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Private KrankenversicherungBGH setzt die Hürden für die Überprüfung der Prämienanpassung in der PKV höher
| Der BGH hat über die gerichtliche Kontrolle von Maßnahmen, mit denen Kranken-VR den Umfang einer Beitragserhöhung limitieren, entschieden. Danach bleibt eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Nachkalkulation, die zu einer Beitragserhöhung führt, unabhängig davon wirksam, ob die – nachgelagerte – Limitierungsmaßnahme fehlerfrei erfolgt ist. Der VN muss beweisen, dass die Limitierungsentscheidung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist. |
1. Sachverhalt und Prozessverlauf
Der VN hält die Beitragserhöhung des VR für unwirksam und klagt auf Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil zum Teil abgeändert, aber ebenfalls unter anderem die Unwirksamkeit einer Prämienanpassung festgestellt und die Beklagte zur Rückzahlung der darauf gezahlten Prämienanteile verurteilt. Soweit die Klage Erfolg hatte, richtet sich dagegen die Revision der Beklagten, während sich der Kläger mit der Anschlussrevision gegen die zeitliche Beschränkung der Feststellung wendet, dass er nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrags verpflichtet ist.
2. Prämienanpassung erfolgt in 2 Schritten
Der BGH hat das Urteil des Berufungsgerichts, das die Prämienanpassung für materiell unwirksam gehalten hat, nicht bestätigt (20.3.24, IV ZR 68/22, Abruf-Nr. 240486).
Der Senat verdeutlichte, dass sich eine Prämienanpassung in zwei Schritten vollzieht.
- Die Prämie wird zunächst anhand der geänderten Rechnungsgrundlagen neu kalkuliert. In einem Gerichtsverfahren muss der VR beweisen, dass diese Nachkalkulation den Anforderungen des § 155 Abs. 1 VAG entspricht.
- In einem zweiten Schritt kann die Beitragserhöhung gemäß § 155 Abs. 2 VAG durch die Verwendung von Mitteln aus den Rückstellungen für Beitragserstattungen limitiert werden.
3. Gerichtliche Kontrolle ist begrenzt
Bei einer gerichtlichen Kontrolle der Limitierungsmaßnahmen sind lediglich besonders schwerwiegende Verstöße gegen die schutzwürdigen Interessen der Versicherten geeignet, einen materiellen Verstoß gegen den sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden Prüfungsmaßstab für die Limitierungsmaßnahmen zu begründen.
Eine Motiv- oder Begründungskontrolle der vom VR getroffenen Limitierungsentscheidung findet nicht statt. Die Fehlerhaftigkeit einer Limitierungsmaßnahme lässt die materielle Wirksamkeit einer Prämienanpassung, die im Übrigen auf einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Nachkalkulation beruht, unberührt. Diese führt lediglich dazu, dass dem einzelnen VN, soweit er dadurch konkret beeinträchtigt ist, ein individueller Anspruch auf (weitere) Limitierung, d.h. auf dauerhafte Absenkung seiner Prämie zustehen kann.
4. Umfang der Beweislast des VN
Der VN trägt die Beweislast dafür, dass die Limitierungsentscheidung den Anforderungen des § 155 Abs. 2 VAG nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Der Umstand, dass der VN die internen Verhältnisse des VR nicht kennen kann, führt allerdings zu einer sekundären Darlegungslast des VR. Er muss zu den Parametern, die der Limitierungsentscheidung zugrunde liegen, näher vortragen. Diese Darlegungslast beinhaltet jedoch nicht die Vorlage eines umfassenden, sich auf alle parallel mit Limitierungsmitteln bedachten Tarife erstreckenden Limitierungskonzepts.
5. Ergebnis der BGH-Entscheidung
Die Revision hatte auf dieser Grundlage Erfolg. Der BGH hob das Berufungsurteil auf, soweit der Klage darin stattgegeben worden war. Soweit es die Wirksamkeit der Prämienanpassung betrifft, hat der BGH die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun die Prüfung der Nachkalkulation der Prämie nachholen. Ergeben sich bei dieser Prüfung keine Fehler, muss das Berufungsgericht die Limitierungsmaßnahme unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des BGH neu beurteilen. Die Anschlussrevision des VN führte aufgrund eines Verfahrensfehlers des Berufungsgerichts ebenfalls zur Aufhebung und Zurückverweisung.
6. Fazit
Der BGH stellt klar, dass private Krankenversicherer ausführlich darlegen müssen, auf welcher Grundlage sie Beiträge erhöhen. Der VN kann jedoch nicht verlangen, dass der VR seine Kalkulation vollständig offenlegt.
Damit erschwert der BGH künftige Klagen der Versicherten. Für diese wird es künftig schwieriger, sich gegen steigende Prämien zur Wehr zu setzen.
AUSGABE: VK 5/2024, S. 81 · ID: 49995671