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BildungsveranstaltungenBildungsveranstaltungen in Verein und Verband: Sind Onlineseminare jetzt zulassungspflichtig?

Abo-Inhalt01.09.2025221 Min. Lesedauer

| Online-Fortbildungen in Form von Videokonferenzen sind in vielen Bereichen gang und gäbe. Ein neues Urteil des BGH hat diese Angebote jetzt in Frage gestellt. Nach dieser Rechtsauffassung könnten Onlineseminare künftig zulassungspflichtig sein. Für viele Veranstalter wäre das eine zu große Hürde. Neben den Veranstaltungen von Bildungsträgern wären auch eine Vielzahl verbands- und vereinsinterner Onlineschulungen betroffen. |

Das Fernunterrichtschutzgesetz

Fernunterricht unterliegt in Deutschland anders als Präsenzunterricht einer besonderen Regulierung durch das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG), die dem Verbraucherschutz dienen soll.

Die Zulassungspflicht von Fernlehrgängen

Handelt es sich bei Lehrgängen um Fernunterricht im Sinne des FernUSG, müssen sie durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) zugelassen sein. Fehlt die Zulassung,

  • ist der entsprechende Vertrag über den Lehrgang nichtig (§ 7 Abs. 1 FernUSG). Teilnehmer können den Lehrgang dann jederzeit abbrechen und eine Rückerstattung der Teilnahmegebühr verlangen.
  • begeht der Veranstalter eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 10.000 Euro Geldbuße geahndet werden kann (§ 21 FernUSG).

Die Antragstellung bei der ZfU

Die Zulassung eines Fernlehrgangs durch die ZFU erfolgt auf Antrag. Die ZFU prüft den Antrag und die Lehrgangsmaterialien in didaktischer, methodischer und verbraucherrechtlicher Hinsicht und begutachtet den Lehrgang fachwissenschaftlich. Die Zulassung ist gebührenpflichtig. Die Gebühr beträgt 150 Prozent des Verkaufspreises, mindestens aber 262,50 Euro. Das Antragsverfahren ist aufwändig, weil der Veranstalter ein detailliertes didaktisches und methodisches Konzept vorlegen muss, in dem er Grob- und Feinziele des Lehrgangs in Verbindung mit Inhalten, Lernorten, Methoden, Medien, Lernerfolgskontrollen und zeitlichen Anteilen darstellen muss.

Eine Zulassung ist deswegen in der Regel nur sinnvoll, wenn ein Lehrgang mit weitgehend unveränderten Inhalten über längere Zeit angeboten wird.

Was ist zulassungspflichtiger Fernunterricht?

Wann ein Lehrgang als Fernunterricht gilt und damit zulassungspflichtig ist, regelt § 1 FernUSG. Fernunterricht liegt danach vor, wenn

  • der Lehrgang entgeltlich ist,
  • er Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, also tatsächlich „Unterricht“ ist,
  • Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend (d. h. zu mehr als 50 Prozent) räumlich getrennt sind,
  • der Veranstalter den Lernerfolg überwacht.

So stellt sich die ZfU zu dem Thema

Bevor VB auf den BGH-Fall und die Entscheidung eingeht, macht es Sinn, sich mit der ZFU-Auffassung zur Zulassungspflicht auseinanderzusetzen. Überraschenderweise sieht sie – in einem Post zum BGH-Urteil auf ihrer Website – die eigene Rechtsanwendungspraxis „nahezu vollumfänglich bestätigt“. Sie verweist dazu auf ihre FAQ (zfu.de/veranstaltende/faq).

Nicht aufgezeichnete Online-Seminare sind nicht zulassungspflichtig

Nach Auffassung der ZFU sind Online-Seminare („präsenzäquivalente Online-Veranstaltungen“) nicht zulassungspflichtig, da sie synchron in Echtzeit stattfinden und dadurch keine räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden im Sinne des FernUSG besteht. Bei einem „virtuellen Klassenraum“ oder anderer synchroner Kommunikation (z. B. Live-Chat) – so die ZFU – ist jederzeit ein Kontakt wie in Präsenzveranstaltungen möglich, sodass eine „räumliche Trennung“ im Sinne des FernUSG nicht gegeben ist, obwohl Lernende und Lehrende sich an unterschiedlichen Orten aufhalten.

