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MitbestimmungKann der ArbG seinen ArbN die Handynutzung verbieten, ohne den Betriebsrat zu beteiligen?
| Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht, wenn der ArbG den ArbN die private Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit untersagt, um eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung sicherzustellen. |
Sachverhalt
Der ArbG stellt Brems- und Kraftstoffsysteme für Fahrzeuge her. Antragsteller ist der für seinen Betrieb gebildete Betriebsrat. An einigen Arbeitsplätzen in der Produktion sowie den Bereichen Versand und Wareneingang kommt es zuweilen – etwa aufgrund eines notwendigen Maschinenumbaus oder ausstehender Wareneingänge – zu Arbeitsunterbrechungen. Während dieser Zeiten werden die ArbN teilweise vom ArbG anderweitig eingesetzt oder sie sollen – ohne konkrete Anweisung im Einzelfall – anfallende Nebenarbeiten erledigen. Hierzu gehören zum Beispiel das Aufräumen des Arbeitsplatzes oder das Nachfüllen von Verbrauchsmaterial.
Der ArbG wies die ArbN durch eine im Betrieb ausgehängte Mitarbeiterinformation mit der Überschrift „Regeln zur Nutzung privater Handys während der Arbeitszeit“ darauf hin, dass „jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit nicht gestattet“ sei. Bei Verstößen sei mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen „bis hin zur fristlosen Kündigung“ zu rechnen. Der Betriebsrat forderte den ArbG unter Hinweis auf ein Mitbestimmungsrecht vergeblich auf, diese Maßnahme zu unterlassen. Er ist der Ansicht, der ArbG habe mit der einseitigen Anordnung sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verletzt. Das Verbot betreffe das Ordnungsverhalten der ArbN im Betrieb. Die Verwendung von Mobiltelefonen und Smartphones kollidiere nicht in jedem Fall mit der vertraglichen Pflichterfüllung. Das gelte insbesondere für solche Zeiten, in denen keine Arbeit anfalle.
Der Betriebsrat beantragte, dem ArbG aufzugeben, es zu unterlassen, die Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit zu verbieten, solange er dem Verbot nicht zugestimmt habe oder seine fehlende Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden sei.
Die Vorinstanzen wiesen die Anträge ab.
Entscheidungsgründe
Das BAG (17.10.23, 1 ABR 24/22, Abruf-Nr. 239207) wies die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch seien nicht gegeben. Das vom ArbG ausgesprochene Verbot, Mobiltelefone und Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit zu benutzen, unterfalle nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Anders als von ihm angenommen, stehe ihm kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu. Das vom ArbG ausgesprochene Verbot sei in erster Linie auf die Steuerung des Arbeitsverhaltens gerichtet.
Die Weisung des ArbG ziele darauf ab, zügiges und konzentriertes Arbeiten der ArbN sicherzustellen, indem mögliche Ablenkungen privater Natur durch die Verwendung dieser Geräte unterbunden werden sollen. Die Handys würden über eine Vielzahl unterschiedlichster Funktionen verfügen, die die Aufmerksamkeit der ArbN binden und sie von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung abhalten oder zumindest ablenken könnten. So könnten neben dem Führen von Telefonaten durch verschiedene Messengerdienste Sprach- und Wortmitteilungen versendet oder entgegengenommen, auf im Internet verfügbare Inhalte und soziale Netzwerke zugegriffen, Filme oder Videos angesehen, sowie Musik abgespielt und gegebenenfalls elektronische Spiele gespielt werden.
Die genannten Verwendungsarten würden sich dadurch auszeichnen, dass sie jeweils eine aktive Bedienung des jeweiligen Geräts erfordern. Diese solle während der Arbeitszeit unterbleiben. Damit sei das vom ArbG ausgesprochene Verbot in erster Linie auf die Steuerung des Arbeitsverhaltens gerichtet. Auch Anweisungen, die die zu verrichtenden Tätigkeiten zwar nicht unmittelbar konkretisieren, aber gleichwohl ihre Erbringung sicherstellen sollen, würden das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betreffen.
