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AltersversorgungPensionszusage und Bilanzierung: Wann ist ein Geschäftsführer dienstunfähig?
| Das FG Hamburg hatte einen Fall zu entscheiden, in dem es um die korrekte steuerbilanzielle Erfassung einer Pensionszusage ging. Strittig war der Eintritt von Invalidität und die korrekte Bilanzierung. VVP stellt Ihnen die Entscheidung sowie die Bedeutung für die Praxis vor. |
Steuerlicher Hintergrund von Pensionszusagen
Eine Pensionszusage ist in der Steuerbilanz im aktiven Arbeits-/Dienstverhältnis mit dem Teilwert zu bilanzieren (§ 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 EStG). Nach Eintritt eines Versorgungsfalls gilt als Teilwert der Barwert der Pensionsverpflichtung; die Pensionsrückstellung wird mit dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen nach § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 2 EStG passiviert. Bei einem vorzeitigen Versorgungsfall führt das regelmäßig zu einer mitunter hohen Zuführung bei den Rückstellungen (sog. Bilanzsprung).
Des Weiteren ist das sog. Nachholverbot des § 6a Abs. 4 S. 1 EStG zu beachten: Eine Pensionsrückstellung darf in einem Wirtschaftsjahr höchstens um den Unterschied zwischen dem Teilwert der Pensionsverpflichtung am Schluss des Wirtschaftsjahrs und am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs erhöht werden. Am Schluss des Wirtschaftsjahrs, in dem das Dienstverhältnis des Pensionsberechtigten unter Aufrechterhaltung seiner Pensionsanwartschaft endet oder der Versorgungsfall eingetreten ist, darf die Rückstellung bis zum Barwert der künftigen Leistungen bilanziert werden (§ 6a Abs. 4 S. 5, 1. Halbs. EStG). Versäumt es die GmbH, im Jahr des Eintritts des Versorgungsfalls die Pensionsrückstellung auf den Barwert der Pensionsverpflichtung aufzufüllen, greift für die folgenden Wirtschaftsjahre das Nachholverbot wieder ein. Das Recht zur Bildung oder Nachholung von Rückstellungen endet prinzipiell mit dem Eintritt des Versorgungsfalls.
Um diesen Pensionszusage-Fall ging es vor dem FG Hamburg
Für einen mittelbar an einer GmbH beteiligten Geschäftsführer (Gf) bestand seit dem Jahr 1992 eine Pensionszusage, die Leistungen bei Ausscheiden aus den aktiven Diensten nach Vollendung des 65. Lebensjahrs sowie bei Dienstunfähigkeit vorsah. Dienstunfähigkeit sollte gemäß Pensionszusage vorliegen, wenn der Gf aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend außerstande ist, seine Tätigkeit für die Gesellschaft auszuüben, was grundsätzlich durch ein Gutachten eines von der Gesellschaft zu benennenden Facharztes nachzuweisen war.
Die Tätigkeit des Gf war von ausgeprägten Reisen, auch ins ferne Ausland, geprägt sowie der aktiven und passiven Teilnahme an Sportveranstaltungen und Stehempfängen. Zur Finanzierung der Zusage hatte die GmbH zwei Rückdeckungsversicherungen mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen abgeschlossen.
Unfall und Fortführung des Dienstverhältnisses in geänderter Form
Im Jahr 2008 verletzte sich der Gf bei einem Reitunfall schwer. Im Jahr 2010 wurde anlässlich des Ausscheidens eines weiteren Gf ein neuer Gf-Anstellungsvertrag mit ihm geschlossen, in dem das Gehalt sowie die Tantieme erhöht wurden. Geregelt wurde auch, dass die Pensionszusage fortgeführt werden sollte. Das Aufgabengebiet wurde jedoch aufgrund des Unfalls angepasst. Das Unternehmen wurde dahingehend umstrukturiert, dass die Reisetätigkeit anderweitig wahrgenommen und eine zweite Führungsebene eingeführt wurde. Der Gf agierte stattdessen vom Büro aus, traf strategische Entscheidungen und leitete das Unternehmen.
Im Jahr 2011 wurde in einer Fachklinik ein unfallchirurgisches Gutachten erstellt, das unter Berücksichtigung der Tätigkeit des Gf in „noch gesunden Tagen“ eine Dienstunfähigkeit hinsichtlich dieser Tätigkeit zu 100 Prozent attestierte.
GmbH bilanziert mit Invalidenrentenbarwert
Bereits 2008 hatte die GmbH Leistungen aus den Rückdeckungsversicherungen beantragt. Allerdings wurden die Leistungen erst 2013 bewilligt, weil die Voraussetzungen für die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nach Prüfung der Versicherungsgesellschaft erst ab dem 01.02.2013 vorlagen. Einvernehmlich wurden die Leistungen in kapitalisierter Form in eine neue Renten-Rückdeckungsversicherung eingebracht.