Aufgezeichnete Online-Seminare sind zulassungspflichtig

Anderes gilt, wenn der Veranstalter den Teilnehmenden synchron angebotene Onlinekurse als Aufzeichnung zur Verfügung stellt. Die werden dann dem asynchronen Lernen zugeordnet. Das Gleiche gilt bei asynchronem Austausch (z. B. Weblog, Forum, Wiki als Lernhilfe etc.). Hier ist – so die ZFU – die Voraussetzung der „räumlichen Trennung“ gegeben.

Die Haltung der ZfU zur Lernerfolgskontrolle

Weit fasst die ZFU dagegen das Merkmal der individuellen Lernerfolgskontrolle. Der Gesetzgeber gehe von einem umfassenden und weiten Verständnis des Begriffs der Überwachung des Lernerfolgs aus. Das wesentliche Merkmal von Fernunterricht ist die Begleitung und Betreuung der Teilnehmenden. Daher sei das Merkmal „individuelle Lernerfolgskontrolle“ schon erfüllt, wenn Teilnehmenden die Möglichkeit geboten wird, inhaltliche Fragen zu stellen. Das gleiche gilt für den Austausch in einem sozialen Netzwerk, wenn es sich dabei um fachliche Fragen und nicht nur um technischen Support handelt.

Wichtig | Zusammengefasst vertrat die ZFU bisher also die Auffassung, dass es sich bei Onlineseminaren mit synchroner Teilnahme nicht um Fernunterricht handelt. Dem hat der BGH jetzt widersprochen.

Um diesen Fall ging es beim BGH

In dem Verfahren hatte ein Mann mit dem Anbieter einen Vertrag über ein neunmonatiges „Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness“ zum Gesamtpreis von 47.600 Euro geschlossen. Das Programm sollte unter anderem Kenntnisse in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Unternehmensorganisation vermitteln. Es beinhaltete regelmäßige Online-Meetings, Lehrvideos und Workshops. Der Teilnehmer zahlte zunächst 23.800 Euro und begann das Programm, bevor er es nach sieben Wochen kündigte und die Rückzahlung der gezahlten Gebühren verlangte.

So entschied der BGH

Das OLG Stuttgart hatte in der Vorinstanz entschieden, dass der Vertrag nichtig ist, weil der Anbieter nicht über die erforderliche Zulassung nach dem FernUSG verfügte. Deswegen bejahte das OLG einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung. Der BGH folgte dieser Auffassung (BGH, Urteil vom 12.06.2025, Az. III ZR 109/24, Abruf-Nr. 249160).

Keine inhaltlichen Mindestanforderungen an Fernunterricht

Den Begriff des Fernunterrichts fasst der BGH inhaltlich weit: Er umfasst die Vermittlung jeglicher Kenntnisse und Fähigkeiten – gleichgültig welchen Inhalts. Eine irgendwie geartete „Mindestqualität“ der Kenntnisse oder Fähigkeiten ist nicht erforderlich. Andernfalls – so der BGH – würden gerade solche Fernunterrichtsverträge aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen, bei denen der beabsichtigte Schutz der Fernunterrichtsteilnehmer besonders notwendig ist.

Wichtig | Das gilt auch – so der BGH – für Coaching- oder Mentoring-Angebote, um die es im behandelten Fall ging, weil vorliegend die Wissensvermittlung gegenüber einer individuellen und persönlichen Beratung und Begleitung des Teilnehmers deutlich im Vordergrund stand.

Räumliche Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem

Die entscheidende Frage, ob bei Onlineseminaren grundsätzlich eine räumliche Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem besteht, ließ der BGH im behandelten Fall offen, weil in dem Lehrgang asynchrone Unterrichtsanteile überwogen. Ein asynchroner Unterricht, liegt für den BGH immer vor, wenn die Online-Meetings zusätzlich aufgezeichnet und den Teilnehmern anschließend zur Verfügung gestellt werden. Es handelt sich dann um asynchronen Unterricht, weil sie zeitversetzt zu einem beliebigen Zeitpunkt angeschaut werden können und eine synchrone Teilnahme damit entbehrlich machen.

