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UnfallversicherungNeues Urteil: Wann sind Ehrenamtler als „Wie-Beschäftigte“ unfallversichert?

Abo-Inhalt03.06.20256422 Min. Lesedauer

| Neue Erkenntnisse, wann Ehrenamtler bei ihrer Tätigkeit im und für den Verein als „Wie-Beschäftigte“ unfallversichert sind, kommen vom Sozialgericht (SG) Hamburg. Das Gericht hat u. a. klargestellt, dass es nicht auf den zeitlichen Umfang der Tätigkeit ankommt und die Umstände des Einzelfalls entscheiden. |

Darum geht es bei „Wie-Beschäftigten“ im Verein

Nach § 2 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII können unter bestimmten Voraussetzungen auch Personen, die nicht in einem vergüteten Beschäftigungsverhältnis stehen, unfallversichert sein, wenn die Tätigkeit einer Beschäftigung gleicht (sog. Wie-Beschäftigte). Es darf sich aber nicht um eine selbstverständliche Hilfeleistung handeln und die Tätigkeit darf nicht durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder sozial geprägten Beziehung gekennzeichnet sein.

Diese Regelung ist für Vereine von großer Bedeutung, weil Tätigkeiten häufig ehrenamtlich ausgeübt werden. Hier kommt § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII ins Spiel. Danach kann Versicherungsschutz bestehen, wenn der Arbeitseinsatz nicht aus einer mitgliedschaftlichen Verpflichtung heraus erfolgt.

Der Hundesportverein-Fall vor dem SG Hamburg

Im konkreten Fall ging es um ein Mitglied eines Hundesportvereins, das im Rahmen einer Übungseinheit von der Hundetrainerin gebeten worden war, kurzzeitig einen Hund an der Leine zu halten. Der Hund sprang plötzlich auf und brachte das Mitglied zu Sturz. Das zog sich bei dem Sturz erhebliche Verletzungen zu. Bei der Behandlung im Krankenhaus wurde der Sturz zunächst als Arbeitsunfall erfasst und an die Berufsgenossenschaft gemeldet, die ihn auch als versicherten Arbeitsunfall im Rahmen einer Wie-Beschäftigung anerkannte.

Mitglied klagte gegen Einstufung als „Wie-Beschäftigter“

Dagegen klagte das Mitglied, weil es Haftungsfolgen für den Verein befürchtete. Das hatte folgenden Hintergrund: Wird ein Arbeitsunfall von einem Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt, entsteht eine Haftung gegenüber der Berufsgenossenschaft. Sie fordert dann vom Arbeitgeber (hier Verein) die für den Versicherungsfall entstandenen Kosten als Schadenersatz.

Die Entscheidung des SG Hamburg

Das SG gab dem Mitglied Recht (SG Hamburg, Urteil vom 14.02.2025, Az. S 40 U 35/23, Abruf-Nr. 248297).

Wann handelt es sich um eine Wie-Beschäftigung?

In seiner Entscheidung hat das SG zunächst auf die Kriterien verwiesen, die die Rechtsprechung für den Versicherungsschutz als „Wie-Beschäftigte“ nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII entwickelt hat:

  • Es muss sich um eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handeln, die bestimmt ist, dem Unternehmen (hier Verein) zu dienen.
  • Sie muss dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen.
  • Die Tätigkeit muss dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sein, d. h. typischerweise von Personen verrichtet werden können, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.
  • Sie muss unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht, also konkret arbeitnehmerähnlich.
  • Sie darf nicht unternehmerisch, d. h. selbstständig sein.

Nicht erforderlich sind dagegen

  • eine Eingliederung ins fremde Unternehmen und
  • die persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmen.

Dabei spielt es keine Rolle, ob der wirtschaftliche Wert der Arbeit gering oder hoch ist und aus welchen Beweggründen die Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgeblich sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse, die sich aus den konkreten Umständen und dem Gesamtbild dieser Tätigkeit ergeben.

Kriterium „beschäftigtenähnliche Tätigkeit“ war gegeben

Für das SG steht fest, dass nicht jede Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigtenähnlich verrichtet werden muss. Angewendet auf den konkreten Fall sprachen folgende Kriterien für eine Wie-Beschäftigung:

  • Das Mitglied verrichtete mit seiner kurzen Hilfstätigkeit eine einem fremden Unternehmen (dem Verein) dienende Tätigkeit.
  • Die Tätigkeit kam grundsätzlich auch dem Verein zugute.
  • Sie konnte ihrer Art nach auch von ausgebildeten Hundetrainern verrichtet werden, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen.
  • Indem der Verein so Aufwendungen für einen angestellten Hundetrainer ersparte, hatte die kurzzeitige Tätigkeit auch einen wirtschaftlichen Wert.

