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GemeinnützigkeitMit Verlusten in steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben richtig umgehen (Teil 1)
| Verluste bei steuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeiten sind ein Thema, das gemeinnützige Einrichtungen immer wieder beschäftigt. Meist steht dabei der mögliche Verlust der Gemeinnützigkeit im Vordergrund. Es gibt aber noch weitere spezielle Fragen. Etwa, wie Verlustvorträge zu behandeln sind oder ob es möglich ist, Betriebe trotz Dauerverlusten weiterzuführen. Die neue VB-Beitragsreihe klärt alle Fragen. |
Ausgangspunkt: Der Mittelbindungsgrundsatz
Verluste außerhalb des satzungsbezogenen steuerbegünstigten Bereichs (also in Vermögensverwaltung und steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben) sind nach Auffassung von Finanzverwaltung und Rechtsprechung grundsätzlich schädlich für die Gemeinnützigkeit. Das entspricht dem Mittelbindungsgrundsatz des § 55 Abs. 1 AO. Er gibt vor, dass die Mittel einer steuerbegünstigten Körperschaft nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden dürfen.
Verluste im nicht begünstigten Bereich werden nach dieser Auffassung durch Mittel der steuerbegünstigten Sphäre ausgeglichen. Dabei kommt es nicht auf einen Liquiditätsabfluss an, sondern auf eine Minderung des Gesamtvermögens. Das bedeutet, dass grundsätzlich jeder Verlust schädlich ist.
Beispiel Verluste durch Abschreibungen |
Das gilt z. B. für Verluste, die durch Abschreibungen auf ausschließlich im steuerpflichtigen Bereich genutzte Anlagegüter entstehen. Der Mittelabfluss ist hier bereits durch die Anschaffung entstanden. Das ist zunächst unschädlich, soweit dafür keine zeitnah zu verwendenden Mittel eingesetzt wurden, weil die Mittel insoweit erhalten blieben und durch später erzielte Überschusse der steuerbegünstigten Sphäre wieder zugeführt werden. Durch Verluste aus Abschreibungen (also einer Minderung des Werts der Anlagegüter) gehen sie aber tatsächlich verloren. |
Durch Verluste in steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben werden zweckgebundene Mittel – und zweckgebunden sind alle Mittel des Vereins – zweckfremd aufgezehrt. Das verstößt gegen den Mittelbindungsgrundsatz – es droht der Entzug der Gemeinnützigkeit. Allerdings duldet die Finanzverwaltung hier eine Reihe von Ausnahmen.
Ab welcher Höhe ist ein Verlust schädlich?
Eine bestimmte Grenze, bis zu den Verlusten im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unschädlich für die Gemeinnützigkeit sind, gibt es nicht. Rechtsprechung und Finanzverwaltung heben bei der Frage nicht auf die Höhe des Verlustes ab, sondern auf seine Ursache und einen möglichen Verlustausgleich durch Gewinn früherer oder späterer Perioden.
Der BFH hat die Zulässigkeit eines Verlustausgleichs aus zweckgebundenen Mitteln sehr streng gefasst (Beschluss vom 01.07.2009, Az. I R 6/08, Abruf-Nr. 093504). Er vertritt hier die Auffassung, dass ein Ausgleich von Verlusten nur dann kein Verstoß gegen das Mittelverwendungsgebot ist, wenn die Verluste auf einer Fehlkalkulation beruhen und die Körperschaft im Folgejahr dem ideellen Tätigkeitsbereich wieder Mittel in entsprechender Höhe zuführt.
Praxistipp | Schon aus dieser Vorgabe ergibt sich aber, dass sehr geringe Verluste kein Problem darstellen können, wenn die steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe im Folgejahr wieder Überschüsse erzielen. |
In einem späteren Fall hat der BFH das weniger grundsätzlich gesehen. Er benennt hier den Einwand, man könne gemeinnützigen Körperschaften nicht auf der einen Seite wirtschaftliche Betätigungen zur Mittelbeschaffung gestatten, ihnen gleichzeitig aber die Erwirtschaftung von Verlusten strikt verbieten. Im behandelten Fall war das aber für den BFH ohne Bedeutung, weil der betreffende Verein in vier von fünf Jahren mit seinem Vereinslokal einen erheblichen Verlust erzielt hatte. Der Verein hatte den Betrieb zudem fortgesetzt, obwohl mit der bestehenden Struktur des Gaststättenangebots mit keinen Überschüssen mehr zu rechnen war.
Wichtig | Es sind also vor allem Dauerverluste, die die Gemeinnützigkeit gefährden.
