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AutokaufrechtAktuelle Rechtsprechung rund um den Autokauf: Diese drei Urteile müssen GW-Händler kennen

Abo-Inhalt29.02.2024361 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Dr. Paul Derabin, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hannover, und Rechtsreferendarin Dominka Pisula

| Rund um den Verkauf von Gebrauchtwagen kommt es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten – Konflikte vor Gericht gibt es viele. Nicht alle sind relevant für Sie als GW-Händler. Kennen sollten Sie aber drei Urteile aus den vergangenen Jahren, um nicht die gleichen Fehler wie die Händler in den Urteilsfällen zu begehen. ASR macht Sie damit vertraut. |

„Fliegender Zwischenhändler“ – darüber müssen Sie aufklären

Zwischen GW-Händler und GW-Käufer besteht naturgemäß eine gegensätzliche Interessenlage. Allein schon deswegen kommt es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Ein echter Klassiker vor Gericht: Die Aufklärungs- und Offenbarungspflicht. Konkreter: Wann muss der GW-Händler über die genauen Umstände aufklären, wie er den Gebrauchtwagen beschafft hat? Und wie ist bei einem „fliegenden Zwischenhändler“ zu verfahren?

Grundsätzlich gilt: Über konkrete Beschaffung müssen Sie nicht aufklären

Wegen der gegensätzlichen Interessenlage sind Sie als GW-Händler dazu verpflichtet, den Käufer über alle für seine Kaufentscheidung wesentlichen Umstände aufzuklären, weil dieser auf Ihre Fachkunde vertraut. Grundsätzlich keinen seine Kaufentscheidung beeinflussenden Umstand stellt jedoch die konkrete Beschaffung des Gebrauchtwagens dar. Mit anderen Worten: Sie müssen Ihrem Käufer – zumindest solange der eine Privatperson ist – also in der Regel nicht mitteilen, wie, wann und von wem Sie den zum Verkauf stehenden Gebrauchtwagen beschafft haben.

Erwerb von einem „fliegenden Zwischenhändler“ ist immer offenzulegen

Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn die Umstände rund um den Erwerb des Gebrauchtwagens den Verdacht nahelegen, dass es während der Besitzzeit des Voreigentümers zu einer unsachgemäßen Behandlung gekommen ist. Und das ist immer der Fall , wenn Sie den Wagen von einem fliegenden Zwischenhändler erwerben.

Haben Sie also einen Gebrauchtwagen kurze Zeit vor dem Weiterverkauf von einem nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragenen „fliegenden Zwischenhändler“ erworben, müssen Sie den Käufer immer darüber informieren. Das hat der BGH bereits im Jahr 2009 klargestellt. Der Erwerber eines Gebrauchtwagens könne nämlich davon ausgehen, dass

  • der GW-Händler den Wagen von demjenigen erworben hat, der auch als letzter Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen ist, und
  • dieser Verkäufer Kenntnis von Vorschäden hat und sie auch offenbart, weil er ansonsten neben zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen auch eine strafrechtliche Verfolgung fürchten muss.

Beides sei bei einem fliegenden Zwischenhändler nicht der Fall. Er könne von Vorschäden nicht wissen und müsse faktisch keine Konsequenzen fürchten, weil er nicht greifbar ist. Deswegen läge auch der Verdacht nahe, dass es zu einer unsachgemäßen Behandlung des Wagens (z. B. Manipulation am Kilometerzähler) gekommen sei (BGH, Urteil vom 16.12.2009, Az. VIII ZR 38/09, Abruf-Nr. 100088). Dass die BGH-Aussagen noch immer Gültigkeit besitzen, untermauern zwei aktuelle Urteile vom OLG Brandenburg und vom OLG Koblenz.

OLG Brandenburg: Unterlassene Aufklärung ist arglistige Täuschung

Im Fall vor dem OLG Brandenburg hatte ein GW-Händler einen erstmals in den USA zugelassenen Gebrauchtwagen von einem „fliegenden Zwischenhändler“ erworben. Der hatte den Gebrauchtwagen lediglich kurze Zeit in Litauen in Besitz und nicht auf sich zugelassen, war also nicht in der Zulassungsbescheinigung II eingetragen. Darüber hinaus war er nach der Verkaufsabwicklung für den GW-Händler nicht mehr greifbar. All das teilte der GW-Händler seinem Käufer beim Weiterverkauf des Gebrauchtwagens nicht mit; er sagte ihm lediglich, dass das Fahrzeug aus den USA re-importiert worden sei. Später brachte der Käufer den Gebrauchtwagen in eine Werkstatt, um Reparaturen vornehmen zu lassen. Dort erfuhr er, dass ein massiver Unfallschaden vorgelegen habe, von dem er bis dato nichts wusste. Der Käufer focht den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und verlangte von dem Kfz-Händler u. a. den Kaufpreis zurück.