Dem synchronen Unterricht können damit lediglich Veranstaltungen zugeordnet werden, die entweder in physischer Präsenz oder zumindest als ausschließlich synchrone Online-Kommunikation durchgeführt werden.

Überwachung des Lernerfolgs

Was unter „Überwachung des Lernerfolgs“ zu verstehen ist, ist nach Auffassung des BGH weit auszulegen. Sie liegt bereits dann vor, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs zu erhalten. Das Fragerecht bezieht sich auf das eigene Verständnis des erlernten Stoffs, wodurch der Teilnehmer eine persönliche Lernkontrolle herbeiführen und überprüfen kann, ob er die vermittelten Inhalte zutreffend erfasst hat und richtig anwenden kann.

FernUSG greift auch bei Verträgen mit Unternehmern

Auch wenn sich Zwecke der FernUSG auf den Verbraucherschutz richtet, ist Anwendungsbereich des Gesetzes nicht auf Fernunterrichtsverträge mit einem Verbraucher im Sinne des § 13 BGB beschränkt. Eine solche Einschränkung sieht der Wortlaut des FernUSG nach Auffassung des BGH nicht vor. Teilnehmer ist danach jede Person, die mit einem Veranstalter von Fernunterricht einen Vertrag über die Erbringung von Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG geschlossen hat.

Wettbewerbsrecht

Neben der Nichtigkeit der geschlossenen Verträge und eines drohenden Bußgeldverfahrens sind Verstöße gegen die Zulassungspflicht von Fernlehrgängen auch wettbewerbsrechtlich relevant. Nach § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Das ist beim FernUSG der Fall. Wettbewerber können Anbieter von Fernseminaren, die gegen die Zulassungspflicht nach FernUSG verstoßen, unter Forderung einer Vertragsstrafe abmahnen Da es sich bei solchen Abmahnungen um ein verbreitetes „Geschäftsmodell“ handelt, drohen hier u. U. am ehesten – auch finanzielle – Folgen.

Fazit und Empfehlungen für Anbieter

Die Auffassung zur Lernerfolgskontrolle der ZfU hat der BGH in seinem Urteil bestätigt. Nicht hinreichend geklärt hat er dagegen, ob Onlineseminare grundsätzlich als Fernunterricht gelten. Man darf davon ausgehen, dass der Gesetzgeber auf die neue BGH-Rechtsprechung mit einer Klarstellung im FernUSG reagieren wird. Die Rechtsauslegung des BGH führt zu einer Überregulierung, die über den Schutzzweck des FernUSG weit hinausgeht.

Bis dahin sollten Seminaranbieter auf Nummer sicher gehen und darauf achten, dass ihre Veranstaltungen nicht alle Kriterien für Fernunterricht i. S. v. § 1 FernUSG erfüllen. Das bedeutet für die Anbieter:

  • Stellen Sie Teilnehmern der Onlineseminare keine Aufzeichnung zur Verfügung. Auch wenn bisher nicht geklärt ist, ob ein synchrones Seminar als Fernunterricht gilt, wird ein synchrones Seminar definitiv zum Fernunterricht, wenn zusätzlich eine Aufzeichnung angeboten wird, die die synchrone Teilnahme verzichtbar macht.
  • Verzichten Sie auf Lernerfolgskontrollen jeglicher Art. Problematisch ist dabei, dass schon die Beantwortung fachlicher Fragen der Teilnehmer als solche Lernerfolgskontrolle gilt. Zumindest sollten in der Bewerbung der Seminare und in den Verträgen kein Hinweis auf die Beantwortung von Fragen enthalten sein.
  • Wenn Ihre Bildungseinrichtung regelmäßig umfangreichere Fernlehrgänge anbietet, sollten Sie eine Zertifizierung in Erwägung ziehen. Die Zulassung durch die ZFU ist ein Qualitätskriterium, das Sie auch in der Werbung einsetzen können. Für Kurzschulungen und Onlineseminare, die nicht wiederholt angeboten werden, wird eine Zulassung aber in der Regel zu aufwändig sein.

AUSGABE: VB 9/2025, S. 16 · ID: 50517606

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