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Vermittlerrecht Kann ein Versicherungsmakler (zugleich) als Assekuradeur tätig sein?

Top-BeitragAbo-Inhalt04.08.2025131 Min. Lesedauer

| Assekuradeure sind in der Versicherungsbranche nicht mehr wegzudenken. Üblicherweise übernehmen sie mehr Aufgaben und Funktionen als der „klassische“ Versicherungsvermittler. Doch welche Voraussetzungen muss ein Vermittler erfüllen, um als Assekuradeur tätig werden zu können? In diesem Zusammenhang erreichte VVP die Frage eines Maklers. |

Frage: Nach meiner Kenntnis sind Assekuradeure eher Mehrfachvertreter. Als Versicherungsmakler stellt sich mir die Frage, ob auch ich als Assekuradeur tätig sein könnte und als solcher, etwa mit eigenen Deckungskonzepten, – zum Wohle meiner Kunden – noch intensiver mit Versicherern kooperieren dürfte?

Antwort: Versicherungsmakler und Assekuradeure nehmen unterschiedliche Rollen im Versicherungsvertriebsprozess ein. Der Makler wird ausschließlich im Auftrag und Interesse seiner Kunden tätig, wohingegen der Assekuradeur im Auftrag und Interesse eines Versicherers tätig wird. Infolgedessen kann ein Makler wegen dieser unausweichlichen Interessenkollision nicht zugleich als Assekuradeur fungieren. Allerdings können ein Makler und ein Assekuradeur unternehmensrechtlich getrennt voneinander im Geschäftsverkehr unter einem Firmendach auftreten.

Unterschiedliche Tätigkeitsprofile

Die Tätigkeitsprofile von Versicherungsmaklern und Assekuradeuren unterscheiden sich grundlegend, insbesondere mit Blick auf ihre rechtlichen Verpflichtungen gegenüber ihren jeweiligen Kunden.

Was beim Versicherungsmakler gilt

Der Begriff des Versicherungsmaklers ist im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gesetzlich definiert. Nach § 59 Abs. 3 S. 1 VVG ist Versicherungsmakler, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt auch, wer gegenüber dem VN den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler nach Satz 1 (§ 59 Abs. 3 S. 2 VVG).

Laut BGH gilt der Versicherungsmakler als „treuhänderischer Sachwalter“ bzw. „Bundesgenosse“ seiner Kunden (Urteil vom 22.05.1985, Az. IV ZR 190/83, „Sachwalterurteil“). Aufgrund der besonderen Vertrauensstellung (siehe auch „Dienste höherer Art“ i. S. v. § 627 BGB) handelt er – anders als ein Versicherungsvertreter bzw. Mehrfachgeneralagent/-vertreter – ausschließlich im Interesse seiner Kunden. Er ist von Versicherungsunternehmen unabhängig und nur seinen Kunden gegenüber verpflichtet, nach bestem Wissen und Gewissen für sie die bestmögliche Versicherungslösung zu finden. Ihre Tätigkeit gründet sich typischerweise auf einen Maklervertrag mit den Kunden.

Was beim Assekuradeur gilt

Der Begriff des Assekuradeurs ist gesetzlich nicht speziell definiert. Sein rechtlicher Status ergibt sich daher aus seiner faktischen Tätigkeit als Bindeglied zwischen Versicherer und VN. Allerdings handelt er im Auftrag und im Namen eines oder mehrerer Versicherer, weswegen er meist weitreichende Vollmachten besitzt. Auf deren Basis kann er etwa Policen zeichnen, Prämien festlegen und einziehen, Schäden regulieren und Verträge abschließen, ändern und kündigen. Obwohl der Assekuradeur wie der Makler unternehmerisch eigenständig agiert, ist er aufgrund seines Auftragsverhältnisses zu einem Versicherer nicht wie ein Makler als unabhängig einzuordnen.

Die typische Tätigkeit eines Assekuradeurs im vorstehenden Sinn ist dann auch die eines Versicherungsvertreters (bzw. Mehrfachvertreters) nach § 59 Abs. 2 VVG. Danach ist Versicherungsvertreter, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen, nebst weiterer Befugnisse nach §§ 69 f. VVG. Da Assekuradeure aufgrund ihrer umfangreichen Tätigkeit für einen Versicherer unter diese Definition fallen, sind sie rechtlich als Versicherungsvertreter zu qualifizieren.

