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ArbeitsrechtArbeitsgericht Berlin: Freie Mitarbeit einer Musikschullehrerin ist kein Arbeitsverhältnis

Abo-Inhalt01.09.2025169 Min. Lesedauer

| Die arbeits- und die sozialversicherungsrechtliche Bewertung einer Tätigkeit muss sich nicht decken. Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin im Fall einer Musikschullehrerin klargestellt. Die Entscheidung ist vor allem deswegen interessant, weil das BSG – ebenfalls bei einer Musikschullehrerin – von einer abhängigen Beschäftigung ausging und damit bei nahezu allen Musikschulen und Bildungseinrichtungen Unsicherheiten über die Sozialversicherungspflicht der Honorarlehrkräfte ausgelöst hat. |

In diesem Fall entschied das ArbG Berlin auf Freie Mitarbeit

Im konkreten Fall ging es um eine Lehrerin, die seit dem Jahr 1999 an einer Musikschule im Land Berlin aufgrund mehrerer jeweils befristeter Rahmenverträge in freier Mitarbeit als Musikschullehrkraft tätig war. Als das Land Berlin den Rahmenvertrag der Musikschullehrerin kündigte, klagte diese auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses. Das ArbG wies die Klage ab und bestätigte eine selbstständige Tätigkeit (ArbG Berlin, Urteil vom 15.07.2025, Az. 22 Ca 10650/24, Abruf-Nr. 249788).

Vertragliche Vereinbarungen sprachen für Selbstständigkeit

Das Gericht prüfte zunächst die vertraglichen Vereinbarungen mit der Lehrerin und bewertete sie nicht als Arbeitsvertrag. Die Begründung: Die konkrete Beauftragung zur Übernahme einzelner Unterrichtsverhältnisse erfolgte durch Einzelaufträge, für die ein Honorar gezahlt wurde. Die Musiklehrerin konnte den Unterrichtstermin und den Unterrichtsort im Einzelunterricht mit den Musikschülern frei vereinbaren. Bei der Gestaltung und Durchführung ihres Unterrichts war sie frei und an Weisungen der Musikschule nicht gebunden. Lehrpläne wurden einvernehmlich festgelegt.

Unterschiede zu Lehrkräften an Regelschulen

Im Unterschied zu den Lehrkräften an Regelschulen, die grundsätzlich abhängig beschäftigt sind, können nach Auffassung des ArbG Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden. Anders als bei allgemeinbildenden Schulen besteht für Musikschulen kein Schulzwang, es gibt im Regelfall keine förmlichen Abschlüsse, der Unterricht ist zumeist weniger reglementiert, Ausmaß der Kontrolle durch den Unterrichtsträger und Umfang der erforderlichen Nebenarbeiten sind deswegen geringer.

Welche Kriterien für eine abhängige Beschäftigung sprechen

Als Arbeitnehmer – so das ArbG – sind Musikschullehrer deshalb nur dann anzusehen, wenn die Vertragsparteien dies vereinbart haben oder im Einzelfall festzustellende Umstände hinzutreten, die auf den für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderlichen Grad persönlicher Abhängigkeit schließen lassen. Das wäre der Fall, wenn der Schulträger

  • die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden einseitig bestimmen kann,
  • den Unterrichtsgegenstand oder Art und Ausmaß der Nebenarbeiten einseitig festlegen kann,
  • eine intensivere Kontrolle nicht nur des jeweiligen Leistungsstands der Schüler, sondern auch des Unterrichts selbst durchführt oder
  • sonstige Weisungsrechte in Anspruch nimmt.

Eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit ist unschädlich

Zwar hatte die Lehrerin keine Möglichkeit zur freien Auswahl der zu unterrichtenden Schüler, die die Musikschule vermittelte. Auch übernahm die Musikschule die Abrechnung der von den Schülern bezahlten Unterrichtskosten. Das bedeutet eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit der Lehrerin von der Musikschule. Sie durfte aber für andere Auftraggeber tätig werden und hatte auch das Recht, die Schüler ohne weitere Begründung abzulehnen. Das sprach für eine selbstständige Tätigkeit.

Außerdem verwendete die Lehrerin während der Unterrichtsstunden ihre eigene Gitarre und damit kein vom Auftraggeber als Arbeitsmittel gestelltes Musikinstrument. Das Gleiche galt für die Musikschüler. Ferner konnte sie ihre Unterrichtsinhalte selbst bestimmen und erhielt von der Schule keine Weisungen zur Unterrichtsgestaltung. Diese Selbstständigkeit – so das ArbG – unterscheidet sie insbesondere von Lehrkräften an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, die verbindlichen Lehrplänen unterworfen sind. Zudem durfte die Lehrerin ihre Arbeitszeit im Wesentlichen frei bestimmen. Sie konnte eigenständig die Termine mit ihren Musikschülern vereinbaren. Eine derartige Zeitsouveränität ist einem Arbeitsverhältnis fremd.

Persönliche Erbringung der Arbeitsleistung

Es spricht auch nicht notwendigerweise für ein Arbeitsverhältnis, dass die Lehrerin den Musikschulunterricht persönlich wahrnehmen musste. Sie unterlag auch keinen verbindlichen Weisungen zum Ort ihrer Tätigkeit. Dafür genügt es nicht, dass die Lehrerin für den Musikunterricht ausschließlich die Räume der Musikschule genutzt hat.

Sozialversicherungsrechtliche Bewertung kann divergieren

Das Gericht hat auch klargestellt, dass es für die Einordnung eines Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis nicht auf dessen sozialversicherungsrechtliche Handhabung ankommt. Es ist arbeitsrechtlich nicht von Belang, wenn die Deutsche Rentenversicherung die Feststellung getroffen hat, dass es sich bei der Lehrerin um eine Beschäftigte i. S. v. § 7 Abs. 1 SGB IV handelt.

Fazit | Das Urteil ist in zweierlei Hinsicht interessant: Es grenzt typische Lehrtätigkeiten in der Erwachsenenbildung ab von denen an staatlichen Schulen. Außerdem stellt es klar, dass sich die arbeitsrechtliche Einordnung von Tätigkeiten nicht zwingend mit der sozialversicherungsrechtlichen decken muss. Da kein Arbeitsverhältnis besteht, können solche Verträge bei einer Fehlbewertung der sozialversicherungsrechtlichen Folgen – anders als Arbeitsverträge – sehr kurzfristig gekündigt werden.

AUSGABE: VB 9/2025, S. 11 · ID: 50523261

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