Obwohl der GW-Händler vor Gericht angab, nichts von einem Unfallschaden gewusst zu haben, hatte die Klage des Käufers Erfolg: Der Kfz-Händler hätte dem Käufer mitteilen müssen, wie er das Fahrzeug erworben hat. Diese Aufklärungspflicht habe der GW-Händler verletzt. Es sei nämlich nicht ausreichend, nur darüber zu informieren, dass der Gebrauchtwagen aus den USA re-importiert wurde; vielmehr hätte der Kfz-Händler den Zwischenaufenthalt in Litauen erwähnen müssen. Dabei käme es auf etwaige betrügerische Absichten des beklagten GW-Händlers letztlich gar nicht erst an; für den Vorwurf der arglistigen Täuschung reiche es aus, dass der GW-Händler es mindestens für möglich hielt und gleichzeitig billigend in Kauf nahm, dass der Käufer annimmt, der Gebrauchtwagen sei unmittelbar aus den USA nach Deutschland importiert worden (OLG Brandenburg, Urteil vom 20.04.2023, Az. 10 U 50/22, Abruf-Nr. 239568).

PraxistippS | Das Urteil des OLG Brandenburg unterstreicht die Verantwortung von GW-Händlern, Käufer über wichtige Aspekte der Fahrzeughistorie aufzuklären, insbesondere wenn der GW unter Umständen erworben wurde, die auf verdeckte Mängel oder Vorschäden hindeuten könnten. Konkret heißt das:

  • Klären Sie den Käufer darüber auf, wenn der Verdacht naheliegt, dass der Vorbesitzer unsachgemäß mit dem Gebrauchtwagen umgegangen ist.
  • Ist ein „fliegender Zwischenhändler“ im Spiel, weisen Sie den Käufer stets und ungefragt darauf hin.

OLG Koblenz: Aufklärungspflicht gilt auch bei bloßer Vermittlungstätigkeit

Noch einen Schritt weiter geht das OLG Koblenz. In dem Fall war ein GW-Händler im Kundenauftrag tätig; Streitgegenstand war ebenfalls ein gebrauchter US-Import-Wagen. Der Kunde, für den der GW-Händler als Vermittler auftrat, war in Litauen wohnhaft. In der Zulassungsbescheinigung Teil II war jedoch nicht er, sondern ein Dritter mit Wohnsitz in Deutschland ausgewiesen. Darüber, dass der in Litauen ansässige Eigentümer und eben nicht der Halter mit Wohnsitz in Deutschland als Verkäufer auftritt, informierte der GW-Händler den Käufer nicht.

Obwohl der Kaufvertrag nicht mit dem GW-Händler zustande gekommen ist, hat das OLG Koblenz dem Käufer Schadenersatz wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung zugesprochen. Die Begründung des Gerichts: Der GW-Händler hafte persönlich auf Grundlage der „Expertenhaftung“ (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 S. 2 BGB). Schließlich führte er als Vermittler die gesamten Vertragsverhandlungen bis zum Abschluss des Kaufvertrags im Rahmen seiner Tätigkeit als Händler allein; zum eigentlichen Verkäufer hatte der Käufer zu keinem Zeitpunkt Kontakt. Deshalb habe der GW-Händler besonderes Vertrauen des Käufers in Anspruch genommen – und im Rahmen dieses vorvertraglichen Schuldverhältnisses gegen seine Aufklärungspflichten verstoßen. Diese Konstellation sei genauso zu behandeln wie die eines „fliegenden Zwischenhändlers“. Bereits die Diskrepanz zwischen der Person des Verkäufers und dem Inhalt der Zulassungsbescheinigung Teil II sei nämlich geeignet, Zweifel an der Verlässlichkeit der Händlerangaben aufkommen zu lassen. Der Käufer durfte also davon ausgehen, dass der Gebrauchtwagen ohne Umwege aus den USA nach Deutschland importiert wurde (OLG Koblenz, Urteil vom 16.05.2023, Az. 3 U 151/23, Abruf-Nr. 239569).

Wichtig | Die gerichtliche Durchsetzung etwaiger Ansprüche des Käufers gegen den in Litauen ansässigen Verkäufer wäre zwar an sich möglich gewesen, weil der Verkäufer – im Gegensatz zum „fliegenden Zwischenhändler“ – namentlich bekannt gewesen war. Sie wäre jedoch wegen grenzüberschreitenden Bezugs deutlich erschwert gewesen.

Praxistipp | Ob die Pflicht zur Aufklärung über den „fliegenden Zwischenhändler“ auch gilt, wenn ein GW-Händler nicht als Vertragspartner, sondern als Vermittler auftritt, ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Dennoch sollten Sie dem Käufer in vergleichbaren Fällen einen entsprechenden Hinweis geben. Obligatorisch ist dieser jedenfalls, wenn sich der Gerichtsstand Ihres Autohauses im Gerichtsbezirk des OLG Koblenz befindet.

