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ComplianceNachhaltigkeit im Autohaus: Was eine Nachhaltigkeits- strategie ausmacht und wie Sie sie mit Leben füllen
| CSRD, ESRS, Berichtspflicht & Co. – spätestens ab 2025 werden das keine Fremdwörter mehr für schätzungsweise knapp 600 Kfz-Händler sein. Ab da müssen sie nämlich beweisen, dass sie nachhaltig wirtschaften. Und zwar in einem Nachhaltigkeitsbericht. Die Berichtspflicht umfasst auch die Pflicht zur Gestaltung und Implementierung einer Nachhaltigkeitsstrategie. Was es damit auf sich hat, aus welchen Komponenten Ihre individuelle Nachhaltigkeitsstrategie bestehen sollte und welche Fragen Sie auf dem Weg dorthin leiten, erfahren Sie in Teil 2 der ASR-Beitragsserie „Nachhaltigkeit im Autohaus“. |
Warum Sie eine Nachhaltigkeitsstrategie brauchen
Ist Ihr Autohaus von der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) betroffen, müssen Sie künftig Nachhaltigkeitsinformationen im Lagebericht Ihres Autohauses offenlegen. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgt anhand einheitlicher EU-Berichtsstandards, den ESRS. Einer dieser ESRS-Standards – der ESRS G1 – hat den Bereich „Unternehmensführung“ im Fokus. Die Folge: Als Autohaus-Inhaber müssen Sie sich mit dem Thema Nachhaltigkeit im eigenen Geschäftsmodell auseinandersetzen.
Im Vergleich zu anderen Branchen verschärfen sich die mit der Nachhaltigkeit verbundenen Herausforderungen im Kfz-Handel noch dadurch, dass Umbrüche in der Hersteller-Händler-Beziehung – die Stichworte lauten hier Agentur-Diskussion und Digitalisierung – weiterhin hohe Finanzierungskosten bei relativ niedrigen Eigenkapitalquoten sowie Nachfolge- und Konsolidierungsprozesse die nächsten Jahre prägen werden. Das Gebot der Stunde lautet also: Den oftmals formalen Strategieprozess (wieder) konsequent mit Leben erfüllen und als integrierte Leitlinie für die systematische Analyse und Berücksichtigung all dieser Komponenten Ihres unternehmerischen Handelns verstehen. Dazu ist ein erweitertes Verständnis von Nachhaltigkeit notwendig.
Was konstituiert eine integrierte Nachhaltigkeitsstrategie?
Oberstes Ziel jeder unternehmerischen Strategie ist es, die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu sichern. Deshalb ist es wichtig, Nachhaltigkeit nicht im Sinne der damit klassicherweise verbundenen „Umweltthemen“ zu verstehen, sondern Ihre autonome Handlungsfähigkeit als Inhaber in den Mittelpunkt der Nachhaltigkeitsstrategie zu rücken. Konkret geht es um zwei zentrale Fragen:
- 1. Was müssen Sie tun, damit Ihr Autohaus in zehn Jahren noch existiert?Es geht um die Zukunftsfähigkeit Ihres Autohauses
- 2. Was müssen Sie tun, damit Sie und die heutigen Gesellschafter in zehn Jahren noch immer die Inhaber des Autohauses sind oder im Falle eines Inhaberwechsels die Kontrolle über die Auswahl der zukünftigen Gesellschafter behalten?
Die Logik hinter den beiden Fragen: Nur ein unabhängig existierendes, finanziell robustes Unternehmen hat die Mittel, um mögliche negative Umweltauswirkungen zu reduzieren und die sich aus dem Bedürfniswandel der Kunden in Richtung mehr Nachhaltigkeitsbewusstsein ergebenden Chancen konsequent zu nutzen.
Das sind die vier Komponenten einer Nachhaltigkeitsstrategie
Um Ihr Autohaus – aus dem Blickwinkel der nachhaltigen Unternehmensführung – zukunftsfähig aufzustellen, sind vier Teilbereiche entscheidend:
- Autonomie
- Robustheit
- Resilienz
- Transparenz
Über diese vier Teilbereiche der Nachhaltigkeitsstrategie werden die beiden o. g. zentralen Fragen in Vorgaben und Maßnahmen für die operativen Geschäftspraktiken überführt. Sie sind sodann wie folgt zu verstehen:
Autonomie und Robustheit
Das strategische Oberziel, die Zukunftsfähigkeit, ist mehr als die reine Existenzsicherung. Zukunftsfähigkeit bedeutet, die zentralen unternehmerischen Entscheidungen dauerhaft möglichst unabhängig von externen Einflussfaktoren treffen zu können. Im Idealfall unterliegen die Zusammensetzung des Markenportfolios, die Diversifikation des Leistungsangebots, Wachstum oder Konsolidierung ausschließlich Ihrem Willen als Inhaber und/oder den Gesellschaftern. Die Limitierung durch externe Geschäfts- und Finanzierungspartner sollte also möglichst gering sein.
