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UmsatzsteuerDas sind die umsatzsteuerlichen Spielregeln bei besonderen Zusatzvergütungen
| In der Praxis wirft die Betätigung als Versicherungsvermittler immer wieder umsatzsteuerrechtliche Fragen auf. VVP greift diese in einer dreiteiligen Beitragsreihe auf. Der folgende dritte Teil nimmt nun besondere Zusatzvergütungen wie beispielsweise einen Büro- und Organisationsbonus unter die Lupe. |
Umsatzsteuerrechtliche Basics für Versicherungsvermittler
§ 4 Nr. 11 UStG befreit die berufstypischen Tätigkeiten eines Versicherungsmaklers oder -vertreters von der Umsatzsteuer. Maßgeblich für die Abgrenzung, wann eine solche berufstypische Leistung vorliegt, ist das Tätigkeitsbild. Entscheidend ist, ob die konkrete Tätigkeit der eines Versicherungsvermittlers „entspricht“ (EuGH, Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03, Abruf-Nr. 050714, Arthur Anderson, Rn. 33; vgl. auch Abschn. 4.11.1 Abs. 2 S. 5 UStAE).
Der wesentliche Aspekt der Versicherungsvermittlungstätigkeit besteht darin, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen (EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07, Abruf-Nr. 081747, Beheer). Erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige zugleich zum Versicherer und zum Versicherten (wenigstens mittelbar) in Beziehung steht (EuGH, Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03, Abruf-Nr. 050714, Arthur Anderson; EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07, Abruf-Nr. 081747, Beheer).
Sind Zusatzvergütungen umsatzsteuerfrei?
Legt man die obigen Grundsätze zugrunde, stellt sich die Frage, ob Zusatzvergütungen, die keinen unmittelbaren Bezug zum Versicherten haben, als Entgelt für eine umsatzsteuerfreie Vermittlungsleistung einzuordnen sind.
Zusatzvergütungen
Während Abschluss-, Inkasso-, Verlängerungs-, Zusatz-, Super-, Folge- sowie Bestandspflegeprovisionen/-courtagen ersichtlich einen direkten Bezug zum konkreten Versicherten haben und zu den Entgelten für steuerfreie Leistungen gehören, erscheint dies bei Zahlungen ohne unmittelbaren Bezug fraglich.
Neben den bereits genannten Provisionen erhalten Versicherungsvertreter beispielsweise häufig Geldbeträge in Form von Werbekosten-/Reklamezuschüssen, Bonifikationen und Gratifikationen. Die Tätigkeiten, die diesen Zahlungen zugrunde liegen, sind nicht zwingend bereits berufstypisch für einen Versicherungsvertreter und fallen dann bei isolierter Betrachtung nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 UStG. Allerdings hängen sie regel-mäßig mit der begünstigten Tätigkeit unmittelbar zusammen und sind nur das Mittel zur optimalen Inanspruchnahme der eigentlichen Vermittlungsleistung. Sie teilen daher als Nebenleistungen das Schicksal der Hauptleistung und sind somit ebenfalls umsatzsteuerfrei.
Ausgleichsanspruch
Nach der Rechtsprechung fällt auch der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB unter die Umsatzsteuerbefreiung. Nach § 89b HGB kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn der Unternehmer aus den vom Vertreter geworbenen Geschäftsverbindungen mit neuen Kunden auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und die Ausgleichszahlung der Billigkeit entspricht.
Dieser gesetzlich vorgesehene Anspruch steht dem Wortlaut nach ersichtlich mit der getanen Vermittlungstätigkeit in Zusammenhang. Es erscheint daher nur konsequent, den finanziellen Ausgleich als Gegenleistung des Versicherers für die Vermittlungsleistungen des Versicherungsvertreters einzustufen (BFH, Urteil vom 25.06.1998, Az. V R 57/97, Abruf-Nr. 234942).
„Büro- und Organisationsbonus“
Ebenfalls steuerfrei ist ein „Büro- und Organisationsbonus“ bzw. eine „Förderprovision“ zur Aufstockung der Grundprovision, wenn die Zahlungen nicht für die Anwerbung neuer Vermögensberater erfolgen, so das FG Niedersachsen (Urteil vom 19.08.2021, Az. 11 K 190/19, Abruf-Nr. 225401, rechtskräftig).
Ein Büro- und Organisationsbonus dient der Finanzierung der Einrichtung, des Unterhalts und Betriebs eines Büros sowie dafür, organisatorische Maßnahmen durchzuführen, die der Förderung der Vertriebstätigkeit dienen. Für die Umsatzsteuerfreiheit ist entscheidend, dass ein spezifischer und wesentlicher Bezug der Zahlungen zu einzelnen Vermittlungsgeschäften besteht. Im konkret vom FG Niedersachsen entschiedenen Fall hing der Bonus vom Gesamterfolg des Versicherungsvermittlers und dem erwirtschafteten (Mindest-)Gruppenumsatz ab, konnte dabei aber auf den einzelnen vermittelten Versicherungsvertrag zurückverfolgt werden.
Bedeutung für die Praxis
Die entscheidende Frage bei Zusatzvergütungen, die im Zusammenhang mit einer Versicherungsvermittlungstätigkeit geleistet werden, aber nicht berufstypisch sind, lautet also regelmäßig: Liegt den Zahlungen eine reine Nebenleistung zur Vermittlungstätigkeit zugrunde? Mit anderen Worten: Ist die Zahlung an den Vertriebserfolg einzelner Vermittlungsgeschäfte geknüpft? Wenn ja, sind die Zahlungen ebenfalls Entgelt für eine umsatzsteuerfreie Leistung. Knüpft die Zahlung dagegen an rein administrative Tätigkeiten für Dritte an, ist sie nicht von der Umsatzsteuer befreit.
Für Sie heißt das: Jede Zusatzvergütung ist auf ihren Bezug zum Vermittlungsgeschäft abzuklopfen. Sie können nicht pauschal von einer Umsatzsteuerbefreiung ausgehen.
AUSGABE: VVP 6/2023, S. 16 · ID: 49317778