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ReligionsfreiheitVerwaltung muss keine sichtbaren Symbole der Religion dulden

Abo-Inhalt24.04.2024384 Min. Lesedauer

| Eine öffentliche Verwaltung kann das sichtbare Tragen von Zeichen, die weltanschauliche oder religiöse Überzeugungen erkennen lassen, verbieten, um ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu schaffen. Eine solche Regel ist nicht diskriminierend, wenn sie allgemein und unterschiedslos auf das gesamte Personal dieser Verwaltung angewandt wird und sich auf das absolut Notwendige beschränkt. |

Zu diesem Ergebnis kam der EuGH (28.11.23, C-148/22, Abruf-Nr. 241009). Zum Streit kam es, weil eine belgische Gemeinde einer Bediensteten, die als Büroleiterin ganz überwiegend ohne Publikumskontakt tätig ist, untersagte, am Arbeitsplatz das islamische Kopftuch zu tragen. Anschließend änderte die Gemeinde ihre Arbeitsordnung und schrieb in der Folge ihren ArbN eine strikte Neutralität vor: Jede Form von Proselytismus ist untersagt, und das Tragen von auffälligen Zeichen ideologischer oder religiöser Zugehörigkeit ist allen ArbN, auch denen, die keinen Publikumskontakt haben, verboten. Die Betroffene fühlte sich diskriminiert und in ihrer Religionsfreiheit verletzt.

Dem mit dem Rechtsstreit befassten Arbeitsgericht Lüttich stellt sich die Frage, ob die von der Gemeinde aufgestellte Regel der strikten Neutralität eine gegen das Unionsrecht verstoßende Diskriminierung begründet. Der EuGH antwortete, dass die Politik der strikten Neutralität, die eine öffentliche Verwaltung ihren ArbN gegenüber durchsetzen will, um bei sich ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu schaffen, als durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt angesehen werden kann.

Ebenso gerechtfertigt ist die Entscheidung einer anderen öffentlichen Verwaltung für eine Politik, die allgemein und undifferenziert das Tragen von sichtbaren Zeichen u. a. weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen, auch bei Publikumskontakt, gestattet, oder ein Verbot des Tragens solcher Zeichen beschränkt auf Situationen, in denen es zu Publikumskontakt kommt. Die Mitgliedstaaten und die unterhalb der staatlichen Ebene angesiedelten Einheiten verfügen über einen Wertungsspielraum bei der Ausgestaltung der Neutralität des öffentlichen Dienstes, die sie in dem für sie spezifischen Kontext am Arbeitsplatz fördern wollen. Dieses Ziel muss aber in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden, und die zu seiner Erreichung getroffenen Maßnahmen müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken. Es ist Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob diese Anforderungen erfüllt sind.

Weiterführende Hinweise
  • 20 wichtige Entscheidungen zum Thema „Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft“ in AA 23, 177
  • Öffentlicher ArbG muss Ausweichtermin für schwerbehinderten Bewerber anbieten: LAG Hessen in AA 23, 101
  • Beweislastverteilung bei Benachteiligung aufgrund einer Behinderung: BAG in AA 23, 203

AUSGABE: AA 5/2024, S. 73 · ID: 49999280

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