Zentrales Element einer hohen Unabhängigkeit ist die finanzielle Robustheit. Als Messgrößen können Sie die wirtschaftliche Eigenkapitalquote und den dynamischen Verschuldungsgrad heranziehen. Aus dynamischer Sicht ist es bedeutend, die Schwankungsbreite der eigenen Cashflows möglichst zu reduzieren und von der Entwicklung externer Faktoren abzukoppeln.
Gerade die Unabhängigkeit von externen Faktoren ist unter den Bedingungen einer Welt mit zunehmenden geopolitischen Risiken, die sich z. B. in Unwägbarkeiten der Belieferungssituation durch Störungen globaler Lieferketten oder durch schwankende Leitzinsen manifestieren, von Bedeutung.
Praxistipp | Vor diesem Hintergrund sollten Sie als Autohaus-Inhaber deshalb auf die Diversifikation Ihres Leistungsangebots und die Flexibilisierung von Kosten und Finanzierungsformen setzen. |
Resilienz
Im Rahmen einer Nachhaltigkeitsstrategie bezeichnet Resilienz primär das Erkennen, die Bewertung und die Vermeidung von nicht-finanziellen Risiken. Darunter fallen z. B. Fragen der Fachkräftegewinnung und -sicherung sowie des Auftretens von ungünstigen Konzentrationen in der Kunden- und Lieferantenstruktur oder Veränderungen im Wettbewerbsverhalten zentraler Konkurrenten. Je höher die Kenntnis- und Freiheitsgrade sind, derartigen Entwicklungen entgegenzuwirken, desto resilienter ist Ihr Autohaus.
Ergänzende – nicht zu unterschätzende – Aspekte für die Strategieumsetzung in Ihrem Autohaus sind die Fähigkeit Ihrer Mitarbeiter und Führungskräfte, mit Stresssituationen umzugehen sowie die Verankerung von Nachhaltigkeitskomponenten in den Vergütungsbestandteilen.
Transparenz
Transparenz bezieht sich zum einen auf den Grad der Vorbereitung und Dokumentation von Entscheidungen und zum anderen auf die Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen. Wesentlich ist hier die Integration und Gleichbehandlung nicht-finanzieller Kennzahlen im Vergleich zu den herkömmlichen Controllinggrößen in der Unternehmensführung.
Welche Fragen Sie sich stellen – und beantworten – müssen
Die folgenden Leitfragen bieten eine erste Orientierung, wo Ihr Autohaus auf dem Weg zu einer Nachhaltigkeitsstrategie steht.
Checkliste / Acht Leitfragen zur Selbsteinschätzung | |
Formulieren und kommunizieren Sie eine Vision und einen Geschäftszweck („Purpose“), auf dessen Basis Sie eine generationenübergreifende, autonome Unternehmensexistenz anstreben? | ❒ |
Gibt es eine wirksame „Family-Governance“ z. B. in Form verbindlicher Konfliktlösungsmechanismen sowie einen kompetenten und wirksamen Beirat oder Aufsichtsrat? | ❒ |
Weist Ihr Autohaus auf Basis von Diversifizierung in neuen Geschäftsfeldern oder Marktanteilsgewinnung in bestehenden Geschäftsfeldern dauerhaft ein positives reales Umsatz- und Ergebniswachstum auf, das nicht nur auf Preissteigerungen basiert? | ❒ |
Ist der Einfluss externer Risiken auf das Ergebnis Ihres Autohauses gering und liegt die Gesamtkapitalrendite klar über dem vom Risikoumfang abhängigen Kapitalkostensatz? | ❒ |
Ist das Risikodeckungspotential (Eigenkapital und Liquiditätsausstattung) belegbar deutlich größer als der Gesamtrisikoumfang bzw. der Eigenkapitalbedarf (z. B. gemessen anhand des Value at Risk)? | ❒ |
Verfügt Ihr Autohaus über motivierte und hoch kompetente Mitarbeiter und ist es konsistent attraktiv für externe Bewerber? | ❒ |
Sind die Wertschöpfungsprozesse krisensicher und gelingt es, kritische Abhängigkeiten von wenigen Kunden, Lieferanten und Finanzierungspartnern zu vermeiden? | ❒ |
Liegen bei sämtlichen unternehmerischen Entscheidungen, die Sie als Inhaber oder Geschäftsführung treffen, dokumentierte Entscheidungsvorlagen vor, die alle wesentlichen Faktoren abwägend enthalten (z. B. Handlungsoptionen, Annahmen, Prognosen sowie ermittelte Auswirkungen auf das aggregierte Chancen-/Risikoprofil des Autohauses?) | ❒ |
Wichtig | Handlungsbedarf im Strategieprozess bzw. ganz grundsätzlich in der Art und Weise der Unternehmensaufstellung besteht dann, wenn Sie diese – aus Sicht der Nachhaltigkeit substantiellen Fragen – nicht zweifelsfrei und auch quantitativ belegbar zustimmend beantworten können.
AUSGABE: ASR 5/2024, S. 26 · ID: 49997482