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UmsatzsteuerDas sind die umsatzsteuerlichen Spielregeln bei der Schadenregulierung

Top-BeitragAbo-Inhalt20.04.20234502 Min. LesedauerVon Rechtsanwältin Dr. Alena Kirchinger, Flick Gocke Schaumburg Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater Partnerschaft mbB, München

| In der Praxis wirft die Betätigung als Versicherungsvermittler immer wieder umsatzsteuerrechtliche Fragen auf. VVP greift diese in einer dreiteiligen Beitragsreihe auf. Der folgende zweite Beitrag behandelt das Thema Schadenregulierung und wie Sie die umsatzsteuerlichen Hürden nehmen. |

Umsatzsteuerrechtliche Basics für Versicherungsvermittler

§ 4 Nr. 11 UStG befreit die berufstypischen Tätigkeiten eines Versicherungsmaklers oder -vertreters von der Umsatzsteuer. Maßgeblich für die Abgrenzung, wann eine solche berufstypische Leistung vorliegt, ist das Tätigkeitsbild. Entscheidend ist, ob die konkrete Tätigkeit der eines Versicherungsvertreters „entspricht“ (EuGH, Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03, Abruf-Nr. 050714, Arthur Anderson, Rn. 33; vgl. auch Abschn. 4.11.1 Abs. 2 S. 5 UStAE).

Der wesentliche Aspekt der Versicherungsvermittlungstätigkeit besteht darin, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen (EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07, Abruf-Nr. 081747, Beheer). Erforderlich ist, dass der Steuerzahler zugleich zum Versicherer und zum Versicherten (wenigstens mittelbar) in Beziehung steht (EuGH, Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03, Abruf-Nr. 050714, Arthur Anderson; EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07, Abruf-Nr. 081747, Beheer).

Schadenregulierung als umsatzsteuerfreier Umsatz?

Die Betätigung im Rahmen der Schadenregulierung kann verschiedene Aspekte umfassen; nämlich

  • die Entgegennahme von Schadensmeldungen im Rahmen bestehender Versicherungsverträge zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer,
  • die Entgegennahme und Bearbeitung von Anfragen im Zusammenhang mit Schäden,
  • die Beurteilung von Deckung und Haftung,
  • die Regulierung berechtigter und die Abwehr unberechtigter Ansprüche,
  • die Begutachtung und Regulierung von Schäden vor Ort,
  • die Einleitung von Regressen,
  • die Beauftragung weiterer Dienstleister im Zusammenhang mit gemeldeten Schäden und
  • die Dokumentation der erbrachten Dienstleistungen.

Letztlich umfasst die Schadenregulierung damit jene Tätigkeiten, bei denen der Versicherte erstmals von seiner abgeschlossenen Versicherung profitieren möchte. Gerade wegen drohender (finanzieller) Schäden hat der Versicherte die Versicherung überhaupt abgeschlossen. Nicht gesagt ist damit aber, ob die Betätigung in Form der Schadenregulierung dem Berufsbild eines Versicherungsmaklers/-vertreters entspricht, sodass sie umsatzsteuerfrei ist.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt eine Dienstleistung in Form der Schadenregulierung keinen umsatzsteuerfreien Versicherungsumsatz dar, wenn es an einem Auftreten nach außen zu den Versicherten fehlt (EuGH, Urteil vom 17.03.2016, Rs. C-40/15, Abruf-Nr. 184871, Aspiro; BFH, Beschluss vom 14.08.2006, Az. V B 65/04, Abruf-Nr. 093130; BFH, Urteil vom 18.05.1988, Az. X R 44/82).

Die Gerichte erkennen zwar an, dass es sich bei der Schadenregulierung um einen wesentlichen Bestandteil eines Versicherungsumsatzes handelt (vgl. EuGH, Urteil vom 17.03.2016, Rs. C-40/15, Abruf-Nr. 184871, Aspiro, Rz. 25). Die Feststellung der Verantwortlichkeit und der Schadenshöhe sowie die Entscheidung darüber, ob dem Versicherten eine Entschädigung gezahlt oder verweigert wird, sind nach dem EuGH zwar bedeutsam. Allerdings sieht er bei einer reinen Betätigung in Form der Schadenregulierung im Namen und für Rechnung des Versicherers keinen Zusammenhang mit der Kundensuche und dem Zusammenbringen von Kunden und Versicherer (EuGH, Urteil vom 17.03.2016, Rs. C-40/15, Abruf-Nr. 184871, Aspiro, Rz. 40). Der BFH vertritt die gleiche Auffassung.

Konsequenzen für Sie als Versicherungsvermittler

In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Schadenregulierung nur in bestimmten Fällen von der Umsatzsteuerbefreiung umfasst ist.

Besteht ein Zusammenhang mit der Kundensuche und dem Zusammenbringen der Kunden mit dem Versicherer im Hinblick auf den Abschluss von Versicherungsverträgen, ist die Schadenregulierung nur ein Zusatzbestandteil Ihrer vermittelnden Betätigung. Damit die Leistung umsatzsteuerfrei bleibt, müssten Sie selbst nach außen auftreten, und die Schadenregulierung müsste Nebenleistung zur Hauptleistung in Form der Kundensuche mit dem Ziel des Abschlusses von Versicherungsverträgen sein.

Praxistipp | Bieten Sie als Versicherungsvermittler komplexe Leistungsbündel an, müssen Sie sicherstellen, dass eine einheitliche Leistung vorliegt und die Hauptleistung in der umsatzsteuerfreien Vermittlungstätigkeit besteht (vgl. zu dieser Problematik z. B. EuGH, Urteil vom 25.03.2021, Rs. C-907/19, Abruf-Nr. 222380, Q-GmbH). Dies ist nicht immer einfach zu prüfen, da steuerfreie Vermittlungsleistungen und weitere Leistungen auf der Grundlage eines einheitlichen Vertrags erbracht werden können und dennoch nicht zwingend insgesamt als einheitliche steuerfreie Leistung anzusehen sind.

Im Umkehrschluss heißt das: Wer sich lediglich mit Schadensmeldungen, Kundenanfragen der Regulierung von Schäden sowie der Begutachtung von Schäden vor Ort befasst, übt keine nach § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerfreie Tätigkeit aus.

AUSGABE: VVP 5/2023, S. 15 · ID: 49317774

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