Möglicher Interessenkonflikt verbietet Doppelfunktion

Entscheidend für das jeweilige Tätigkeitsprofil ist also, in wessen Auftrag und Interesse der jeweilige Vermittler tätig wird.

  • Der Versicherungsmakler steht ausschließlich im Lager seiner Auftraggeber, seiner Kunden; entsprechend handelt er parteiisch ausschließlich in ihrem Interesse.
  • Der Assekuradeur hingegen ist aufgrund der Beauftragung durch einen Versicherer dessen verlängerter Arm; er ist damit nicht wie der Makler unabhängig. Ein Assekuradeur befände sich im Interessenkonflikt, würde er als Makler und treuhänderischer Sachwalter zu seinen Kunden daneben auch von einem Versicherer beauftragt werden, bestimmte Tätigkeiten zu übernehmen, die in erster Linie im Interesse des Versicherers lägen. Das liefe der klaren Regelung des § 59 Abs. 1 bis 3 VVG zuwider.

Schadenregulierung durch Makler nicht erlaubt

Insbesondere beim Thema Schadenregulierung geriete der Versicherungsmakler in einen Interessenkonflikt zwischen Versicherer und VN, die er als seine Kunden im Rahmen seiner Haupttätigkeit als Sachwalter betreut.

Aus diesem Grund hat der BGH – im Bereich Haftpflichtversicherung, was aber darüber hinaus entsprechend gilt – entschieden, dass die Schadenregulierung im Auftrag eines Versicherers nicht als Nebenleistung zum Berufs- und Tätigkeitsbild eines Versicherungsmaklers gehöre. Weil sie zudem eine konkrete rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordere, würde sie gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstoßen (BGH, Urteil vom 14.01.2016, Az. I ZR 107/14, Abruf-Nr. 186448).

Schadenregulierung durch Assekuradeure erlaubt

Anders liegt es bei Assekuradeuren. Sie dürfen eine Schadenregulierung für Versicherer durchführen, ohne dass es einer Erlaubnis nach dem RDG bedarf (im Bereich der Transportrechtsfälle vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28.06.2017, Az. 3 U 6/17, Abruf-Nr. 197542). Das gilt insbesondere dann, wenn sie den von der Schadenregulierung betroffenen Versicherungsvertrag auch vermittelt haben. Denn dann handelt es sich um eine erlaubte Nebentätigkeit nach § 5 Abs. 1 RDG.

Anders könnte es möglicherweise dann liegen, wenn die Schadenregulierung auch dann durchgeführt würde, wenn ein Assekuradeur den betroffenen Versicherungsvertrag nicht selbst vermittelt hat. Hier könnte argumentiert werden, dass es sich nicht mehr um eine erlaubte Nebentätigkeit handelt, sondern um eine nicht mehr vom RDG gedeckte Haupttätigkeit.

Assekuradeur und Maklergesellschaft unter Firmendach

Wie die Praxis zeigt, existieren innerhalb mancher Unternehmensgruppen Konstruktionen, bei denen ein Unternehmen als Versicherungsmakler und ein anderes Unternehmen als Assekuradeur tätig ist.

Diese Konstruktion ist unbedenklich, wenn es sich um getrennte rechtliche Firmeneinheiten handelt, die jeweils eigenständige Prozesse, Mitarbeiter und Systeme implementiert haben. Diese klare Trennung der Interessen vermeidet rechtliche Überschneidungen.

Beispiel

Ein Maklerunternehmen betreibt Geschäft in der Sparte Industrieversicherung, während eine Schwestergesellschaft als Assekuradeur spezielle Produkte für gewerbliche Nischenmärkte entwickelt, vertreibt und betreut.

Mit Blick auf die klare Trennung können auch Versicherer eigene Assekuradeure oder Versicherungsmakler als Tochterunternehmen gründen. Ebenso können Makler und Assekuradeure zusammenarbeiten.

Umsatzsteuerpflicht für Produktentwicklung und Vermittlung

Eine Trennung auf Unternehmensebene ist bereits aus umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten geboten.

