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WerkstattrechtKunden-Kfz wird während Schließzeit auf Autohaus-Betriebsgelände ramponiert: Wer haftet?
| Sie vereinbaren einen Reparaturtermin mit einem Kunden, der will das Fahrzeug bereits am Vorabend nach Betriebsschluss vorbeibringen und den Schlüssel einwerfen – gang und gäbe und an sich überhaupt kein Problem. Doch was ist, wenn das Kundenfahrzeug über Nacht beschädigt wird oder gar abhanden kommt? Verletzen Sie dann Ihre Obhutspflicht? Aufschluss gibt ein aktuelles Urteil des AG Reinbek. Und das ist für Autohäuser durchaus erfreulich. |
Beschädigung nach Abstellen außerhalb der Öffnungszeiten
Im Fall vor dem AG Reinbek hatte ein Kunde sein Fahrzeug außerhalb der Öffnungszeiten auf dem Betriebsgelände eines Autohauses abgestellt. Den Fahrzeugschlüssel warf er in den Briefkasten. Am folgenden Morgen wies das Fahrzeug Beschädigungen auf. Kühler und Stoßfänger vorne waren defekt, die Kühlflüssigkeit war ausgelaufen. Die an das Autohaus angeschlossene Kfz-Werkstatt reparierte den Schaden. Dafür stellte sie dem Kunden 1.280,76 Euro in Rechnung. Weil das Autohaus das Fahrzeug nur gegen Zahlung der Rechnung herausgeben wollte, beglich der Kunde die Rechnung – unter Vorbehalt. Dann klagte er. Er war der Ansicht, dass mit Verbringen des Fahrzeugs auf das Autohaus-Betriebsgelände das Autohaus eine Obhutspflicht begründet habe. Darum forderte der Kunde vom Autohaus die Zahlung von Schadenersatz wegen Verletzung der Obhutspflicht aus dem Reparaturvertrag sowie die Rückzahlung der unter Vorbehalt geleisteten Reparaturkosten.
AG Reinbek sieht keine Obhutspflicht verletzt
Das AG Reinbek wies den Kunden mit seiner Forderung ab. Das Autohaus habe seine Obhutspflicht nicht verletzt und hafte für die Beschädigungen am Fahrzeug nicht aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB (AG Reinbek, Urteil vom 22.08.2023, Az. 11 C 26/23, Abruf-Nr. 240792).
Eine Obhutspflicht aus dem Reparaturvertrag treffe das Autohaus nämlich erst mit Inbesitznahme des Fahrzeugs. Durch das Abstellen des Fahrzeugs auf dem Betriebsgelände des Autohauses außerhalb der Öffnungszeiten und das Einwerfen des Fahrzeugschlüssels sei noch kein Verwahrungsvertrag zustande gekommen. Zudem sei es dem Autohaus gar nicht möglich gewesen, das Fahrzeug ordentlich in Besitz zu nehmen und unter Verschluss zu halten, weil der Kunde es ja außerhalb der Öffnungszeiten auf dem für jedermann zugänglichen Betriebsgelände abgestellt hatte. Somit habe das Autohaus auch keine Obhutspflicht getroffen.
Und selbst wenn – im Rahmen der Obhutspflicht wäre das Autohaus nur dazu verpflichtet gewesen, nach den vom BGH mit Urteil vom 19.11.1996 (Az. X ZR 75/95, Abruf-Nr. 97302) aufgestellten Grundsätzen Maßnahmen zu treffen, die
- technisch praktikabel,
- effektiv,
- unter Berücksichtigung des Betriebsablaufs zumutbar und
- mit Rücksicht auf den Wert des in Obhut genommenen Fahrzeugs erforderlich sind.
Diesen BGH-Grundsätzen hätte das Autohaus genügt, so das AG Reinbek.
Urteil in Einklang mit höhergerichtlicher Rechtsprechung
Das Urteil des AG Reinbek steht nicht allein. Ähnlich urteilte das LG Stade im Jahr 2020. In dem Fall war ein VW T5 nach der Reparatur von einem nicht eingezäunten Betriebsgelände einer Werkstatt gestohlen worden. Das Gericht vertrat die – äußerst werkstattfreundliche – Auffassung, das Autohaus habe keine Pflichtverletzung begangen, indem es das Fahrzeug (VW T5) nicht in einem umschlossenen oder eingezäunten Raum abgestellt habe.
Wichtig | Das LG Stade hat aber auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass etwas anderes gelten könne, wenn bei dem abgestellten Fahrzeug ein erhöhtes Diebstahlrisiko bestünde. Das könne z. B. bei Luxusfahrzeugen oder Oldtimern der Fall sein; der VW T 5 habe aber kein erhöhtes Diebstahlrisiko aufgewiesen. Deswegen hat das OLG Celle auch per Hinweisbeschluss die landgerichtliche Entscheidung bestätigt (OLG Celle, Beschluss vom 18.02.2021, Az. 5 U 134/20, Abruf-Nr. 240794).
Folgen und Handlungsempfehlungen für Autohäuser
Die Urteile des AG Reinbek und des LG Stade sind für Autohäuser mit angeschlossener Kfz-Werkstatt durchaus erfreulich, zumal sie die Obhutspflicht des Autohauses konkretisieren und die Anforderungen nicht überspannen.
Aus den Urteilen folgt: Es reicht bei „normalen“ Fahrzeugen, wenn Sie
- die Kundenfahrzeuge auf Ihrem Betriebsgelände abstellen,
- die Kundenfahrzeuge sorgfältig verschließen und
- den Fahrzeugschlüssel sorgfältig verwahren.
Wenn einer Ihrer Mitarbeiter jeden Abend die Fahrzeuge auf Ihrem Betriebsgelände daraufhin überprüft, ob Fenster, Türen und Kofferraum ordnungsgemäß verschlossen sind und Sie die Fahrzeugschlüssel in einem Tresor verwahren, reicht das aus. Eine Prüfung, ob sämtliche Fahrzeuge vorhanden sind, fordert das Landgericht nicht.
Bei hochpreisigen Fahrzeugen oder wertvollen Einzelstücken ist jedoch zu einer solchen Prüfung zu raten. Für diese Fahrzeuge wird auch die Unterbringung in einem umschlossenen oder eingezäunten Raum erforderlich sein. Denn hier besteht ein allseits ersichtliches erhöhtes Diebstahlrisiko.
AUSGABE: ASR 5/2024, S. 3 · ID: 49994118