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MandatsverhältnisDas gilt bei Durchsuchungen/Beschlagnahmen in der Kanzlei
| Ausforschungsdurchsuchungen und Beschlagnahmen bei einem bislang unverdächtigen Berufsangehörigen sind unzulässig, auch wenn gegen einen Mandanten der Verdacht einer Straftat besteht. |
Abruf-Nr. 227650
Das Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 StPO schützt mandatsbezogene Unterlagen beim Berufsangehörigen vor einer Sicherstellung. Dieser Schutz entfällt nur, wenn der Berater selbst an der betreffenden Tat beteiligt ist (§ 97 Abs. 2 S. 2 StPO). Dafür ist schon vor der Maßnahme ein konkreter Tatverdacht gegen den Berater selbst zwingend erforderlich. Eine Durchsuchung bzw. die Durchsicht oder Beschlagnahme von Unterlagen darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die erst zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind (vgl. BVerfG 30.11.21, 2 BvR 2038/18, Abruf-Nr. 227650).
Übersicht / Das gilt bei Durchsuchungen und Beschlagnahmen in der Kanzlei | |
Welche Durchsuchungsmöglichkeiten gibt es? | Je nach Stellung des Betroffenen kann eine Durchsuchungsmaßnahme nach § 102 StPO (beim Beschuldigten) oder nach § 103 StPO (bei dritten Personen, also auch beim Rechtsanwalt oder Steuerberater) erfolgen. |
Muss der Berater mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten? | Berufsgeheimnisträger können sich in Verfahren gegen den Beschuldigten gegenüber den Ermittlungsbehörden auf ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht berufen (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO), das sich gleichfalls auf die „Berufshelfer“, also Hilfspersonen, wie Schreibkräfte, Buchhalter oder Assistenten, erstreckt (§ 53a StPO). |
Wie weit reicht das Zeugnisverweigerungsrecht? | Das Zeugnisverweigerungsrecht betrifft alle – schriftlich oder mündlich mitgeteilten – Tatsachen, die der Mandant seinem Berater bei dessen Berufsausübung anvertraut; erforderlich ist nur ein Mandatsbezug. Nur nicht spezifisch mandatsbezogene Tatsachen fallen nicht hierunter, etwa Informationen über Urlaubsreisen und dergleichen. |
Gibt es Grenzen für den Zugriff der Ermittler? | Mandatsbezogene Gegenstände, die sich im Besitz eines Berufsgeheimnisträgers befinden, unterliegen prinzipiell einem Beschlagnahmeverbot (§ 97 Abs. 1 StPO). |
Was ist im Einzelnen vom Beschlagnahmeverbot betroffen? | § 97 Abs. 1 StPO betrifft schriftliche Mitteilungen zwischen Berater und seinem Mandanten (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO), Aufzeichnungen des Beraters über ihm anvertraute oder bekannt gewordene mandatsbezogene Umstände (§ 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO), andere Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO), z. B. Urkunden des Mandanten oder Unterlagen eines Dritten, die der Mandant übergeben hat. |
Was unterliegt nicht dem Beschlagnahmeverbot? | § 97 Abs. 1 StPO betrifft nicht Dokumente und Belegsammlungen, die im öffentlichen Interesse geführt werden (z. B. Buchhaltungen mit dazugehörigen Geschäftsbriefen, Firmenbelegen und Bilanzen) sowie Unterlagen, die der Mandant dem Berater zur Verwahrung oder gar zum Verstecken übergeben hat. „Gewerbliche Verwahrung“ oder „Lagerhaltung“ gehört nicht zu den berufsspezifischen Tätigkeiten eines Beraters; das Gesetz schützt nicht den Missbrauch von Privilegierungen und schafft keine Refugien. |
Wann entfällt das Beschlagnahmeverbot? | Das Privileg entfällt, wenn gegen den Berater selbst ermittelt wird (§ 97 Abs. 2 S. 3 StPO), weil er als Mittäter oder als Teilnehmer an einer Tat seines Mandanten verdächtig ist, oder weil der Verdacht einer Begünstigung (§ 258 StGB), Strafvereitelung (§ 257 StGB) bzw. Hehlerei (§ 259 StGB) im Raum steht, wenn die Maßnahme Deliktsgegenstände betrifft. Deliktsgegenstände sind Gegenstände, die durch eine Straftat hervorgebracht wurden, aus ihr herrühren oder zur Tatbegehung gebraucht oder verwendet wurden (§ 97 Abs. 2 S. 3 StPO), z. B. manipulierte Bilanzen oder tatbezogener Schriftverkehr mit Geschäftspartnern. |
Was gilt für Verteidigerunterlagen? | Verteidigerunterlagen (= alle Unterlagen/Gegenstände, die ein Verteidigungsverhältnis betreffen, Verteidigerpost und ihre Entwürfe, unabhängig vom Ort ihrer Aufbewahrung) sind beschlagnahmefrei. Das Verhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem genießt umfassenden Schutz. |
AUSGABE: AK 12/2022, S. 201 · ID: 48534652