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VersicherungsrechtAktuelles aus dem Versicherungsrecht von A bis Z

Abo-Inhalt13.04.20232228 Min. Lesedauer

| Jeden Monat entscheiden deutsche Gerichte Hunderte von Streitigkeiten zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern (VN). Hier finden Sie die Quintessenz der wichtigsten Urteile und Beschlüsse von A bis Z – sortiert nach Personen- und Sachversicherung. |

Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Personenversicherung

Krankenversicherung

Voraussetzungen für wirksame Prämienanpassungen eines Krankenversicherers

  • Die Gegenüberstellung von ursprünglichem und erhöhtem Tarif in Verbindung mit einem Sternchen (Asterisk) im Nachtrag zum Versicherungsschein zeigt dem VN hinreichend deutlich auf, welcher Tarif von einer Erhöhung betroffen ist, auch wenn dies im beigefügten Erhöhungsschreiben nicht gesondert erläutert wird.
  • Kann der VN aus den ihm überlassenen Unterlagen selbst entnehmen, welche Prämienanpassungen der Versicherer in der Vergangenheit vorgenommen hat, kommt ein darauf bezogener Auskunftsanspruch nicht in Betracht (OLG Dresden, Urteil vom 17.01.2023, Az. 4 U 1409/22, Abruf-Nr. 234680).

Übernahme von Behandlungskosten aus Vertrauenshaftung

In Ausnahmefällen kann der Versicherer in der privaten Krankenversicherung nach Treu und Glauben zum Ersatz von Behandlungskosten verpflichtet sein, obwohl sich diese als medizinisch nicht notwendig erweisen (Vertrauenshaftung). Dabei sind unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters strenge Anforderungen hinsichtlich des Umstandsmoments bzw. bei der Würdigung der Interessenlage zu stellen. Im Ausgangspunkt ist eine vorbehaltlose Kostenerstattung über einen längeren Zeitraum grundsätzlich geeignet, beim VN das berechtigte Vertrauen darauf zu wecken, dass eine Erstattung auch in Zukunft erfolgen werde. Selbst dann ist ein Anspruch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten aber nur unter weiteren besonderen Voraussetzungen zu bejahen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.02.2023, Az. 12 U 194/22, Abruf-Nr. 233776).

Lebensversicherung

Treuwidrige Ausübung des Widerspruchsrechts bei geringfügigem Belehrungsfehler

Geringfügige Belehrungsfehler können einen Verstoß gegen Treu und Glauben bei Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a. F. begründen (BGH, Urteil vom 15.02.2023, Az. IV ZR 353/21, Abruf-Nr. 233810).

„Wohnort“ in Gerichtsstandsklausel einer Versicherung ist Wohnort bei Klageerhebung

Stellen Versicherungsbedingungen einer ausländischen Lebensversicherung in einer Gerichtsstandsklausel auf den Wohnort des VN ab, kommt es auf den Wohnort bei Klageerhebung und nicht bei Vertragsschluss an (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 08.02.2023, Az. 7 U 66/21, Abruf-Nr. 234459).

Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Sachversicherung

Berufshaftpflichtversicherung

Kein Wegfall des Direktanspruchs gegen Versicherung

Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 S. 1 VVG müssen nur bei Bestehen des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs vorliegen und können zu einem beliebigen Zeitpunkt vor Schluss der mündlichen Verhandlung eintreten (BGH, Urteil vom 25.01.2023, Az. IV ZR 133/21, Abruf-Nr. 233894).

Kfz-Versicherung

Pflichten des VN im Hinblick auf das Abschließen des versicherten Wohnmobils

Grundsätzlich ist es nicht als grob fahrlässig im Sinne des § 81 Abs. 2 VVG zu bewerten, wenn ein VN nicht kontrolliert, ob seine Ehefrau seiner Aufforderung nachgekommen ist, das versicherte Wohnmobil abzuschließen. Es obliegt vielmehr dem Versicherer, im Rahmen seiner Darlegungs- und Beweislast Anhaltspunkte dafür vorzutragen, weshalb das unter Ehegatten als üblich anzusehende Vertrauen im konkreten Fall nicht angezeigt war (OLG Hamm, 23.01.2023, Az. 6 U 107/21, Abruf-Nr. 234108).

OLG Celle: Keine Nutzungsausfallentschädigung für Oldtimer

Ein Gegenstand für die eigenwirtschaftliche Lebensführung zu sein, ist Voraussetzung, um Nutzungsausfallentschädigung zuerkannt zu bekommen. Oldtimerfahrzeuge sind aber in der Regel Liebhaberstücke. Sie weisen das grundsätzliche Gepräge von nicht für die eigenwirtschaftliche Lebensführung zwingend notwendigen Gegenständen auf. Das kann im Einzelfall anders sein, nämlich wenn der Geschädigte das historische Fahrzeug als Alltagsfahrzeug nutzt. Das muss der Geschädigte allerdings darlegen und ggf. beweisen (OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023, Az. 14 U 149/22, Abruf-Nr. 234113).