Entgegen der Ansicht des Betriebsrats sei eine andere Beurteilung nicht deshalb geboten, weil das streitbefangene Verbot Zeiträume mit umfasse, in denen es aus betrieblichen Gründen zu Arbeitsunterbrechungen kommen könne. Der ArbG sei auch während dieser Zeiten aufgrund seines Direktionsrechts berechtigt, die Arbeitsleistung der ArbN abzufordern und ihnen bestimmte Aufgaben zuzuweisen. Darüber hinaus solle die Anordnung sicherstellen, dass die ArbN diese Zeiträume nutzen, um selbstständig etwaige Nebenarbeiten auszuführen. Damit sei insoweit ebenfalls nicht das Ordnungs-, sondern das – mitbestimmungsfreie – Arbeitsverhalten betroffen. Ob es zu einer konkreten Beeinträchtigung der Arbeitsleistung durch die Nutzung von Mobiltelefonen und Smartphones zu privaten Zwecken komme oder kommen könne, sei belanglos.
Unerheblich sei, dass sich das vom ArbG ausgesprochene Verbot auch auf das Ordnungsverhalten der ArbN auswirken könne. Zwar sei nicht ausgeschlossen, dass die Nutzung von Mobiltelefonen und Smartphones während der Arbeitszeit das betriebliche Zusammenwirken berühre, etwa weil Musik oder Videos (zu) laut abgespielt würden oder das Führen privater Telefonate andere ArbN störe. Der Umstand, dass eine arbeitgeberseitige Maßnahme nicht nur das Arbeitsverhalten, sondern auch das Ordnungsverhalten betreffe, habe aber nicht schon zur Folge, dass damit die gesamte Maßnahme auf das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der ArbN gerichtet wäre.
Ob eine Maßnahme, die beide Bereiche berühre, der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliege, hänge vom überwiegenden Regelungszweck ab. Im Streitfall liege der Schwerpunkt der Untersagung auf der Steuerung des mitbestimmungsfreien Arbeitsverhaltens. Die wesentlichen Verwendungsarten von Mobiltelefonen und Smartphones (insbesondere das Telefonieren, das Lesen und Versenden von Kurznachrichten, die Nutzung sozialer Medien und das Anschauen von Videos) würden eine Betätigung des Geräts erfordern und die Aufmerksamkeit des einzelnen ArbN für eine zumindest kurze Zeit erfordern. Dadurch könne es zu Arbeitsunterbrechungen, zu unkonzentriertem Arbeiten oder zur mangelnden Erledigung anfallender Nebenarbeiten kommen. Eine entsprechende Untersagung betreffe daher typischerweise und in erster Linie das Arbeitsverhalten.
Für das Mitbestimmungsrecht komme es zudem nicht darauf an, ob eine Nutzung von Mobiltelefonen und Smartphones als sozialadäquat anzusehen und ein entsprechendes Verbot deshalb individualrechtlich unzulässig sei oder das Persönlichkeitsrecht der ArbN verletze. Die bloße – etwaige – Rechtswidrigkeit einer arbeitgeberseitigen Weisung begründe weder ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG noch lasse sie dieses entfallen, wenn die Voraussetzungen der Norm vorliegen.
Relevanz für die Praxis
Das BAG stellte zudem fest, dass der Betriebsrat sein Begehren auch nicht auf § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG stützen könne. Ein Mitbestimmungsrecht hiernach sei nur dann gegeben, wenn eine dem Arbeits- und Gesundheitsschutz dienende gesetzliche Handlungspflicht des ArbG bestehe, die aufgrund Fehlens zwingender gesetzlicher Vorgaben betriebliche Regelungen verlange, um das Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen (BAG 13.9.22, 1 ABR 22/21). Im Ausgangsfall fehle es schon an einer solchen Handlungspflicht des ArbG.
AUSGABE: AA 2/2024, S. 25 · ID: 49875806