Bei Probefahrt ist gutgläubiger Erwerb trotz Ortung möglich

Ein weiterer Klassiker vor Gericht ist der gutgläubige Erwerb von Gebrauchtwagen, gerade im Zusammenhang mit Probefahrten. Nicht selten kommt es nämlich vor, dass ein vermeintlicher Kaufinteressent nach einer Probefahrt nicht mehr zurückkehrt und den Gebrauchtwagen unter Vorlage gefälschter Fahrzeugpapiere an einen nichtsahnenden Dritten veräußert. Dann stellt sich die Frage: Wer ist nun rechtmäßiger Eigentümer des Gebrauchtwagens?

Im Wege des gutgläubigen Erwerbs ist es nämlich möglich, ein Fahrzeug auch von einem „Nicht-Eigentümer“ zu erwerben. Rechtlicher Knackpunkt in solchen Fallkonstellationen ist zumeist die Frage, ob der GW-Händler den Besitz an dem Gebrauchtwagen freiwillig oder unfreiwillig (= Abhandenkommen i. S. v. § 935 Abs. 1 S. 1 BGB) verloren hat. Das unfreiwillige Abhandenkommen würde einen gutgläubigen Erwerb nämlich ausschließen.

Grundsatz: Freiwilliger Besitzverlust ermöglicht gutgläubigen Erwerb

Der BGH sieht die Sache so: Überlassen Sie einen Gebrauchtwagen für eine gewisse Dauer auf einer öffentlichen Straße einem Kaufinteressenten für eine unbegleitete, nicht überwachte (z. B. durch technische Vorrichtung) Probefahrt, führt das zu einem freiwilligen Besitzverlust. Schließlich sind Sie in dieser Zeit nicht mehr im Besitz des Gebrauchtwagens und haben auch keine Einwirkungsmöglichkeit mehr auf den Gebrauchtwagen. Der Freiwilligkeit stehe auch nicht entgegen, dass der vermeintliche Kaufinteressent den GW-Händler über seine Erwerbsabsichten getäuscht hat. Glaubt also der Käufer (= Dritte), dass der Anbieter des Gebrauchtwagens ( = vermeintlicher Kaufinteressent) tatsächlich dessen Eigentümer ist, wird er nach Übergabe rechtmäßiger Eigentümer des Gebrauchtwagens. Dem betrogenen GW-Händler blieb nur der Anspruch auf Schadenersatz; die Herausgabe des Gebrauchtwagens vom gutgläubigen Erwerber konnte er nicht mehr verlangen (BGH, Urteil vom 18.09.2020, Az. V ZR 8/19, Abruf-Nr. 217887).

Ob der gutgläubige Erwerb durch einen Dritten auch möglich ist, wenn der Gebrauchtwagen über eine eingebaute SIM-Karte geortet werden kann, musste das OLG Celle klären.

OLG Celle: Gutgläubiger Erwerb ist trotz Ortungsmöglichkeit möglich

Im Fall vor dem OLG Celle hatte ein GW-Händler einen Gebrauchtwagen für eine unbegleitete Probefahrt an einen vermeintlichen Kaufinteressenten herausgegeben. In dem Gebrauchtwagen waren zwei SIM-Karten verbaut, die eine Ortung durch die Polizei und mit Unterstützung des Fahrzeugherstellers ermöglichten. Doch trotz dieser Überwachungsmöglichkeit habe der GW-Händler seinen Besitz am Gebrauchtwagen verloren. Die im Urteilsfall verwendeten SIM-Karten stellten nämlich keine technische Vorrichtung dar, die einer Begleitung gleichkämen. Zwar müsse die technische Vorrichtung die Entwendung des Gebrauchtwagens nicht tatsächlich verhindern können, es sei aber auch nicht ausreichend, dass eine bloße Überwachungsmöglichkeit bestünde. Folglich habe der GW-Händler seinen Besitz freiwillig verloren und der spätere Käufer das Eigentum am Gebrauchtwagen gutgläubig erworben (OLG Celle, Urteil vom 12.10.2022, Az. 7 U 974/21, Abruf-Nr. 231941).

Wichtig | Offen gelassen hat das OLG jedoch explizit, ob die Situation anders zu beurteilen wäre, wenn die SIM-Karten dem Kfz-Händler selbst eine Ortungsmöglichkeit eröffnet hätten.

Praxistipp | Das rechtlich sicherste Herangehen ist es, Kaufinteressenten bei Probefahrten immer zu begleiten. Selbst wenn es Ihrem Mitarbeiter nicht gelingen sollte, den sich letztlich als Betrüger entpuppten Kaufinteressenten an der Entwendung des Gebrauchtwagens zu hindern, haben Sie so einen unfreiwilligen Besitzverlust erlitten. Die Entwendung stellt dann ausschließlich ein Abhandenkommen dar, sodass Dritte nicht das rechtmäßige Eigentum am Gebrauchtwagen gutgläubig erwerben können.

AUSGABE: ASR 3/2024, S. 5 · ID: 49905242

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