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GesetzentwurfDiese Änderungen sind für die weitere Digitalisierung der Justiz vorgesehen
| Für die Justiz sind weitere Rechtsanpassungen im Bereich des ERV und der elektronischen Aktenführung in allen Verfahrensordnungen geplant. Der Beitrag gibt einen Überblick über den Entwurf für ein „Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz“ (BR-Drucksache 126/24, iww.de/s10777). |
1. Allgemeine Änderungen
Allgemein ist vorgesehen, dass Papierakten, die vor dem 1.1.26 angelegt wurden, als Hybridakte weitergeführt werden dürfen: Die in Papier angelegten Aktenteile können weiterhin in Papier geführt werden. Es ist jedoch auch die Weiterführung der Akte elektronisch möglich (z. B. § 32 Abs. 1a StPO-E).
Bestimmten Verfahrensbeteiligten soll es in allen Verfahrensordnungen ermöglicht werden, die prozessuale Schriftform für von Naturalbeteiligten oder Dritten in Papierform unterzeichnete Anträge oder Erklärungen, z. B. Insolvenzanträge, durch elektronische Übermittlung als Scan zu wahren. Die Regelung im Straf- und Bußgeldverfahren soll auf professionelle Verfahrensbeteiligte, Verteidiger und Rechtsanwälte beschränkt werden.
2. Änderungen in der StPO
Die elektronische Nutzungspflicht nach § 32d S. 2 StPO soll auf die Rücknahme der Berufung und der Revision sowie den Einspruch gegen den Strafbefehl und dessen Rücknahme erstreckt werden. Die Nutzungspflicht gilt nicht für den Verzicht auf Berufung oder Revision (in der Hauptverhandlung).
Um einen Strafantrag/einer Strafanzeige zu stellen, soll in Zukunft gelten:
- Entsprechend der bisherigen Praxis soll die einfache Strafanzeige i. S. d. § 158 Abs. 1 StPO auch elektronisch möglich sein. Lediglich die die Anzeige aufnehmende Person muss sie entsprechend protokollieren oder in sonstiger Weise dokumentieren. Schriftlich oder elektronisch eingereichte Strafanzeige oder -anträge werden zum Ermittlungsvorgang oder zur Akte genommen.Strafantrag/-anzeige: Schriftformerfordernisse werden ersetzt
- Ist ein förmlicher Strafantrag für die Strafverfolgung erforderlich (= bisheriger Fall des § 158 Abs. 2 StPO), soll entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zum nicht digitalen Strafantrag die Schriftform und ihr elektronisches Äquivalent nach § 32a StPO künftig nicht mehr erforderlich sein. Voraussetzung dafür ist, dass die Identität und der Verfolgungswille der antragstellenden Person aus der Erklärung und den Umständen ihrer Abgabe eindeutig ersichtlich sind.
Die derzeitigen Schriftformerfordernisse für die Einwilligungen in Maßnahmen nach §§ 81f, 81g und 81h StPO, die Bestätigung des Erhalts der Belehrung nach § 114b Abs. 1 StPO oder der Verzicht auf Einwendungen gegen die Einziehung nach § 424 Abs. 2 StPO sollen in der neuen StPO entfallen. Künftig soll die Möglichkeit bestehen, dass die Dokumentation der Abgabe der Erklärung durch die Strafverfolgungsbehörden eine Unterschrift entbehrlich macht.
An der Revisionshauptverhandlung (§ 350 StPO) sollen künftig Angeklagte, ihre gesetzlichen Vertreter, Verteidiger sowie die Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft auf ihren jeweiligen Antrag hin durch die Nutzung von Videokonferenztechnik auch von einem anderen Ort aus teilnehmen können. Das Gleiche soll für Nebenkläger, Nebenklageberechtigte sowie die Personen gelten, die nach § 397 Abs. 2 S. 3, § 404 Abs. 3, § 406h Abs. 2 S. 2, § 429 Abs. 1 und § 444 Abs. 2 S. 1 StPO von dem Termin zu benachrichtigen sind.
