versicherungsteuer aus dem vereinnahmten Versicherungsentgelt.

Praxistipp | Für Sie bedeutet das: Prüfen Sie in solchen Fällen für jeden einzelnen Vorgang, ob es sich um einen Endverbraucher oder einen Unternehmenskunden handelt, der die Leistung für sein Unternehmen bezieht.

Fallgruppe 4: Nicht in Deutschland steuerbare Umsätze und GiG

Erleichterungen bringt die neue Verwaltungsauffassung auch bei Umsätzen, die in Deutschland nicht umsatzsteuerbar sind.

Beispiel 1

Autohaus A beginnt, über seinen Online-Shop Ersatzsteile und Zubehör zu verkaufen und an Kunden zu versenden. Im Laufe des Jahres erzielt A bereits einen Umsatz mit Privatkunden aus dem EU-Ausland in Höhe von 11.000 Euro. Dafür stellt A stets Rechnungen mit deutscher Umsatzsteuer aus.

Lösung: Die Versandhandelslieferungen an Privatkunden aus dem EU-Ausland sind Fernverkäufe i. S. v. § 3c UStG. Als solche unterliegen sie spätestens mit Überschreiten der 10.000 Euro-Umsatzgrenze im jeweiligen Wohnsitzstaat der Kunden der dortigen ausländischen Umsatzsteuer. Die in den Rechnungen unrichtig ausgewiesene deutsche Umsatzsteuer schuldet A nach der neuen Rechtsauffassung nicht mehr nach § 14c Abs. 1 dem Fiskus. Die Rechnungsberichtigung kann unterbleiben.

Beispiel 2

Autohaus A vermietet Fahrzeuge an Privatkunden aus dem EU-Ausland für drei bis sechs Monate. Dafür erstellt A stets Rechnungen mit deutscher Umsatzsteuer.

Lösung: Weil die Vermietungen länger als 30 Tage dauern, liegen langfristige Fahrzeugvermietungen an Privatkunden aus dem EU-Ausland vor, die am Wohnsitzort des Mieters umsatzsteuerbar und -pflichtig sind (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG). Das bedeutet: Die Fahrzeugvermietungen unterliegen der jeweiligen ausländischen Umsatzsteuer. Die in den Rechnungen unrichtig ausgewiesene deutsche Umsatzsteuer schuldet A nach der neuen Rechtsauffassung zu § 14c Abs. 1 UStG nicht mehr. Folglich muss A keine Rechnungsberichtigungen vornehmen.

Wichtig | In den beiden obigen Beispielen 1 und 2 schuldet A noch die jeweilige ausländische Umsatzsteuer für die im EU-Ausland steuerbaren und steuerpflichtigen Fernverkäufe und Leistungen. Dafür muss sich A in den betreffenden Staaten umsatzsteuerlich registrieren, sofern nicht die Nutzung des One-Stop-Verfahrens beim BZSt möglich ist und A diese auch beantragt.

Praxistipp | Besteht – wie hier in den Beispielen 1 und 2 – Einigkeit mit der Finanzverwaltung, dass diese Fälle im EU-Ausland steuerbare und steuerpflichtige Fernverkäufe bzw. Fahrzeugvermietungen sind, sollten Sie für alle diese Geschäftsvorfälle auch keine Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG schulden, wenn – wie hier – nur Privatkunden betroffen sind.

Beispiel 3

Autohaus A veräußert seinen gesamten Geschäftsbetrieb per asset deal an den Käufer K. K führt den Autohausbetrieb fort. A erstellt eine Rechnung mit Umsatzsteuer.

Lösung: Die Veräußerung per asset deal ist eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG). Daher wäre eine Netto-Rechnung mit Verweis auf die GiG richtig. Die trotzdem in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet A nach wie vor dem Fiskus, weil die Rechnung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgestellt wurde. Eine Rechnungsberichtigung ist möglich. Ggf. muss A jedoch vorab den zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrag an K (= Leistungsempfänger) zurückzahlen (A. 14c.1 Abs. 5 S. 4 UStAE).

AUSGABE: ASR 5/2024, S. 10 · ID: 49995693

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