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HinweisgeberschutzgesetzEs geht los: ArbN fordert vom ArbG über 44.500 EUR Schadenersatz nach dem HinSchG
| Die Vorschriften der §§ 35-37 HinSchG sind nur auf Personen anwendbar, die intern gemäß § 17 HinSchG oder extern nach § 28 HinSchG Meldung erstattet haben. |
Sachverhalt
Mit der Klage wollte der ArbN u. a. einen Schadenersatz gem. § 37 HinSchG knapp über 44.500 EUR gegen den ArbG erreichen. Eine vom ArbN beantragte weitere Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags bis zum Erreichen des 70. Lebensjahres lehnte der ArbG ab.
Der ArbN meint, die Absage sei ausschließlich deshalb erfolgt, weil er anlässlich eines Personalgesprächs auf Missstände im Klinikum (Verhalten des Mitarbeiters B gegenüber einem Patienten) hingewiesen habe. In dem Personalgespräch habe man ihn als „unkollegial“ bezeichnet und ihm in dem weiteren Personalgespräch ein Abordnungsschreiben überreicht und mitgeteilt, man werde das Arbeitsverhältnis nicht erneut verlängern. Somit stehe ihm Schadenersatz gem. §§ 36, 37 HinSchG in Höhe von 44.572,34 UR zu. Er sei auch hinweisgebende Person im Sinne des HinSchG, da er zum Zeitpunkt seiner Beschwerde mangels Bestehens eine interne Meldestelle nicht habe anrufen können.
Der ArbG meint, ein Schadenersatzanspruch bestehe nicht. Der ArbN sei bereits keine „hinweisgebende Person“, da er keine Meldung an die gesetzlich vorgesehene und bestehende externe Meldestelle veranlasst habe. Auch liege kein Verstoß im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG vor. Schließlich sei hausintern bereits zuvor entschieden worden, das schon damals belastete Arbeitsverhältnis mit dem ArbN nicht weiter zu verlängern. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass jedenfalls bis zum Jahresende 2023 beim ArbG keine „interne Meldestelle“ im Sinne von § 12 HinSchG eingerichtet war.
Entscheidungsgründe
Das Arbeitsgericht Hamm (16.2.24, 2 Ca 1229/23, Abruf-Nr. 241011) wies die Klage ab. Der ArbN habe keinen Anspruch auf Schadenersatz in Form entgangener Arbeitsvergütung im Sinne von § 37 Abs. 1 HinSchG unabhängig davon, ob seine Berechnung zutreffe oder nicht. Der ArbN habe keinen Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 37 Abs. 1 HinSchG.
Zwar seien gem. § 36 Abs. 1 S. 1 HinSchG Repressalien gegen hinweisgebende Personen verboten. Gemäß § 36 Abs. 2 HinSchG werde auch vermutet, dass die erlittene Benachteiligung eine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung (§ 32 HinSchG) der hinweisgebenden Person sei. Der ArbN sei aber keine „hinweisgebende Person“ im Sinne dieser Vorschrift und genieße somit auch nicht den Schutz der §§ 36, 37 HinSchG. Dies ergebe sich bereits aus § 33 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG, wonach die Vorschriften der §§ 35 bis 37 HinSchG nur auf hinweisgebende Personen anwendbar seien, die intern gemäß § 17 HinSchG oder extern gemäß § 28 HinSchG Meldung erstattet haben.
Dies folge auch aus § 1 Abs. 1 HinSchG, wonach natürliche Personen geschützt werden, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach dem Gesetz vorgesehenen Meldestellen gemeldet oder offengelegt haben.
Der ArbN habe weder die damals noch nicht bestehende interne Meldestelle des ArbG (§ 17 HinSchG) informiert, noch externe Meldestellen im Sinne von §§ 19 ff., 28 HinSchG. Dass der ArbG nach Inkrafttreten des HinSchG noch keine interne Meldestelle eingerichtet habe und auch noch nicht musste (vgl. § 40 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG in Verbindung mit § 42 Abs. 2 HinSchG), führe nicht dazu, den Anwendungsbereich des HinSchG – gegen den Gesetzeswortlaut – dahin gehend zu erweitern, dass dieses auch für Beschwerden bzw. Hinweise im Rahmen von Personalgesprächen gelte. Denn es wäre für den ArbN ein Leichtes gewesen, die Beschwerde, so er dies wollte, gegenüber der eingerichteten externen Meldestelle zu erklären.
Aus Sicht der Kammer würden die formalen Anforderungen der §§ 13 ff., 24 ff HinSchG neben dem Schutz der durch die Hinweise belasteten Mitarbeiter auch dem Eigenschutz hinweisgebender Personen vor unbedachten und spontanen „Meldungen“ dienen, etwa anlässlich von Personalgesprächen sowie dem Schutz der Beschäftigungsgeber.
Der ArbN habe auch keine Informationen über Verstöße im Sinne von § 32 HinSchG in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HinSchG offengelegt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG lägen erkennbar nicht vor. Der ArbN habe keine externe Meldung erstattet.
Auch die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG lägen nicht vor. Der ArbN habe nichts dazu vorgetragen, dass ein hinreichender Grund zu der Annahme bestanden haben soll, dass einer der in § 32 Abs. 1 Nr. 2 a) bis c) HinSchG genannten Fälle vorliegt (vgl. Dzida/Seibt, Neues Hinweisgeberschutzgesetz: Analyse und Antworten auf Praxisfragen in NZA 23, 657, Ziffer 3 und Dzida, der sachliche Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes in ArbRB 23, Heft 12/23, S. 1 ff, 3).
Relevanz für die Praxis
Nicht jede Beschwerde über betriebliche Missstände oder negative Äußerungen macht einen ArbN automatisch zur „hinweisgebenden Person“ im Sinne des HinSchG. Dessen Schutzbereich ist nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamm nur bei Meldungen an die interne oder externe gesetzlich vorgeschriebene Meldestelle eröffnet.
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AUSGABE: AA 5/2024, S. 75 · ID: 49999450