Tätigkeit war aber nicht „arbeitnehmerähnlich“

Allerdings war das Festhalten des Hundes und ihre weiteren zu berücksichtigenden Tätigkeiten für den Verein im konkreten Fall nicht arbeitnehmerähnlich. Sie waren nämlich Ausfluss der Mitgliedschaft im Verein und nach der Handlungstendenz dieser Sonderbeziehung wesentlich zuzuordnen.

Wichtig | Den Begriff der „Sonderbeziehung“ hat das SG von der BSG-Rechtsprechung übernommen. Er soll insgesamt helfen, den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII in der Handhabung und Rechtsanwendung vorhersehbar zu machen. Eine solche sozial geprägte Sonderbeziehung liegt sowohl bei Verwandtschafts-, Freundschafts- und Nachbarschaftsverhältnissen als auch bei Mitgliedschaften in Vereinen vor. Handelt es sich um eine selbstverständliche Hilfeleistung oder ist die Tätigkeit durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder sozial geprägten Beziehung gekennzeichnet, fehlt es regelmäßig an einer konkreten Arbeitnehmerähnlichkeit. Selbstverständliche Hilfeleistungen sind solche, die sich ausgehend von der sozial geprägten Sonderbeziehung in einem üblichen und zu erwartenden Rahmen bewegen oder dem konkreten Vereinszweck entsprechen.

Zeitlicher Umfang der Tätigkeit spielt nur eine geringe Rolle

Der zeitliche Umfang spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle, wenn die Tätigkeit in der Sonderbeziehung begründet ist und ein eigenwirtschaftlicher Charakter im Vordergrund steht. Es liegt dann keine Wie-Beschäftigung vor, weil nicht das Verrichten einer arbeitnehmerähnlichen Leistung für einen Dritten, sondern eine Verrichtung mit der Handlungstendenz „Tätigkeit im Rahmen des Vereinszwecks“ im Vordergrund steht.

Daher sind Art, Umfang und zeitliche Dauer einer Hilfeleistung für das SG eher untaugliche Kriterien für die Bestimmung und Reichweite des Versicherungsschutzes. Denn eine solche Tätigkeit ist wesentlich durch die besonderen (zum Teil auch satzungsrechtlichen) Regelungen und den Vereinszweck bestimmt. Bei der Zurechnung von Tätigkeiten für einen Verein kann insbesondere regelmäßig nicht objektiv festgestellt werden, wie ausgeprägt die tatsächliche „Arbeits-“Bereitschaft des einzelnen Vereinsmitglieds ist.

Deswegen ist die innere Motivation, ob und inwieweit jemand bereit ist, im Rahmen der Sonderbeziehung zum Verein eine Arbeitsleistung zu verrichten und damit den „satzungsgemäßen Verpflichtungen/Erwartungen“ zu entsprechen, regelmäßig als Kriterium ungeeignet. Es ist nämlich nicht erforderlich, dass alle Vereinsmitglieder in genau dem gleichen Umfang für den Verein tätig werden. In der Praxis verrichten einige Vereinsmitglieder mehr, andere weniger Dienste bzw. Tätigkeiten für den Verein.

Gesamttätigkeit für den Verein muss betrachtet werden

In der Gesamtwertung kommt das SG deswegen zum Ergebnis, dass die Tätigkeit des Mitglieds im Wesentlichen durch die Sonderbeziehung zum Verein als Hundeliebhaberin geprägt war und dem Vereinszweck allein wesentlich diente. Dabei ist nicht ausschließlich auf den konkreten Unfallzeitpunkt abzustellen, sondern auf die regelmäßige Tätigkeit für den Verein, die das mehrmalige Aufsuchen des Vereinsgeländes in der Woche und die „Betreuung/Anleitung“ von anderen Vereinsmitgliedern und deren Hunde umfasste. Diese Tätigkeit hatte das Mitglied im Rahmen des Vereinszwecks als hervorgehobenes Vereinsmitglied verrichtet. Damit war ihre Handlungstendenz als wesentliches Kriterium des Versicherungsschutzes in der sozial geprägten Sonderbeziehung (Vereinsmitgliedschaft) in einem üblichen und zu erwartenden Rahmen des konkreten Vereinszwecks zu sehen.

Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Schnuppertätigkeit im Reitverein: LSG Baden-Württemberg verneint Wie-Beschäftigung“, www.iww.de/vb → Abruf-Nr. 50254405
  • Beitrag „Unfallversicherung: Wann gelten Ehrenamtler als versicherte Wie-Beschäftigte des Vereins?“, VB 5/2023, Seite 13 → Abruf-Nr. 49418038

AUSGABE: VB 6/2025, S. 7 · ID: 50432724

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