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HaftungVertreter muss Rennfahrer auf Deckungsausschluss nach Ziff. 5.1.5 AUB 2008 hinweisen
| Ein Versicherungsvertreter, der weiß oder erkennen muss, dass der Versicherungsnehmer (VN) aktiv Rennsport als Grasbahnwagenrennen-Beifahrer betreibt, ist bei der Vermittlung einer Unfallversicherung dazu verpflichtet, auf den Deckungsausschluss nach Ziff. 5.1.5 AUB 2008 hinzuweisen. Tut er das nicht, haftet er auf Schadenersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Beratungspflichten. Zu diesem Schluss gelangt das OLG Frankfurt am Main. VVP stellt Ihnen das Urteil vor. |
Um diesen Fall ging es vor dem OLG
2001 hatte der VN auf Vermittlung des Versicherungsvertreters, der als Repräsentant einer Vertriebsgesellschaft tätig war, bei der X Versicherung AG einen Vertrag über eine Unfallversicherung abgeschlossen. Dieser Vertrag war Bestandteil einer Bündelversicherung, die u. a. auch eine Haftpflicht- und Hausratversicherung umfasste.
Im Mai 2010 fand ein Gespräch zwischen dem Vertreter und dem VN statt, bei dem auch dessen Ehefrau zugegen war. Anlass des Gesprächs war der Umzug des VN in eine größere Wohnung. Bei dem Gespräch wurde auch über den Umstand gesprochen, dass der VN aktiver Grasbahnwagenrennen-Beifahrer sei. Der VN berichtete, dass er seit vielen Jahren schon fast profimäßig Rennen fahre. Der Vertreter fertigte über das Gespräch ein Beratungsprotokoll.
Nach dem Versicherungsschein vom 09.06.2010 lagen dem Vertrag unter anderem die AUB 2008 zugrunde, nach denen der Versicherungsschutz für Unfälle anlässlich der Teilnahme an Rennveranstaltungen ausgeschlossen ist.
2010 erlitt der VN bei einem Rennen einen schweren Unfall, der zu schwerwiegenden Verletzungen führte, unter anderem einem Schädelhirntrauma. Die X Versicherung AG lehnte ihre Einstandspflicht unter Hinweis auf den Versicherungsausschluss bei Teilnahme an Rennveranstaltungen ab. Daraufhin klagte der VN gegen den Versicherungsvertreter und die dahinter stehende Vertriebsgesellschaft, die beide als gebundene Vertreter nach § 34d Abs. 7 GewO im Vermittlerregister eingetragen sind.
OLG sieht Beratungs- und Hinweispflichten verletzt
Das OLG hat dem VN gegen den Versicherungsvertreter und die Vertriebsgesellschaft einen Anspruch auf Zahlung von 165.000 Euro aus § 63 VVG zuerkannt. Denn der Vertreter hat eine ihm nach § 61 VVG gegenüber dem VN bestehende Pflicht zur Beratung verletzt. Er konnte nicht beweisen, den VN darauf hingewiesen zu haben, dass die beantragte Unfallversicherung keinen Versicherungsschutz bei Teilnahme an Rennveranstaltungen bietet (OLG Frankfurt, Urteil vom 13.05.2022, Az. 7 U 168/16, Abruf-Nr. 230081).
OLG konkretisiert Umfang der Beratungspflichten des Vertreters
Das OLG stellt zuerst einmal den Umfang der Beratungspflichten klar: Eine allgemeine Pflicht, den VN von sich aus jederzeit zu belehren, besteht zwar nicht. Nur soweit das Verhalten des VN ein Bedürfnis nach näherer Aufklärung erkennen lässt oder sich ein solches Bedürfnis nach der Sachlage von selbst ergibt, muss ihm entsprochen werden.
In der Regel ist der Vertreter auch nicht verpflichtet, den VN darüber aufzuklären, dass in den Versicherungsbedingungen die Haftung für bestimmte Fälle ausgeschlossen wird. Wer eine Versicherung eingeht, muss mit dem Bestehen von Risikoausschlüssen rechnen; er muss sich über deren Inhalt und Umfang durch Einsichtnahme in die Bedingungen vergewissern und beim Versicherer oder Versicherungsvermittler nachfragen, wenn er Zweifel hat.
Von dieser Regel besteht jedoch eine Ausnahme, wenn der Versicherungsvermittler erkennt oder erkennen muss, dass sich der VN über den Umfang der Versicherung irrige Vorstellungen macht. In diesem Fall muss der Versicherungsvermittler, auch wenn die Versicherungsbedingungen klar und eindeutig gefasst sind, den VN über den Umfang der Versicherung aufklären. Eine derartige Verpflichtung besteht auch dann, wenn der Versicherungsvermittler zwar nicht mit Sicherheit zu erkennen braucht, dass der VN sich irrige Vorstellungen macht, er aber mit der naheliegenden Möglichkeit eines derartigen Irrtums rechnen muss.
Gefährliche nicht versicherte Sportart des VN war Vertreter bekannt
Im Urteilsfall ist nach Aussage des OLG zwischen dem VN und dem Vertreter unstreitig, dass der Vertreter Kenntnis davon hatte, dass der VN Grasbahnwagenrennbeifahrer war. Damit war für den Vertreter klar erkennbar, dass
- das Hauptunfallrisiko des VN in seiner gefährlichen Sportart lag und
- ein Unfallversicherungsvertrag ohne eine entsprechende Deckung seinen objektiven Versicherungsbedarf nicht würde erfüllen können.
Die Ehefrau des VN, die als Zeugin vor Gericht gehört wurde, hatte bekundet, dass über das Risiko, das mit dem Sport des VN verbunden war, und den Deckungsausschluss in der Unfallversicherung nie gesprochen worden sei. Sie seien davon ausgegangen, dass sie eine Unfallversicherung gehabt hätten, die auch Unfälle im Rahmen dieser Sportart umfasse. In diesem Zusammenhang wies sie darauf hin, dass sie doch sonst eine Zusatzversicherung, die im Rahmen des Lizenzvertrags angeboten wurde, abgeschlossen hätten.
Vertreter hat Hinweis auf Deckungslücke nicht bewiesen
Insgesamt stellen für das OLG weder die Angaben des Vertreters noch diejenigen der Ehefrau und des VN eine hinreichende Grundlage dar, um sich mit der erforderlichen Gewissheit davon zu überzeugen, dass der Vertreter den VN auf die Deckungslücke aufmerksam gemacht hat. Dies geht zu Lasten des beweispflichtigen Vertreters. Denn für den Vertreter war es offenkundig, dass der VN davon ausging, auch bei dem von ihm ausgeübten Sport durch die vermittelte Unfallversicherung abgesichert zu sein. Infolgedessen hätte der Vertreter einen ihm günstigen Umstand nachweisen müssen, dass er die Fehlvorstellung korrigiert habe. Das sei ihm nicht gelungen, so das OLG.
AUSGABE: VVP 8/2022, S. 7 · ID: 48456009