3. Änderungen im OWiG
In der Praxis gibt es immer wieder Streit um den Anwendungsbereich des § 110c OWiG, insbesondere um die Frage, ob § 32d S. 2 StPO, auf den § 110c OWiG verweist, auch für den durch einen Rechtsanwalt eingelegten Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gilt. Diese Rechtsunsicherheit soll durch eine klare Regelung im künftigen § 110c OWiG ausdrücklich geregelt werden. Danach sollen auch der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid, die Rücknahme und der Verzicht auf den Einspruch unter die Nutzungspflicht fallen.
4. Änderung im RVG
Bisher kann der Rechtsanwalt wegen § 10 Abs. 1 S. 1 RVG seine Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Diese Form des „Einforderns“ ist in der Praxis kritisiert worden, weil seitens der Anwalt- und der Mandantschaft ein Bedürfnis nach einer möglichst einfachen und barrierefreien elektronischen Übermittlung der Berechnung besteht. Bisher ist aber eine qeS erforderlich.
Vor diesem Hintergrund soll für die Vergütungsberechnung künftig die Textform genügen. Die zivil-, straf- und standesrechtliche Verantwortung von Rechtsanwälten für die Richtigkeit der Vergütungsberechnung bleibt von der vorgeschlagenen Änderung aber unberührt. Dies soll in der Formulierung in § 10 Abs. 1 S. 1 RVG-E zum Ausdruck kommen, wonach (nur) der Rechtsanwalt die Vergütung fordern kann. Er muss die Mitteilung der Berechnung an den Auftraggeber veranlassen, sofern er sie nicht selbst vornimmt. Einer eigenhändigen Unterschrift des Rechtsanwalts unter der Berechnung bedarf es jedoch nicht mehr.
5. Änderungen in der ZPO und im ArbGG
Durch einen neuen § 130e ZPO-E bzw. § 46h ArbGG-E sollen die wirksame Abgabe und der wirksame Zugang von empfangsbedürftigen Willenserklärungen erleichtert werden, die in bei Gericht elektronisch eingereichten Schriftsätzen enthalten sind.
Eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der gesetzlich oder rechtsgeschäftlich bestimmten materiell-rechtlichen Schriftform (§§ 126, 127 Abs. 1 und 2 BGB) oder elektronischen Form (§§ 126a, 127 Abs. 1 u. 3 BGB) bedarf, soll als in dieser Form zugegangen gelten. Sie muss dazu in einem Schriftsatz nach Maßgabe der prozessualen Vorgaben des § 130a ZPO als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder formlos mitgeteilt (vergleiche § 270 ZPO) werden. Die Regelung ist tatbestandlich auf vorbereitende Schriftsätze i. S. d. §§ 129, 130 ZPO bezogen. Über die Verweise insbesondere in § 70 Abs. 2, § 253 Abs. 4, § 519 Abs. 4, § 520 Abs. 5, § 549 Abs. 2, § 551 Abs. 4 und § 575 Abs. 4 ZPO ist sie aber auch auf bestimmende Schriftsätze anwendbar. Vergleichbare Regelungen finden sich im ArbGG.
Entlastungen des BEG IV-E (BR-Drucksache 129/24, iww.de/s10778) |
Das Bundeskabinett hatte sich auf seiner Klausurtagung am 29./30.8.23 in Meseberg auf ein sog. Bürokratieabbaupaket geeinigt. Als Teil dieses Pakets hat die Bundesregierung ihren Entwurf für ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV-E) vorgestellt. Das Gros der Entlastungen des BEG IV-E entfällt dabei u. a. auf folgende, für Rechtsanwälte und Steuerberater relevante Maßnahmen:
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Beachten Sie | Der Bundestag hat 17,5 Mio. Euro für Digitalisierungsprojekte im Justizbereich freigegeben. Diese Mittel sind Teil eines umfassenderen Budgets von insgesamt 200 Mio. Euro. Im Fokus dieser Initiative steht die Verbesserung der Effizienz und Zugänglichkeit der Justizdienstleistungen durch den Einsatz moderner Technologien, insbesondere auch die Entwicklung einer maschinellen Übersetzungsplattform für die Anwendung in Rechtsstreitigkeiten mit Auslandsbezug oder die Einführung elektronischer Gefangenenakten (vgl. RA MICRO News, iww.de/s10779).
AUSGABE: AK 5/2024, S. 83 · ID: 49970020