Kleines Auto geleast während überlanger Reparaturdauer

Wenn die Reparatur des unfallbeschädigten Opel Insignia Kombi mangels Vorschusszahlung des Versicherers mehrere Monate dauert, der Geschädigte jedoch nach etwa sechs Wochen einen Opel Corsa least, der ihm auch zur Verfügung steht, ist der Ausfallschaden auf die aufgewendete Leasingrate begrenzt (OLG Zweibrücken, Urteil vom 01.03.2023, Az. 1 U 100/22 i. V. m. LG Kaiserslautern, Urteil vom 29.04.2022, Az. 3 O 540/20, Abruf-Nr. 234175).

Warnhinweis ohne Vorschussanforderung genügt

Der Hinweis des Geschädigten, er sei zur Vorfinanzierung der Reparatur oder der Wiederbeschaffung nicht in der Lage, sodass bis zum Geldeingang Nutzungsausfallentschädigung oder Mietwagenkosten anfallen werden, genügt den Anforderungen an den Warnhinweis. Es ist nicht notwendig, dass der Geschädigte ausdrücklich einen Vorschuss anfordert (OLG Zweibrücken, Urteil vom 01.03.2023, Az. 1 U 100/22 i. V. m. LG Kaiserslautern, Urteil vom 29.04.2022, Az. 3 O 540/20, Abruf-Nr. 234175).

AG Nürnberg und AG Berlin-Mitte versagen jetzt die Desinfektionskosten

Das AG Nürnberg und das AG Berlin-Mitte halten die Desinfektionskosten für nicht mehr erforderlich:

  • Das AG Nürnberg argumentiert, dass sämtliche staatlich verordneten Maßnahmen zwischenzeitlich aufgehoben wurden (AG Nürnberg, Urteil vom 06.03.2023, Az. 246 C 2242/22, Abruf-Nr. 234172).
  • Das AG Berlin-Mitte hatte einen Fall fiktiver Abrechnung zu entscheiden. Unabhängig vom Unfallzeitpunkt sagt es, es sei nicht vorgetragen, dass das Fahrzeug bereits repariert sei. Werde es jetzt noch repariert, sei eine Desinfektion nicht mehr erforderlich. Aus der Begründung ist erkennbar, dass das Gericht bei einer konkreten Abrechnung mit erst kurz zurückliegendem Reparaturzeitraum genauso entschieden hätte (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 21.02.2023, Az. 106 C 300/21 (V), Abruf-Nr. 234173).

Rechtsschutzversicherung

Schaden des Mandanten wegen Beratungspflichtverletzung bei Deckungsanspruch gegen Rechtsschutzversicherer

Der Deckungsanspruch gegen seinen Rechtsschutzversicherer schließt die Annahme eines (Kosten-)Schadens des Mandanten infolge einer Beratungspflichtverletzung des Rechtsanwalts auch dann nicht aus, wenn der Mandant nur einen Auftrag unter der Bedingung einer Deckungszusage erteilt (BGH, Urteil vom 29.09.2022, Az. IX ZR 204/21, Abruf-Nr. Abruf-Nr. 232628).

Wohngebäudeversicherung

Berechnung der Entschädigung eines sturmbedingt beschädigten Gartentors in der Wohngebäudeversicherung

Erweist sich die vom VN beabsichtigte Reparatur der nur teilweise beschädigten Sache als unwirtschaftlich, weil sich die Neuherstellung einer gleichwertigen Sache kostengünstiger realisieren lässt, so entsprechen die dadurch bedingten Aufwendungen wirtschaftlich gesehen dem „Neuwert“ der Sache, der bedingungsgemäß die Obergrenze der Entschädigung bei einer Beschädigung versicherter Sachen bildet, insoweit wegen der nicht beschädigten Teile der neu herzustellenden Sache aber auch keinen zusätzlichen Kürzungen unterliegt (OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.02.2023, Az. 5 U 30/22, Abruf-Nr. 234109).

Gebäudeversicherung, Sturmschaden, Unterversicherungseinwand des Versicherers

Die Beweislast für das Vorliegen einer Unterversicherung trägt der Versicherer. Der VN kann sich im Prozess auch dann auf ein bloßes Bestreiten beschränken, wenn der Versicherer die Unterversicherung durch ein Privatgutachten belegt. Stützt der VN seinen Anspruch sowohl auf den Versicherungsvertrag als auch auf eine Beratungspflichtverletzung des Versicherers, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und ein Verfahrensfehler vor, der die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigt, wenn das Gericht nur den Schadenersatzanspruch zurückweist, ohne sich mit dem Primäranspruch zu befassen (OLG Dresden, Urteil vom 06.12.2022, Az. 4 U 1053/22, Abruf-Nr. 233855).

Weiterführender Hinweis
  • Wer nach diesem ersten Überblick tiefer einsteigen möchte, findet alle Urteile im Volltext auf vvp.iww.de. Geben Sie dazu in den Suchschlitz (oben mittig auf der Website) die genannte sechsstellige Abruf-Nr. ein.

AUSGABE: VVP 5/2023, S. 23 · ID: 49032882

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