Im Jahr 2014 teilte die GmbH dem Gf mit, dass zwar auf Basis des unfallchirurgischen Gutachtens die Dienstunfähigkeit als nachgewiesen galt, die Zahlungen aus der Pensionszusage jedoch gegenüber der Gesellschaft so lange ruhen würden, wie er als Gf aktiv für die GmbH tätig wäre.
Im Jahr 2013 bilanzierte die GmbH die Pensionszusage erstmals mit dem Barwert der künftigen Verpflichtungen; daneben wurde die (neue) Renten-Rückdeckungsversicherung aktiviert.
Betriebsprüfer will mit (niedrigerem) Teilwert bilanzieren
Bei einer Betriebsprüfung war der Prüfer der Meinung, die Zusage sei weiterhin mit dem (niedrigeren) Teilwert zu bilanzieren, nicht mit dem Leistungsbarwert. Denn der Leistungsfall sei nicht eingetreten. In der geänderten Tätigkeit und der Übertragung von Verantwortungsbereichen auf Prokuristen sei keine Dienstunfähigkeit zu sehen.
Die GmbH wollte dem nicht folgen, legte erfolglos Wiederspruch ein und klagte schließlich vor dem FG Hamburg.
FG Hamburg: Kein Eintritt eines Leistungsfalls
Die GmbH kam vor dem FG Hamburg nicht durch (FG Hamburg, Urteil vom 15.11.2022, Az. 5 K 126/20, Abruf-Nr. 234998, rechtskräftig).
FG sieht Gf nicht invalide im Sinne der ihm erteilten Pensionszusage
Das FG war nicht hinreichend davon überzeugt, dass der Versorgungsfall eingetreten ist und mit dem Begriff „Dienstunfähigkeit“ in der Pensionszusage nur auf die zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit abgestellt werden sollte. Denn schließlich kann sich die konkrete Tätigkeit eines Gf auch aus anderen Gründen im Zeitablauf ändern, etwa aus Altersgründen, privaten Gründen oder wegen einer anderen Aufgabenverteilung unter den Geschäftsführern. Zudem bestand das Arbeitsverhältnis tatsächlich fort, und es wurden keine Pensionsleistungen bezogen.
Insgesamt war das FG hier der Auffassung, dass sich die in der Pensionszusage definierte Dienstunfähigkeit auf die Tätigkeit als Gf allgemein beziehen sollte, unabhängig davon, welche konkreten Aufgaben er wahrnimmt.
Nachholverbot steht Passivierung mit Barwert entgegen
Das FG macht auch deutlich: Selbst wenn der Versorgungsfall eingetreten wäre, stünde das Nachholverbot des § 6a Abs. 4 S. 1 und 5 EStG einer Erhöhung der Pensionsrückstellung vom Teilwert für einen aktiven Arbeitnehmer auf den Barwert für einen Leistungsempfänger entgegen.
Denn würde man unterstellen, dass der Versorgungsfall eingetreten wäre, wäre dies nicht erst 2013 der Fall gewesen. Denn der Reitunfall passierte im Jahr 2008; im Jahr 2011 lag das ärztliche Gutachten vor. Sprich: Man hätte bereits im Jahr 2008 oder 2011 die Rückstellung auf den Barwert auffüllen müssen, in jedem Fall nicht erst 2013. Hier greift das Nachholverbot, demnach man eine in einem Wirtschaftsjahr zulässige, jedoch unterlassene Rückstellung nicht einfach in einem späteren Wirtschaftsjahr nachholen kann (es sei denn der Versorgungsfall tritt ein oder das Dienstverhältnis endet unter Aufrechterhaltung einer unverfallbaren Anwartschaft).
Bedeutung des Urteils für die Praxis
Bei einer versicherungsrückgedeckten Leistungszusage ist stets zu beachten: Die Rückdeckungsversicherung und die Pensionszusage sind zwei getrennte Rechtsverhältnisse. Werden Leistungen aus der Rückdeckungsver-sicherung fällig, bedeutet dies nicht automatisch, dass auch Leistungen aus der Pensionszusage fällig werden und umgekehrt. Im vorliegenden Fall: Dass die Lebensversicherung im Jahr 2013 den Leistungsfall Berufsunfähigkeit anerkannt hat, hat keine Relevanz für die Frage, ob und wann Invalidität gemäß Pensionszusage eingetreten ist.
Auf kongruente Bedingungen achten! Praxistipps |
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AUSGABE: VVP 6/2023, S. 18 · ID: 49301956