  • Denn die berufstypischen Umsätze eines Versicherungsmaklers sind nach § 4 Nr. 11 UstG umsatzsteuerfrei.
  • Das sieht bei Assekuradeuren, die etwa selbst entwickelte und lizenzierte Versicherungsprodukte (also eigene Deckungskonzepte) vertreiben, anders aus. Denn die Produktentwicklung kann bei Versicherungsvermittlern nicht als berufstypische Leistung angesehen werden. Ist die Produktentwicklung (bzw. Lizenzgewährung) als Hauptbestandteil und der Vertrieb dieses Produkts als einheitliche Leistung zu werten, unterfällt mithin die gesamte Leistung der Umsatzsteuer (EuGH, Urteil vom 25.03.2021, Rs. C-907/19, Abruf-Nr. 222380 – Anm.: Die EuGH-Vorgabe wurde direkt umgesetzt, es gab hierzu keine weitere BFH-Entscheidung.)

Und noch ein kleiner Exkurs am Rande: Assekuradeure, die Produkte entwickeln, sind Hersteller i. S. v. Art. 2 der Delegierten Verordnung (EU 2017/2358). Das bedeutet, dass sie im Rahmen einer Produkt-Überwachung und -Lenkung (Product Oversight and Governance – kurz: POG) sicherstellen müssen, dass jedes Versicherungsprodukt vor der Markteinführung einem Produktfreigabeverfahren unterzogen wird. Dabei müssen sie einen Zielmarkt definieren und potenzielle Kundenrisiken bewerten. Ferner müssen sie sicherstellen, dass das Produkt den Kundenbedürfnissen entspricht und laufend überwachen, ob das Produkt auch im Vertrieb ordnungsgemäß funktioniert. Im Übrigen bleibt ein Hersteller, der das Produkt auch vertreibt, nach besagter europäischer Verordnung ein Hersteller mit entsprechenden POG-Pflichten und wird nicht (auch nicht zusätzlich) ein Vertreiber, der „nur“ verpflichtet wäre, bestimmte Produktvertriebsvorkehrungen zu treffen und einzuhalten.

Produktentwickler benotet Tarife – rechtlich problematisch

Ein Assekuradeur, der Versicherungsprodukte entwickelt und damit Produkthersteller ist, tritt in ein Wettbewerbsverhältnis zu einem Versicherer (Risikoträger). Sollte der Assekuradeur auf seiner Webseite Bewertungen, wie etwa Tarifnoten (1,0-4,0) für Versicherungen im Vergleich geben, um das von ihm entwickelte Versicherungsprodukt zu fördern, könnte – je nach Art und Weise der Benotung – eine unzulässige vergleichende Werbung eines Mitbewerbers (und damit ein Wettbewerbsverhältnis) vorliegen. Die Folge könnte ein Verstoß gegen § 6 UWG sowie Art. 4 lit. c der Richtlinie 2006/114/EG sein. Denn ein Werbevergleich ist nur erlaubt, wenn er sich objektiv und nachprüfbar auf wesentliche Merkmale der Produkte/Dienstleistungen bezieht, z. B. Qualität, Preis oder Funktionen. Ob das bei einer (subjektiven) Benotung gewährleistet ist, erscheint wettbewerbsrechtlich sehr problematisch.

Zu diesem Umkehrschluss muss man kommen mit Blick auf ein jüngeres Verfahren, in dem ein Online-Vergleichsdienst für Waren oder Dienstleistungen (Check24) auf seiner Plattform „Tarifnoten“ (1,0-4,0) für Versicherungen vergab. Ein Versicherer ging dagegen vor mit der Begründung, dies stelle unzulässige vergleichende Werbung eines Mitbewerbers (und damit ein Wettbewerbsverhältnis) dar und verstoße gegen § 6 UWG sowie Art. 4 lit. c der Richtlinie 2006/114/EG. Der EuGH verneinte jedoch eine vergleichende Werbung und somit ein Wettbewerbsverhältnis, weil beide Unternehmen unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen bereitstellen/erbringen und somit nicht in einem Wettbewerbsverhältnis als Mitbewerber zueinanderstehen (EuGH, Urteil vom 08.05.2025, Rs. C-697/23, Abruf-Nr. 248063).

Weiterführender Hinweis
  • Beitrag „Umsatzsteuerpflicht für die Entwicklung und Vermittlung von Versicherungsprodukten“, VVP 6/2021, Seite 15 → Abruf-Nr. 47398468

AUSGABE: VVP 9/2025, S. 3 · ID: 50480487

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