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Psychologie der Gesprächsführung (Teil 3)So können Sie auf Verhandlungstricks reagieren
| Egal, ob große oder kleine Auftraggeber – manche Gegenüber versuchen bei Honorarverhandlungen Verhandlungstricks. Darum lohnt es sich, sich vorab Gedanken über mögliche Verhandlungsstrategien der Gegenseite zu machen. Das gehört zu der Recherche im Vorfeld dazu, die Teil 1 dieser AK-Artikelserie erläutert hat (AK 24, 52). Sie sollten sich überlegen: Wie kann ich auf mögliche Verhandlungstricks reagieren? Und gibt es Situationen, in denen es besser ist, nicht zu reagieren? |
1. Taktik: Unpünktlichkeit
Verspätetes Eintreffen zu vereinbarten Terminen ist nicht nur unhöflich, sondern signalisiert auch eine deutliche Herabsetzung des Verhandlungspartners. Indem man den Verhandlungspartner warten lässt, schwächt man dessen Position.
Mögliche Reaktion: Legen Sie für sich eine Zeitspanne fest, wie lange Sie warten wollen. Danach gehen Sie zu anderen Dingen über. Ihre Mitarbeiter am Empfang können den Mandanten darüber informieren, dass der Termin aufgrund der Verspätung nun nicht mehr zu realisieren ist, und einen neuen Terminvorschlag übermitteln. Oder Sie selbst verlassen den Warteraum bei Ihrem potenziellen Mandanten und informieren den dortigen Empfang, dass Sie sich wegen eines neuen Termins melden werden.
2. Taktik: Hinhalten
Eine andere Zeit-Taktik bezieht sich auf die Endtermine von Verhandlungen. Gibt es eine Zeit, zu der Sie bzw. Ihr Verhandlungspartner die Besprechung abgeschlossen oder die Honorarabrede unter Dach und Fach haben müssen? Der eine Gesprächsteilnehmer kann den anderen (zeitgebundenen) leicht unter Druck setzen, indem er die Verhandlung bewusst in die Länge zieht. Die Verhandlungsposition desjenigen, der so in Zeitnot gerät, wird dadurch deutlich geschwächt.
Mögliche Reaktion: Weniger eine spontane Reaktion als eine gute Vorbereitung ist es, für jeden Termin ausreichend Zeitpuffer einzuplanen. Wenn Sie Ihren Verhandlungspartner nicht gut kennen, geben Sie niemals die Ihnen tatsächlich zur Verfügung stehende Zeitspanne an, sondern immer eine halbe bis eine Stunde weniger. So können Sie gelassen auf jede Verzögerungstaktik reagieren.
3. Taktik: Unterbrechungen
Der gleiche psychologische Mechanismus greift, indem das Verhandlungsgespräch laufend unterbrochen und gestört wird, zum Beispiel weil Ihr Gegenüber immer wieder Telefonanrufe entgegennimmt, sich Notizen macht, die nicht mit Ihrem Thema zusammenhängen, oder mit hereinkommenden Mitarbeitern spricht.
Mögliche Reaktion: Sobald Ihr vorab festgelegtes „Maß voll ist“, vertagen Sie das Gespräch auf einen anderen Termin. Bestimmen Sie dazu einen anderen Rahmen, der Störungsfreiheit ermöglicht, und begründen Sie diesen Standortwechsel offen.
4. Taktik: Hierarchische Sitzordnung
Wo wer Platz nimmt, definiert Hierarchien. Es ist ein großer Unterschied, ob der eine Verhandlungspartner auf einem edlen Bürosessel hinter einem mächtigen Schreibtisch sitzt und der andere auf einem einfachen Stuhl davor oder ob Sie beide ebenbürtig an einem Besprechungstisch sitzen.
Mögliche Reaktion: Wenn Ihnen aus offensichtlich taktischen Gründen ein Platz „mit niedrigem Status“ angeboten wird, können Sie kontern (sofern eine Auswahl besteht): „Vielen Dank, aber ich sitze gerne hier [auf dem anderen Platz]“. Oder Sie stellen einfach die Stühle etwas um. Falls Sie keinerlei Möglichkeit haben, die Sitzordnung in Ihrem Sinne zu beeinflussen, hilft es, sich den Trick bewusst zu machen und eine Extraportion Selbstbewusstsein zu zeigen. Auch eine „Landnahme“ durch das großzügige Ausbreiten der eigenen Unterlagen auf dem Tisch signalisiert Selbstsicherheit.