Umsatzfreigrenze spielt keine Rolle
Dass der steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetrieb wegen Unterschreitung der Umsatzfreigrenze von 45.000 Euro nicht steuerpflichtig ist, spielt keine Rolle (BFH, Beschluss vom 01.07.2009, Az. I R 6/08, Abruf-Nr. 093504). Die Umsatzfreigrenze hat nur zur Folge, dass der Geschäftsbetrieb nicht der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterliegt. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ändert auch in den Jahren, in denen die Besteuerungsgrenze unterschritten wird, seinen Charakter nicht. Er bleibt also der nicht zweckbezogenen Sphäre zugeordnet. Mit dem Verlustausgleich besteht also auch in diesem Fall ein Verstoß gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO.
Bagatellvorbehalt
In einer neueren Entscheidung vertritt der BFH (allerdings bezogen auf überhöhte Vergütungen) bezüglich Mittelfehlverwendungen eine andere Auffassung: Ein Entzug der Gemeinnützigkeit ist bei kleineren Verstößen gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 AO unverhältnismäßig (BFH, Urteil vom 12.03.2020, Az. V R 5/17, Abruf-Nr. 217488). Dieser „Bagatellvorbehalt“ muss grundsätzlich auch bei kleineren Verlusten in der nichtbegünstigten Steuersphäre gelten.
Finanzverwaltung ist weniger streng als der BFH
Die Finanzverwaltung behandelt Verluste im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb weniger streng als der BFH. Zunächst benennt sie eine Reihe von Ausnahmen, bei denen ein Verlust unschädlich sein soll (mehr dazu in Teil 2). Die gehen über die vom BFH genannten Fälle hinaus.
Die Finanzverwaltung argumentiert, dass steuerbegünstigte Körperschaften steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe regelmäßig nur unterhalten, um dadurch zusätzliche Mittel für die Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke zu beschaffen. Es kann deshalb unterstellt werden, dass etwaige Verluste bei Betrieben, die schon längere Zeit bestehen, auf einer Fehlkalkulation beruhen (AEAO, Ziff. 8 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO).
Wie wird der Verlust ermittelt?
Rechtsprechung und Finanzverwaltung sind sich darüber einig, dass für das Vorliegen eines Verlustes das Ergebnis des einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausschlaggebend ist (AEAO, Ziff. 4 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO; BFH, Urteil vom 14.12.2023, Az. V R 28/21, Abruf-Nr. 240817; FG Hamburg, Urteil vom 05.12.2024, Az. 5 K 125/23, Abruf-Nr. 246725).
Wichtig | Der BFH hat diese Auffassung aber relativiert. Danach kann ein Dauerverlustbetrieb die Steuerbegünstigung auch dann gefährden, wenn seine Verluste dauerhaft durch die Gewinne anderer wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe ausgeglichen werden (BFH, Urteil vom 14.12.2023, Az. V R 28/21). Verluste in einzelnen Betrieben können also im Entstehungsjahr mit Gewinnen aus anderen Betrieben verrechnet werden. Nur wenn nach der Saldierung noch eine Unterdeckung bleibt, liegt ein Ausgleich des Verlustes durch Verwendung von Mitteln des ideellen Bereichs vor. Grundsätzlich führt das im Jahr der Verlusterzielung zu einer Gefährdung der Gemeinnützigkeit.
Für jeden einzelnen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der kein Zweckbetrieb darstellt, muss der Gewinn getrennt ermittelt werden. Dabei dürfen nur die Einnahmen und die Ausgaben berücksichtigt werden, die dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind (§ 64 Abs. 1 AO). Es müssen also die betrieblich veranlassten Aufwendungen von den Aufwendungen für den steuerbegünstigten Bereich abgegrenzt werden.
Voll dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet werden können alle Aufwendungen, die durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb veranlasst wurden. Das sind alle Aufwendungen, die ohne den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht angefallen oder – anteilig – geringer gewesen wären. Für die Zuordnung von Aufwendungen, die sowohl mit dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb als auch mit dem steuerbegünstigten Bereich zusammenhängen (gemischte Aufwendungen), muss eine Aufteilung vorgenommen werden.
Praxistipp | Typischerweise gehören zu den gemischten Aufwendungen Gemeinkosten wie Mieten, Gehälter, Versicherungen, aber auch Abschreibungen auf gemischt genutzte Anlagegüter. Hier kann die gemeinnützige Einrichtung in einem gewissen Rahmen durch einen entsprechenden Aufteilungsschlüssel das Ergebnis günstiger „rechnen“. |
AUSGABE: VB 9/2025, S. 8 · ID: 50525697