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ZRZahnmedizinReport

ZR-FachgesprächAmalgamverbot 2025: Welche Alternativen stehen zur Verfügung?

Abo-Inhalt19.02.20253110 Min. Lesedauer

| Seit dem 01.01.2025 darf Dentalamalgam in der Europäischen Union in der Regel nicht mehr für die zahnärztliche Behandlung verwendet werden. Einige bewährte, alternative Materialien stehen als von den gesetzlichen Krankenkassen übernommene Füllungswerkstoffe bereit. Dr. med. dent. Kerstin Albrecht hat Professor Dr. med. dent. Sebastian Paris zu den einzelnen Materialklassen befragt. |

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Bild: Dr. Paris - bearbeitet IWW

Redaktion: Herr Professor Paris, welche Materialien stehen heute als Alternativen zu Dentalamalgam zur Verfügung?

Paris: Wir haben einige bewährte Alternativmaterialien, allerdings nicht das eine Material, was Amalgam komplett ersetzen könnte. Jedes Material hat spezifische Vor- und Nachteile, weshalb die Wahl des Restaurationsmaterials individuell erfolgen sollte. Dabei sind Faktoren wie die Patienten-Compliance, das Kariesrisiko, der Zustand der Restzahnsubstanz, die Kavitätengröße und die Möglichkeit einer zuverlässigen Trockenlegung entscheidend.

Die verfügbaren Materialien lassen sich grundsätzlich in zwei Gruppen einteilen:

  • Die plastischen Restaurationswerkstoffe, die einen zusätzlichen Haftvermittler benötigen, wozu die dentalen Komposite – einschließlich der Bulkfill-Komposite –, Kompomere und Alkasite gehören.
  • Daneben gibt es selbstadhäsive Materialien, die ohne zusätzliche Haftvermittler wie einem Primer oder Adhäsiv auskommen. Dazu gehören Glasionomerzemente (GIZ), kunststoffmodifizierte GIZ, Glas-Hybride und selbstadhäsive Komposit-Hybride.

Redaktion: Im BEMA ist in Gebührenposition 13 festgelegt, dass im Seitenzahnbereich selbstadhäsive Materialien zulasten der gesetzlichen Krankenkasse zum Einsatz kommen können. Schauen wir uns diese Materialien einmal näher an und beginnen mit den Glasionomerzementen.

Paris: Die Glasionomerzemente, also GIZ, werden sich vermutlich als das meistgenutzte Material herausstellen, wenn keine Zuzahlung geleistet werden soll oder kann. GIZ eignen sich insbesondere für kleinere bis mittelgroße Defekte im Seitenzahnbereich und Zahnhals (Klasse V). Laut S3-Leitlinie „Direkte Kompositrestaurationen“ besteht ein starker Konsens, dass sie in spezifischen Indikationen wie kleinen Kavitäten, eingeschränkter Patientenmitarbeit und erhöhtem Kariesrisiko bei Klasse-I- und -II-Kavitäten an bleibenden Zähnen verwendet werden können. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Produkte für permanente Restaurationen im kaulasttragenden Bereich zugelassen sind.

Redaktion: Die Materialklasse der GIZ ist nicht homogen. Welche Vorteile bieten kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente gegenüber herkömmlichen Glasionomerzementen, und in welchen Indikationsbereichen kommen sie bevorzugt zum Einsatz?

Paris: Kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente stellen eine Weiterentwicklung der herkömmlichen Glasionomerzemente dar, da sie neben Silikatglaspulver methacrylierte Polyacrylsäure enthalten. Weitere Bestandteile sind meist HEMA, also ein photopolymerisierbares Monomer und Wasser. Neben der Lichthärtung läuft die Säure-Basen-Reaktion des GIZ ab. Die Aushärtung ist insgesamt langsamer als bei konventionellem GIZ. Die Empfehlungen zur direkten Versorgung von Klasse-I- und -II-Kavitäten an bleibenden Zähnen gelten auch für diese Materialgruppe.

Redaktion: Wie beurteilen Sie die Glashybride?

Paris: Für Glashybride existieren mittlerweile ausreichend gute klinische Daten für den Seitenzahnbereich. Das Zweistufenkonzept aus einer hochviskösen Glasionomerkomponente und einem Kompositüberzug hat einige Vorteile. Dieses Coating versiegelt die Oberfläche des GIZ und schützt diesen vor Feuchtigkeitskontamination direkt nach der Applikation. Darüber hinaus verbessert es die mechanische Belastbarkeit und reduziert die Rauigkeit, wodurch die Abrasion sowie die Plaqueakkumulation verringert werden können.

Redaktion: Wie sieht es mit den selbstadhäsiven Komposit-Hybriden aus?

Paris: Selbstadhäsive Komposit-Hybride sind moderne Materialien, die durch spezielle Zusätze chemisch am Zahn haften und ebenfalls keinen Haftvermittler benötigen. Sie bieten hohe Kaustabilität, erreichen jedoch geringere Haftwerte als konventionelle Komposite mit Haftvermittler. Langzeitdaten zur Anwendung sind bisher begrenzt. Komposit-Hybride sind derzeit allerdings nicht am Markt verfügbar.

Redaktion: Kommen wir noch auf die Materialgruppe der Alkasite, die nicht zu den selbstadhäsiven Materialien gehören. Was ist das genau?

Paris: Alkasite sind eine relativ neue Materialgruppe ionenfreisetzender, dualhärtender Komposite. Der Name setzt sich aus den enthaltenen basischen (alkalischen) Füllstoffen und dem Wort „Komposit“ zusammen.

Die Polymerisationsreaktion wird nach dem Anmischen (teilweise als Kapselsystem) initiiert und kann optional auch mittels Lichthärtung erfolgen. Die Abgabe von Fluorid- und Kalziumionen soll kariesprotektiv wirken. Allerdings weist das Material praktisch keine Eigenhaftung auf. Mit einem speziellen Primer, der in Europa und den USA verfügbar ist, waren die Überlebensraten in Studien mit bisher vorliegenden 1- und 3-Jahresdaten gut. Aufgrund spezieller, größerer Partikel in ionenabgebenden Materialien ist die Polierbarkeit generell nicht ideal und die Ästhetik nicht so gut gegeben wie bei klassischem Komposit.

Redaktion: Viele Kolleginnen und Kollegen wünschen sich eine eindeutige Orientierung dazu, welches Material in welcher Indikation als „Kassenmaterial“ eingesetzt werden kann. Ist es überhaupt möglich, hier eine allgemeingültige Aussage zu treffen?

Paris: Nein, die Entscheidung muss wie eingangs besprochen anhand der Kavität sowie patientenbezogenen Parametern getroffen werden. Vermutlich wird sich in den meisten Regionen in Deutschland gar nicht so viel ändern, denn der Anteil der Amalgamfüllungen an allen Füllungen belief sich im Jahr 2023 laut Statistischem Jahrbuch der KZBV auf nur rund 2 Prozent. Wir leben dieses Amalgamverbot in Form eines Phase-Out also im Grunde längst. Der Unterschied ist nur, dass in bestimmten Praxen und Regionen, wo Amalgam noch immer häufiger verwendet wurde, sowie für spezielle Indikationen, wie zum Beispiel schwierige Bedingungen bei vulnerablen Patienten, wir das Material heute praktisch nicht mehr zur Verfügung haben.

Redaktion: Herr Professor Paris, vielen Dank für das Gespräch.

AUSGABE: ZR 3/2025, S. 6 · ID: 50307984

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