5. Taktik: „Good cop, bad cop“
Falls Ihnen bei einer Honorarverhandlung zwei Personen gegenübersitzen, achten Sie darauf, ob sie das altbekannte, aber immer noch effektive „Good-cop-bad-cop“-Rollenspiel zu spielen versuchen: Der eine Verhandlungspartner lehnt als „bad cop“ Ihre Honorarvorstellungen strikt ab, der andere gibt vor, Ihre Position zu verstehen, und setzt vermeintlich auf Entgegenkommen. Der Plan dahinter ist, dass Sie den „good cop“ als Verbündeten akzeptieren und dessen – in Wirklichkeit gar nicht so kulante – Vorschläge akzeptieren.
Mögliche Reaktion: Das Wichtigste ist, das Rollenspiel zu durchschauen und keine Zugeständnisse ohne Gegenleistung zu machen (siehe dazu Teil 2 dieser AK-Artikelserie, AK 24, 59).
6. Taktik: Süßholzraspelei
Nur allzu menschlich ist es, Aufmerksamkeit und Anerkennung zu genießen. Verhandlungspartner werden zugänglicher, wenn man diesem Bedürfnis nach Bestätigung entgegenkommt. Das können Sie im Sinne positiver Kommunikation für sich einsetzen – entweder als ehrliches Lob für Ihr Gegenüber, oder indem Sie Ihrem Gesprächspartner das Glücksgefühl gönnen, sich selbst als klug, eloquent und/oder besonders verhandlungsstark zu empfinden. Auf diese Weise positiv gestimmt, wird er Ihren Honorarvorstellungen vermutlich offener entgegenkommen. Verzichten Sie aber auf falsche Schmeicheleien und erkennen und entschärfen Sie deren Absicht, wenn Ihr Gegenüber sie einsetzt.
Mögliche Reaktion: Bedanken Sie sich für das Lob und führen Sie das Gespräch explizit auf den gerade diskutierten Punkt zurück: „Vielen Dank für Ihre anerkennenden Worte. Das freut mich. Letztlich hat das aber keinen Einfluss auf den Punkt, den wir gerade besprachen …“.
7. Taktik: Moralappelle
Manche Verhandlungspartner wechseln auf die moralische Ebene, wenn sie mit Sachargumenten keinen Erfolg haben. Sie appellieren dann an Ihre Integrität, Ihren Einsatz für Gerechtigkeit und an die hohen Wertvorstellungen, die Ihrem bisherigen Handeln zugrunde lägen. Da man bei diesem Mandat gemeinsam für das Gute kämpfe, könne das Honorar doch nicht so sehr im Vordergrund stehen.
Mögliche Reaktion: Stimmen Sie zunächst der Werteaussage zu, nutzen Sie sie dann aber für sich: „Genau, bei diesem Mandat geht es um entscheidende Werte. Und gerade aufgrund dieser Werte ist es mir wichtig, alle Mandanten gleich zu behandeln. Die vorigen Mandanten haben dieses fair berechnete Honorar gezahlt, und die folgenden Mandanten werden die gleichen Konditionen bekommen.“
8. Fazit: Faires Verhandeln lohnt sich
Wesentlich ist, unfaire Verhandlungstaktiken bei Honorarverhandlungen zu erkennen und die Ruhe zu bewahren. Nehmen Sie Einwände nicht persönlich. Vor allem: Argumentieren Sie weder sofort dagegen noch stimmen Sie dem Einwand zu. Lassen Sie sich nicht beeindrucken oder in die Defensive drängen, sondern behalten Sie Ihr eigentliches Ziel im Blick. Wenn Sie etwas Zeit benötigen, überbrücken Sie mit Sätzen wie „Ihre Einschätzung erstaunt mich“ oder „Ich frage mich, wie Sie zu dieser Meinung gekommen sind“ und führen Sie Ihren potenziellen Mandanten dann sachlich zum Thema zurück.
Sie können immer diese allgemeinen Regeln beherzigen Praxistipp | Unfaire Verhandlungstricks behindern nicht nur eine korrekte (Honorar-)verhandlung, sondern vergiften auch die Beziehung zwischen Anwalt und Mandant – egal, welche Seite sie einsetzt. Es kann sich bezahlt machen, auf Mandanten zu verzichten, für die solche Manipulationsversuche zum Verhandlungsalltag gehören. Im Übrigen gilt: Die Reaktion des Anwalts auf unfaire Verhandlungstricks hängt von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. Sie sollten die Situation genau einschätzen, angemessen reagieren und sich an den allgemeinen Grundsätzen orientieren:
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AUSGABE: AK 5/2024, S. 88 · ID: 49909523